Die Bundeswehr beabsichtigt offenbar, mehrere tausend weitere SMASH-Feuerleitvisiere zu beschaffen, um ihre Liegenschaften vor ungewollten Drohnenüberflügen schützen zu können. Damit dies jedoch auf Dauer effektiv und sicher erfolgen kann, ist auch eine für diesen Zweck geeignete Munition erforderlich.
Die Bundeswehr stellt in den jeweiligen Teilstreitkräften aktuell Züge auf, die, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am 13. Juni schreibt, als „schnelle Reaktionselemente“ innerhalb von 72 Stunden an jeden Ort in Deutschland verlegt werden können und dort die Liegenschaften der Bundeswehr vor Drohnen schützen. Dabei werden die Soldatinnen und Soldaten auch mit dem „Zielassistenzsystemen zur Detektion und kinetischen Abwehr von Class 1 UAS“ ausgestattet werden. Hinter der Bundeswehrbezeichnung verbirgt sich das Feuerleitvisier vom Typ SMASH X4 des israelischen Herstellers Smartshooter.
Die Bundeswehr hat bereits im Mai 2023 einige wenige Systeme beschafft, die es dem Schützen ermöglichen, fliegende Drohnen auf Entfernungen von rund 200 Meter mit dem Sturmgewehr zielgenau zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass eine effektive Drohnenabwehr mehrschichtig aufgebaut ist und sich aus unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichen Wirkdistanzen zusammensetzt.
Anfang des Jahres wurde ein Rahmenvertrag mit der IEA MIL-OPTICS GmbH (IEA) – seit Ende 2022 zuständig für den Deutschlandvertrieb von Smartshooter-Produkten – über die Lieferung von bis zu 500 weiteren Systeme geschlossen, hartpunkt berichtete. Von den 500 SMASH-Feuerleitvisieren wurden jedoch nur 220 fest beauftragt. Wie aus dem Spiegel-Beitrag weiter hervorgeht, plant die Bundeswehr bis 2029 insgesamt 2.288 Feuerleitvisiere zu beschaffen. Dabei dürfte es sich ausschließlich um Systeme für den Schutz von Liegenschaften handeln.
In der Truppe kommen die SMASH-Systeme in Kombination mit vollautomatischen Zielfernrohrgewehr G27P im Kaliber 7,62 x 51 mm des Herstellers Heckler & Koch zum Einsatz. Die Waffe wurde ursprünglich für die Spezialkräfte beschafft und später weitere Systeme als Teil der sogenannten Interimslösung Gewehr G36 für die streitkräftegemeinsame Nutzung gekauft. Einer am 20. Mai 2025 auf der europäischen Online-Vergabeplattform TED veröffentlichten Mitteilung des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw zufolge, wurde mit Heckler & Koch am 14. April 2025 ein Rahmenvertrag über die Lieferung von weiteren G27P geschlossen. Die Stückzahl der zu liefernden Waffen wurde nicht veröffentlich, die Laufzeit der Rahmenvereinbarung – 15. November 2024 bis 31. Dezember 2027 – entspricht fast auf den Tag genau dem Zeitraum des SMASH-Rahmenvertrages – 1. November 2024 bis 15. Dezember 2027. Hier liegt die Vermutung also nahe, dass ebenfalls bis zu 500 G27P beschafft werden.
Sichere Drohnenabwehr
Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich nicht im Kriegszustand, daher kann auch die Bundeswehr nicht ohne weiteres in die Luft schießen, um Drohnen abzuwehren, obwohl die Truppe über unterschiedliche Waffensysteme verfügt, die zumindest aus technischer Sicht geeignet wären, diese Aufgabe zu erfüllen. Denn neben der technischen Herausforderung der Drohnenabwehr im Friedensfall, sind rechtliche Vorschriften sowie Aspekte der Sicherheit zu beachten, wobei hier nicht die militärische Sicherheit gemeint ist, sondern primär die Sicherheit der Bevölkerung bzw. von unbeteiligten Personen.
