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ThyssenKrupp sucht nach Partnern für Marinesparte

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Der Essener ThyssenKrupp-Konzern hat einem Bericht des Handelsblatts zufolge bei mehreren Unternehmen in Europa angefragt, ob Interesse an einer Verschmelzung mit seiner in Kiel beheimateten Werftsparte thyssenkrupp Marinesystems (tkMS) besteht. Zu diesen Unternehmen sollen die französische Naval Group, die italienische Werft Fincantieri sowie Saab aus Schweden gehören.

Nach Angaben der Zeitung, die sich auf Informationen aus „mit den Vorgängen vertrauten Kreisen“ beruft, wird ThyssenKrupp bei der Sondierung von der Deutschen Bank beraten.

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Der Artikel kommt wenige Wochen nachdem die IG Metall davor gewarnt hatte, dass tkMS womöglich in Kürze zum Verkauf stehen könnte. Das hatte die Gewerkschaft unter anderem aus der Präsentation von ThyssenKrupp-Vorstandschefin Martina Merz bei der Hauptversammlung des Unternehmens am 4. Februar herausgelesen. Dort hatte Merz gesagt: „Bei Marine Systems prüfen wir neben dem Stand-alone-Szenario auch mögliche Partnerschaften und Konsolidierungsoptionen. Die Ausgangslage ist weiterhin gut: Marine Systems ist ideal positioniert. Wir rechnen mit einer guten Geschäftsentwicklung und stabilen Ergebnisbeiträgen in den kommenden Jahren.“

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Zusammen mit einem Statement von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther, der sich besorgt über einen möglichen Verkauf zeigte, hatte dies für einigen Wirbel im Norden gesorgt. Schließlich ist tkMS ein wichtiger Arbeitgeber für mehrere Tausend Menschen in Kiel und Umgebung. Da die Werftindustrie aufgrund der Krise im Kreuzfahrtschiffbau verstärkt unter Druck steht und demnächst Landtagswahlen anstehen, ist ein möglicher Verkauf ein Thema mit Sprengkraft.

Dabei ist die Absicht von ThyssenKrupp nicht neu, seine Werftsparte im Rahmen einer Konsolidierung mit einem Partner zu verschmelzen, als Stand-alone-Unternehmen weiterzuführen oder gar an die Börse zu bringen.

So hatte der Konzern in den vergangenen Jahren Gespräche mit der italienischen Schiffbaugruppe Fincantieri sowie der Bremer Werft Lürssen über einen Zusammenschluss geführt, die aber zu keinem Ergebnis führten. Im Falle des Zusammengehens mit dem Bremer Schiffbauer sah ein Konzept die Beteiligung des Staates an einem solchen nationalen Champion vor. Das ist nicht abwegig, denn sowohl Unterwasser- als auch Überwasserschiffbau – und im neuen Ampel-Koalitionsvertrag sogar die Instandsetzung – für die Marine werden als nationale Schlüsseltechnologien eingestuft. Und mit dem U-Boot-Bau sind erhebliche Haftungsrisiken verbunden. In Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien sind Staatsbeteiligungen an Militärwerften die Regel und zuletzt hatte sogar in Deutschland der Bund eine Sperrminorität am Sensor-Spezialisten Hensoldt übernommen – ebenfalls ein Hersteller militärischer Schlüsseltechnologie. Hensoldt könnte deshalb als Blaupause für den Marineschiffbau dienen.

Das findet auch der Verteidigungspolitiker der CDU im Bundestag, Ingo Gädechens. Der Gesprächsfaden zum Thema Staatsbeteiligung sollte seiner Meinung nach noch einmal aufgenommen werden. Gleichzeitig fordert er: „ThyssenKrupp darf tkMS nicht zum Stiefkind degradieren.“ Gädechens weist darauf hin, dass der Bund im Rahmen des norwegisch-deutschen U-Boot-Projektes und über die Mitfinanzierung der israelischen U-Boot-Bestellung erheblich zum guten Auftragsstand bei tkMS beigetragen hat.

Mittlerweile sitzt das Unternehmen auf einem fetten Auftragspolster von rund 14 Milliarden Euro. Damit wäre der Zeitpunkt für einen Verkauf günstig. Und in den  kommenden Jahren muss die Werft ihre Infrastruktur und Arbeitsmethoden modernisieren. Gleichzeitig gilt es, einen anspruchsvollen Zeitplan bei der Abarbeitung der zahlreichen Projekte einzuhalten. Dass nicht jeder Umsatz zum Gewinn führt, zeigt das Beispiel Türkei. So zahlt tkMS dem Vernehmen nach für das U-Bootgeschäft mit Ankara wegen Problemen bei der Umsetzung oben drauf. Und auch die Lieferung von sechs identischen Booten an die Marinen Norwegens und Deutschland dürften knapp kalkuliert sein, während die finale Design-Festlegung für U212CD noch aussteht.

Aus dem Handelsblatt-Artikel geht nicht hervor, wann die Anfrage an die ausländischen Konzerne gegangen ist. Beobachter wollen nicht ausschließen, dass die Deutsche Bank womöglich schon Ende vergangenen Jahres mit der Marktsondierung begonnen hat, dies aber erst jetzt publik wurde. Dem Vernehmen nach wurde auch noch kein festgelegter Prozess für eine Deinvestition aufgesetzt, wie es Konzerne beim Ausgliedern von Unternehmensteilen sonst mitunter machen.

Dass die französische Naval Group, der ein starkes Interesse an tkMS nachgesagt wird, den Zuschlag erhalten könnte, halten Beobachter für unwahrscheinlich. Schließlich hat auch die Bundesregierung noch ein Wörtchen mitzureden.  Zu groß wäre das Risiko, dass die U-Boot-Produktion in Kiel abgewickelt würde, da die Franzosen sowohl konventionell als auch nuklear angetriebene Unterseeboote selbst im Portfolio haben und immer wieder als Konkurrenten zu tkMS aufgetreten sind.  So wie bei den Ausschreibungen in Norwegen und in Australien.  Zuletzt lief es auch bei deutsch-französischen Prestigeprojekten wie dem Future Combat Air System nicht rund, so dass Beobachter einen Abbruch nicht mehr ausschließen.

Ob der schwedische Rüstungskonzern Saab zugreifen würde, nachdem das Unternehmen erhebliche Summen in die Modernisierung seiner Werft in Karlskrona investiert hat und ebenfalls als Konkurrent bei U-Boot-Projekten wie in den Niederlanden oder Polen auftritt, scheint fraglich.

Bleibt Fincantieri. Die Werft würde vom Portfolio zu tkMS passen, da die für die italienische Marine gebauten Boote auf dem tkMS-Design U212A basieren, ansonsten aber keine Unterwasserschiffe hergestellt werden. Aber auch in diesem Fall dürften Baukapazitäten vermutlich nach Italien verlagert werden. Und wie beschrieben, hat ein Zusammenschluss zwischen dem überwiegend in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen und tkMS bislang nicht geklappt. Es könnte also sein, dass ThyssenKrupp seine Werftsparte noch eine Weile alleine weiterführen muss. Denkbar wäre auch, Einzelteile von tkMS, wie etwa Atlas Elektronik, separat zu veräußern. Dies hat der Konzern bislang jedoch ausgeschlossen.

Interessant wird sein, wie sich die neue Bundesregierung – und mit ihr der aus Schleswig-Holstein stammende Wirtschaftsminister Robert Habeck – hinsichtlich der Werftenkonsolidierung in Deutschland und Europa positionieren wird. Denn dem Staat dürfte dabei eine Schlüsselrolle zukommen.
lah/17.2.2022