Transportpanzer Neue Generation – Patria zur Angebotsabgabe für rund 300 6×6-Transportpanzer aufgefordert

Waldemar Geiger

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Die Bundeswehr hat den finnischen Rüstungskonzern Patria zur Abgabe eines verbindlichen Angebots für die Beschaffung sogenannter Transportpanzer Neuer Generation aufgefordert. Deutschland möchte die Fahrzeuge im Rahmen des internationalen Vorhabens „Common Armoured Vehicle System“ (CAVS) als Nachfolger für die in die Jahre gekommenen Transportpanzer Fuchs beschaffen. Dies bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums (BMVg) auf Nachfrage von hartpunkt. Zudem erklärte der Sprecher, dass die parlamentarische Befassung für den frühestmöglichen Zeitpunkt nach Konstituierung des neuen Bundestages und seiner Ausschüsse vorgesehen sei. Das BMVg erklärte bereits in der Vergangenheit, dass der Bedarf der Bundeswehr in den nächsten Jahrzehnten bei rund 1.000 Fahrzeugen in unterschiedlichen Varianten liegt. Dem Vernehmen nach soll es sich bei der nun angefragten Stückzahl um rund 300 Radpanzer handeln.

Gut informierten Kreisen zufolge wurde Patria bereits im letzten Quartal 2024 aufgefordert, das verbindliche Angebot für die Beschaffung von Transportpanzern Neuer Generation abzugeben. Beobachter gehen davon aus, dass ein Angebot zeitnah vorliegen könnte, welches im Anschluss noch mit dem Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw verhandelt werden muss. Die Finanzierung des Vorhabens ist dem Vernehmen nach im sogenannten Sondervermögen Bundeswehr enthalten. Zu einem Vertragsschluss könnte es dann frühstens kurz vor der parlamentarischen Sommerpause 2025 kommen, realistischer wäre jedoch ein Zeitpunkt nach der Sommerpause, also im September oder Oktober 2025.

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Patria wollte sich zu diesem Sachverhalt auf Anfrage nicht dezidiert äußern. „Wir hoffen, dass die Beschaffung des Fuchs-Nachfolgers dieses Jahr voranschreitet und arbeiten mit Hochdruck mit unserem deutschen Industrieteam, um dies möglich zu machen“, hieß es lediglich von Seiten des Unternehmens.

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Voraussetzung dafür ist, dass eine zukünftige Regierung bei der Absicht bleiben würde, die Fuchs-Nachfolge im Rahmen von CAVS zu regeln. Gerade aus Kreisen der Fuchs-Zulieferer war vor rund einem halben Jahr heftige Kritik geäußert worden, dass in Zeiten, in denen in Deutschland Industriearbeitsplätze abgebaut werden, solch ein großes Vorhaben an ein ausländisches Unternehmen vergeben werden soll. Da in den vergangenen Wochen mehrere deutsche Industrieunternehmen den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt haben und die Arbeitslosigkeit langsam aber stetig ansteigt, könnte das Vorhaben politisch nochmal an Brisanz gewinnen. Bis dato haben sich die Bundesregierungen, was die Realisierung internationaler Kooperationen angeht, an Zusagen vergangener Regierungen gehalten. Jüngstes Beispiel dafür ist die Beschaffung des Schweren Waffenträgers Infanterie über ein Regierungsgeschäft mit Australien.

Zudem könnte die nun für Ende Januar geplante Beschaffung des sogenannten Zukünftigen Systems Indirektes Feuer kurze Reichweite, dessen parlamentarische Behandlung gut informierten Kreisen zufolge für die letzte Sitzungswoche des Bundestages im Januar 2025 vorgesehen ist, als Vorentscheidung für CAVS gewertet werden.

Beim Zukünftigen System Indirektes Feuer kurze Reichweite handelt es sich um ein Turmmörsersystem vom Typ NEMO auf einer CAVS 6x6-Transportpanzerplattform.
Das auf dem CAVS-Transportpanzer basierende „Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite“ wird außerhalb von CAVS beschafft. (Bild: hartpunkt / Waldemar Geiger)

Die entsprechende 25-Mio-Vorlage soll vom BMVg bereits an das Bundesfinanzministerium übermittelt worden sein. Mit dem Vorhaben, welches eine Kombination eines modernen Turmmörsersystems vom Typ NEMO auf einer CAVS 6×6-Plattform (beides von Patria) darstellt, beabsichtigt die Bundeswehr, die in die Jahre gekommenen 120-mm-Panzermörser der Jägertruppe zu ersetzen. Dem Vernehmen nach sollen zudem auch die mit dem Radschützenpanzer ausgerüsteten Grenadierverbände zukünftig mit dem neu zu beschaffenden Mörsersystemen ausgestattet werden. Der Erstbedarf der Bundeswehr soll bei rund 60 Fahrzeugen liegen, bei rund einem fünftel davon handelt es sich um Feuerleitpanzer, der Rest sind Mörserkampfsysteme.