Der aktuell geltende Rechtsrahmen sieht vor, dass die Zuständigkeit für die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft – also auch die Drohnenabwehr – über den Liegenschaften der Bundeswehr – wozu neben Kasernen, Fliegerhorsten, Hafenanlagen sowie weiteren Standorten auch die Truppenübungsplätze gehören – die Bundeswehr selbst verantwortlich ist, darüber hinaus ist die Polizei zuständig. Die rechtliche Grundlage dafür liefert der § 9 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw). Der Abschuss von Drohnen ist für die Bundeswehr also möglich, jedoch nur unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Und genau das ist die Herausforderung.
Stand heute verfügt die Bundeswehr über das Recht und sporadisch auch über die Mittel, um Drohnen auf kurze Distanzen über den eigenen Liegenschaften abzuwehren. Unter der Prämisse der Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist dies nicht jederzeit und überall effektiv möglich. Der Grund dafür liegt in dem potenziellen Gefahrenbereich des Waffeneinsatzes. Gemäß der nicht eingestuften und öffentlich zugänglichen Zentralrichtlinie A2-2090/0-0-1 der Bundeswehr „Schießsicherheit“ beträgt der Gefahrenbereich einer Patrone im Kaliber 7,62 x 51 mm bei einer Rohrerhöhung von über 5 Grad bei 4.300 m. Es ist für den Schützen daher faktisch nicht möglich im Rahmen der Drohnenabwehr die potenzielle Gefährdung zu ermitteln, die er mit einem Schuss in die Luft verursacht. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um die Abwehr feindlicher Drohnen im Krieg, sondern um einen Wach- oder Sicherungsdienst im Friedensbetrieb teilweise ohne Kenntnis, ob es sich bei der erkannten Drohne um eine Spionagedrohne handelt oder eine Drohne eines Hobbypiloten, der sich nicht an die geltende Regelung hält. Im ungünstigsten Fall will der Schütze eine „verirrte“ Drohne abschießen, die gar keine Gefahr für die Bundeswehr darstellt und schädigt dabei eine unbeteiligte Person in weiter Entfernung, ohne überhaupt zu wissen, dass diese Person in seinem Gefahrenbereich war.
Dass diese Gefahr nicht nur abstrakt ist, zeigt ein Fall, der sich vor rund 20 Jahren ereignet hat. So verletzte 2004 eine Gewehrkugel ein vierjähriges Kind, das zusammen mit seiner Kindergartengruppe in einem Wald rund 600 m entfernt von einem Bundeswehrschießstand gespielt hatte. Die Ermittlungen ergaben, dass ein auf dem Schießstand abgegebener Schuss aus einem G36-Sturmgewehr (der Gefahrenbereich hier beträgt laut der Bundeswehr bis zu 3.300 m) vermutlich über den Geschossfang abgefeuert worden sein musste.
Verfügbare Mittel der kinetischen Drohnenabwehr
Wie bereits beschrieben, steht der Bundeswehr aktuell das Gewehr G27P in Verbindung mit dem SMASH X4 zur kinetischen Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen im Nahbereich zu Verfügung. Dabei ist zu beachten, dass die Waffe und Optronik in diesem Zusammenhang nur das „Verbringungsmittel“ für den Effekt Drohnenabwehr darstellen. Die Bekämpfung der Drohne mittels Beschädigung wird durch den kinetischen Aufprall des Geschosses auf eine für die Funktion der Drohne notwendige Komponente erzielt. Die Waffe dient „nur“ der gezielten Beschleunigung des Geschosses.
Theoretische und praktisch stehen der Bundeswehr mehrere Munitionssorten im Kaliber 7,62 x 51 mm für diesen Zweck zur Verfügung, neben der Gefechtsmunition in den Sorten Leuchtspur, Weichkern und Hartkern wäre da noch sogenannte Patrone Übung. Alle diese Sorten sind für den Verschuss aus dem G27P qualifiziert, in die Bundeswehr eingeführt und in ausreichender Stückzahl vorhanden. Auch die für die Nutzung der Üb-Patrone notwendigen „Üb-Verschlüsse“ stehen der Truppe zur Verfügung.
