Beim Bundeswehr-Vorhaben Tactial Wide Area Network für Landoperationen (TaWAN LBO) zum Aufbau eines durchgängigen Kommunikationsverbundes sah es zunächst danach aus, als ob sich eine deutliche Verzögerung ergeben würde. Denn gut informierten Kreisen zufolge hatte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw dem Anbieterkonsortium von Airbus Defence and Space und Rheinmetall vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass die Verhandlungen für TaWAN final beendet seien. Hintergrund des Abbruchs waren offenbar finanzielle Forderungen des Konsortiums für die Umsetzung des Projektes, die mehrere Hundert Millionen Euro über dem geplanten Budget von rund zwei Milliarden Euro lagen sowie Projektrisiken.
Wie ein Airbus-Sprecher Anfang vergangener Woche auf Nachfrage mitteilte, befindet sich sein Unternehmen mit dem Kunden weiter im Gespräch zu TaWAN. Aufgrund der Vertraulichkeit der Gespräche könne keine weitere Stellungnahme abgeben werden, so der Sprecher. Das BAAINBw äußert sich grundsätzlich nicht zu laufenden Projekten und auch Rheinmetall wollte keine Stellungnahme zu dem Sachverhalt abgeben.
Allerdings zeigte sich Rheinmetall-CEO Armin Papperger am Donnerstag vorletzter Woche bei einer Telefonkonferenz mit Analysten erstaunlich optimistisch. Seiner Einschätzung zufolge ist bei TaWAN ein Ordereingang für seinen Konzern zwischen 1,5 bis 2 Milliarden Euro im zweiten Halbjahr 2024 möglich. Auch bei D-LBO und den Soldatensystemen gehe es voran, sagte Papperger. Alle drei Projekte, die von der Rheinmetall-Sparte Electronic Solutions mit Hauptsitz in Bremen umgesetzt werden, seien im Plan und man erwarte eine Entscheidung der Bundesregierung.
Diese Aussagen und das Timing nach dem Abbruch der Gespräche mit dem Anbieterkonsortium lassen nur einen Schluss zu: Der Düsseldorfer Rüstungskonzern rechnet mit einer Beauftragung als Generalunternehmer für TaWAN. Dem Vernehmen nach soll Rheinmetall auch bereits zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert worden sein. Da erheblicher Zeitdruck auf dem Projekt lastet, die erste Angebotsaufforderung soll bereits im Dezember 2023 erfolgt sein, rechnen Insider damit, dass nur marktverfügbare Produkte für das Vorhaben in Frage kommen.
So dürfte als Fahrzeug für das Richtfunksystem klein der Radpanzer Piranha V von GDELS mit einem Mast von SMAG und Funktechnik von Thales Schweiz dem Kunden angeboten werden. Die Konfiguration Piranha mit SMAG-Mast hatte GDELS bereits auf der Messe Eurosatory im Juni in Paris dem Fachpublikum präsentiert und damit quasi einen Funktionsnachweis für eine mögliche Integration erbracht. Die Richtfunktechnik der Schweizer Thales-Gesellschaft ist bereits in bedeutenden Stückzahlen in die Schweizer Armee eingeführt und seit mehr als einer Dekade erfolgreich im Einsatz. Dort dürften auch mehrere Dutzend Mastsysteme auf Piranha eingeführt sein. Thales wollte sich auf Nachfrage nicht zum Thema TaWAN äußern.
Während die im Rahmen des Projektes vorgesehenen Richtfunksysteme für den rückwärtigen Raum über rund 40 Meter hohe Sendemasten verfügen und dabei eine erhöhte Mobilität und Schutz aufweisen, sollen die in größerer Nähe zur Front operierenden kleinen Richtfunksysteme über eine noch größere Mobilität und mehr Schutz verfügen, weshalb ein Radpanzer als Trägerfahrzeug zum Einsatz kommt.
Als Trägerfahrzeuge für die großen Richtfunksysteme sind geschützte LKW von RMMV vorgesehen, offenbar in der Variante 8X8. Dabei trägt ein Fahrzeug das Mastsystem, ein weiteres den 20-Fuß-Funktionscontainer mit Arbeitsplätzen, Servern und weiterer Ausrüstung. Wie es heißt, wird Rheinmetall Electronics voraussichtlich als IT-Systemintegrator fungieren. Um die Zeitlinien zu halten, sollen mittlerweile auch Forderungen angepasst worden sein. So ist die Rückwärtskompatibilität von TaWAN mit den bereits in die Bundeswehr eingeführten Richtfunksystemen mit der Bezeichnung „Terrestrische Übertragungssystem (TÜtrSys)“ offenbar nicht mehr zwingend notwendig.
Während in den Heeresverbänden mit dem Projekt Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) die digitale Kommunikation sichergestellt und das Projekt gegenwärtig ausgerollt wird, soll TaWAN die Anbindung bis tief in den rückwertigen Raum mit hohen Datenraten sicherstellen. Um einen nahtlosen Kommunikationsverbund aufzubauen, ist deshalb eine zeitlich abgestimmte Einführung beider Systeme wichtig. Aufgrund der Bedeutung von TaWAN für die Führungsfähigkeit der Bundeswehr-Truppen an der NATO-Ostflanke dürfte dem Vorhaben eine strategische Bedeutung zukommen. Womöglich wird bei dem Projekt deshalb ein neuer Ansatz gewählt, wie aus gut informierten Kreisen zu vernehmen ist: Die Gesamtrüstung eines neuen IT-Systems aus einem Guss, wobei Trägerfahrzeuge nur einzelne Komponenten darstellen, die gegebenenfalls ausgetauscht werden können.
Im vergangenen Jahr war die Planung noch, bis Ende 2024 einen endverhandelten Vertrag vorliegen zu haben, um ab Ende 2026 mit der Auslieferung zu beginnen. Sollten diese Eckdaten noch zutreffen, was zu vermuten ist, müsste die Abgabe eines neuen Angebots nach Einschätzung von Beobachtern noch im dritten Quartal erfolgen und sich im Budgetrahmen befinden, um zeitintensive Nachverhandlungen zu vermeiden. Die Aussage von Papperger zum Ordereingang von maximal zwei Milliarden Euro für TaWAN deutet darauf hin, dass der Konzern die Kostenproblematik fest im Blick hat.
Lars Hoffmann