Patria hat zudem vorgesorgt und sich bereits Mitte Februar 2024 mit den beiden deutschen Unternehmen DSL Defence Service Logistics GmbH (DSL), einer Tochter des KNDS-Konzerns, sowie der FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) zusammengeschlossen, um der Bundeswehr im Rahmen der Nachfolge des Transportpanzers Fuchs die Entwicklung, Produktion und Wartung von Varianten des 6×6-Transportpanzers von Patria anzubieten.

Die Aufteilung der Arbeitspakete sieht vor, dass Patria im Rahmen des internationalen CAVS-Programms als Hauptauftragnehmer fungieren wird, wenn Deutschland sich für die Beschaffung des Fahrzeuges entscheiden sollte. Der finnische Konzern wird zudem die Federführung bei der Konzeption und Entwicklung des Systems übernehmen. DSL und FFG – mit der Tochter Jungenthal Wehrtechnik (JWT) – sollen hingegen für das lokale Engineering, die Produktion und den Life-Cycle-Support aus den Standorten Freisen, Flensburg und Kirchen sorgen. „Neben der nun beginnenden detaillierteren Vorbereitung der Lokalisierung wird das Team auch andere deutsche Unternehmen in das Programm einbinden“, hieß es in der Mitte Februar verschickten Pressemitteilung der drei Kooperationspartner. Nach Aussage von Jörg Kamper, Geschäftsführer der Jungenthal Wehrtechnik und Mitglied der Geschäftsführung der FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH, wird der Löwenanteil der Fertigung in Deutschland erfolgen.

Das Niveau einer rein deutschen Herstellung wird allerdings nicht erreicht, insbesondere was die Beteiligung der Zulieferbetriebe angeht.

Transportpanzer CAVS 6×6

Der CAVS 6×6 leitet sich von einem dreiachsigen Radpanzer ab, den ursprünglich die finnische Firma Sisu produzierte. Dieses Fahrzeug wurde auch Patria XA genannt. Der neue Patria 6×6 weist den Angaben von Patria zufolge gegenüber seinem Vorgänger eine verbesserte Einzelradaufhängung, einen leistungsstärkeren Scania-Motor – je nach Ausführung mit 294 kW oder 325 kW Leistung – sowie Verbesserungen des elektrischen Systems auf. Das deutsche Unternehmen ZF liefert laut Patria das 7-Gang-Automatikgetriebe.

Die Ladekapazität beträgt 8,5t. Der Patria 6×6 hat laut Hersteller ein maximales Gewicht von 24t –das Schwimmgewicht soll bei 21t liegen – und der Schutz entspricht STANAG 4569 Level 2, wobei auch ein höherer Schutz gemäß Level 4 bei Bedarf möglich sein soll.

CAVS-Historie

Am 14. Juni 2022 hat Deutschland eine Absichtserklärung zum Beitritt zum finnisch geführten CAVS-Programm für ein neues 6X6-Transportfahrzeug unterzeichnet. Offiziell ist man dem CAVS-Programm aber erst im April 2023 beigetreten und hat im Anschluss den Patria 6×6 einer Reifegradanalyse unterzogen, die der Transportpanzer erfolgreich abgeschlossen hat. Schwerpunkt der Reifegradanalyse lag dem Verteidigungsministerium zufolge auf zulassungsrelevanten und fahrsicherheitsbestimmenden Aspekten.

Insidern zufolge hat politischer Druck dazu geführt, dass die Bundeswehr zwei weitere 6×6-Fahrzeuge – den Fuchs Evolution von Rheinmetall und den Pandur Evolution von General Dynamics European Land Systems – ebenfalls einer Reifegradanalyse unterzogen hat, was Verzögerungen im Projekt zur Folge hatte. Gut informierten Kreisen zufolge konnten die dadurch gewonnenen Erkenntnisse die Bundeswehr nicht von der Absicht abbringen, den Patria zu beschaffen.

Im Mai 2024 wurde dann der Beitritt Deutschlands zum Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung des „Common Armoured Vehicle System“-Programms offiziell vollzogen. Wie aus einer Mitteilung des finnischen Verteidigungsministeriums vom 2. Mai 2024 hervorgeht, erhält Deutschland nach der erfolgten Unterzeichnung des Research and Development Agreements (Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung) Zugang zu den Ergebnissen der CAVS-Produktentwicklungspakete und kann sich zugleich an der Weiterentwicklung des Fahrzeugsystems beteiligen.

Beobachtern des Vorhabens zufolge werden auf Basis des Entwicklungsvorhaben die CAVS-Fahrzeugvarianten entwickelt, die die Bundeswehr einzuführen gedenkt. Diese sind wiederrum Grundlage für eine Vertragsgestaltung. Im Zuge des CAVS-Programms ist es vorgesehen, dass die Verträge zwischen den teilnehmenden Nationen und dem Hersteller geschlossen werden.

Waldemar Geiger