Die Gefechtsmunition ist grundsätzlich dazu geeignet, Drohnen innerhalb der effektiven Kampfentfernung eines mit der SMASH-Optik ausgerüsteten Sturmgewehrs gegen Drohnen erfolgreich zu bekämpfen, wobei diese Entfernung je nach Größe der Drohne und dem Flugmanöver bei rund 200 bis 300 m liegt. Die SMASH-Optik befähigt einen Schützen somit, kleine Drohnen auf ungefähr die gleiche Entfernung sicher treffen zu können, die ein geübter Schütze sonst im Liegendanschlag gegen Personenziele hat. Der Gefahrenbereich der Patrone beträgt jedoch bis zu 4.300 m, er ist also rund 4 km größer als die effektive Wirkreichweite des Systems. Die Problematik dieses großen Gefahrenbereiches wurde an dieser Stelle bereits erläutert. Mit fortschreitender Nutzung und querschnittlichen Einführung des Waffensystems ist es nur eine Frage der Zeit, bis beim Versuch der Drohnenabwehr ein Personenschaden innerhalb oder außerhalb der Bundeswehr auftreten würde. Neben dem Personenschaden an sich und der Unsicherheit, welche Auswirkung ein solcher Fall auf die weitere Nutzung des Systems für die Drohnenabwehr mit sich bringen würde, wäre da noch der mit dem Personenschaden einhergehende Schaden für das Ansehen der Bundeswehr in die Nutzungsabwägung einzubeziehen. Ergo wäre die Nutzung der Gefechtsmunition zwar effektiv bezogen auf den Zweck der Bekämpfung der einzelnen Drohne aber nicht wirklich geeignet für den Einsatz im Rahmen des Liegenschaftsschutzes vor Drohnen im Friedensbetrieb.
Die schnell zur Verfügung stehende Alternative ist die Nutzung der angesprochenen Üb-Patrone, die über einen aus Kunststoff hergestelltes Geschoss verfügt und dadurch eine signifikant geringere Umgebungsgefährdung darstellt. Ein solches Geschoss würde eine Person auf eine Entfernung von 200 m bei einem Direkttreffer (Augen ausgenommen) wenn überhaupt, dann nur leicht verletzen, jedoch nicht töten. Der Gefahrenbereich gemäß der A2-2090/0-0-1 beträgt 450 m bei einer Rohrerhöhung von über 5 bis 10 Grad, bei 30 Grad wird der Gefahrenbereich mit 500 m angegeben. Der Hauptgrund für den signifikant geringeren Gefahrenbereich liegt in der weniger aerodynamischen Form des Geschosses und dem geringeren Gewicht. Das rund 1 g (15 grains) schwere PT-Geschoss verliert deutlich schneller an Energie, was sich auch in einer signifikant steiler abfallenden Flugbahn widerspiegelt, als es bei der Gefechtsmunition der Fall ist.
Diese Munitionssorte scheint, zumindest was das Gefährdungspotenzial von unbeteiligten Personen angeht, sich eher für Drohnenabwehr im Rahmen des Liegenschaftsschutzes zu eignen. Die Frage bei dieser Munitionssorge liegt eher in der effektiven Reichweite der Munition im Rahmen der Drohnenabwehr. Die steilere ballistische Kurve der Munitionssorte lässt sich sicherlich mit einer Softwareanpassung vergleichsweise einfach implementieren, so dass die Drohne auf ähnliche Entfernung wie mit der Gefechtsmunition getroffen werden könnte. Fraglich ist jedoch, ob die dann noch zur Verfügung stehende Geschossenergie ausreichend kinetische Wirkung erzielen könnte, um die Drohne hinreichend genug zu beschädigen. Mit Verweis auf die Wirkung der Munition auf den menschlichen Körper, darf vermutet werden, dass die Munition jenseits der 100 m über unzureichend Energie verfügen dürfte, um jegliche Flugwichtige Komponente eine Drohne ausreichend zu beschädigen.
Bei der Nutzung der Munition besteht also das Risiko, dass man auf einen signifikant großen Teil seiner effektiven Bekämpfungsreichweite verzichten muss, um die Hintergrundgefährdung effektiv ausschließen zu können.
Maximale Kampfentfernung bei geringer Hintergrundgefährdung
Das gewünschte Optimum der maximal möglichen effektiven Kampfentfernung bei geringer Hintergrundgefährdung lässt sich mit den in der Bundeswehr eingeführten Munitionssorten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erzielen.
Eine Entwicklung und Einführung einer genau für diesen Zweck abgestimmten Munitionssorte würde mehrere Jahre dauern und daher keinen effektiven Beitrag zur aktuellen Problemlösung der Bundeswehr beitragen. Gleichwohl sind bereits heute unterschiedliche Munitionssorten marktverfügbar, die dem gewünschten Zweck zumindest näherkommen sollten, als dies mit den aktuellen Munitionssorten möglich ist.
Beispielhaft wären hier die erst vor kurzem vorgestellte Drohnenabwehrmunition Urban Drone Defence (UDD) des fränkischen Munitionsherstellers RWS und die sogenannte Short Stop Short-Range Training Ammunition (SRTA) von General Dynamics Ordnance and Tactical Systems-Canada zu nennen. Beide Munitionssorten werden im Kaliber 7,62 x 51 mm angeboten.
Urban Drone Defence
RWS hat die UDD speziell mit Hinblick auf eine geringe Hintergrundgefährdung für den Einsatz in urbanen und somit dichtbesiedelten Gebieten entwickelt.
Angeboten wird die Munition mit zwei verschiedenen Geschossgewichten, welche sofort an der Färbung der Patrone zu erkennen ist. Die UDD Light mit blau gefärbtem Polymergeschoss und einem Geschossgewicht von ca. 1,0 g (15 grains) ist RWS zufolge insbesondere für kürzere Distanzen von bis zu 100 m, wie etwa in einem dicht besiedelten Innenstadtbereich, ausgelegt. Auf diese Distanz ist das Bekämpfen von Class 1 UAS der möglich. Der maximale Gefahrenbereich wird mit 400 m angegeben.
Die gräulich-braun gefärbten UDD Heavy weist ein Geschossgewicht von etwa 3,0 g (46 grains) auf und ist für mittlere Entfernungen von bis zu 300 m und dem Einsatz im vorstädtischen oder ländlichen Bereich gedacht. Hier liegt der Gefahrenbereich bei 1.000 m.
RWS weist darauf hin, dass im Rahmen der Entwicklung eine Vielzahl von Materialien, angefangen von Kunststoffen bis hin zu Carbon und sogar dünnen Stahlblechen beschossen wurden, um die Wirkung auf den teilweise vielfältigen Materialmix aus dem moderne UAS gefertigt werden nachzuweisen. Die Versuche hätten gezeigt, dass gerade im Nahbereich die Polymergeschosse durch die vergleichsweise hohe Auftreffgeschwindigkeit splittern und so im Ziel sogar einer klassischen, aus Metallkomponenten bestehenden Geschossen überlegen sind.
Short Stop Short-Range Training Ammunition
Der primäre Einsatzzweck der SRTA-Munition ist mit der in die Bundeswehr eingeführten Patrone Übung vergleichbar. Die Patrone weist auf die ersten 100 m eine ähnliche ballistische Trajektorie auf wie herkömmliche Gefechtsmunition. Die maximale Flugentfernung des 4 g (62 grains) schweren und zerbrechlichen Geschosses (mit Kupfer gefülltes Polymer) wird seitens des Herstellers mit 600 m angegeben.
Fazit
Mit dem G27P in Kombination mit dem SMASH X4 verfügt die Bundeswehr über ein sehr leistungsfähiges und effektives Instrument zur infanteristischen Drohnenabwehr, welches auch mehrere andere NATO-Nationen – zuletzt die U.S. Army – so oder so ähnlich beschafft haben.
Um jedoch eine möglichst effektive Nutzung der Waffe im Rahmen der Drohnenbekämpfung beim Liegenschaftsschutz über die komplette maximal mögliche effektive Kampfentfernung zu erreichen und dabei das Risiko einer kaum kalkulierbaren Hintergrundgefährdung zu minimieren, ist ein Vergleich der derzeit verfügbaren Munitionssorten mit kurzfristig auf dem Markt verfügbaren Alternativen erforderlich.
Waldemar Geiger