Zur Abwehr von Bedrohungen aus der Luft wird das Deutsche Heer in Zukunft über das Waffensystem Skyranger 30 auf Boxer-Fahrgestell im Kaliber 30 x 173 mm verfügen. Der Vertrag zur Lieferung von 18 Serien-Skyranger plus einem Erprobungsmuster mit dem Hersteller Rheinmetall ist bereits unterschrieben.
Am Mittwoch den 18. September 2024 stellte der Düsseldorfer Rüstungskonzern den Flak-Panzer in einer Konfiguration für die Bundeswehr erstmals einem breiten Fachpublikum auf seinem Testgelände Ochsenboden in der Schweiz im scharfen Schuss vor. Vor Vertretern der Streitkräfte und Beschaffungsbehörden von 26 Ländern bekämpfte der Skyranger 30 eine anfliegende Drohne sowie zwei Landziele.
Während die fliegende Drohne und ein Raketenmodell auf der Erde durch die Splitter der von Rheinmetall entwickelten AHEAD-Munition vernichtet wurden, setzte der Flak-Panzer diese Munition gegen ein Pkw ohne Zündung in der Luft und damit Splitterentwicklung ein. Auf diese Weise kann der Skyranger leicht gepanzerte Fahrzeuge bekämpfen, um eine höhere Durchschlagsleistung zu erreichen. Auch wenn die 30mm-Waffe mit einer Kadenz von 1.250 Schuss pro Minute nicht zum Beschuss von Kampfpanzern vorgesehen ist, kann durch die Splitterwirkung des Geschosses auf die Optiken des Panzers ein sogenannter Mission Kill erreicht werden. Das heißt, das Fahrzeug kann seinen Auftrag nicht mehr fortführen, ist aber nicht vollständig zerstört.
Wie es hieß, handelte es sich bei dem gezeigten Skyranger 30 um das Fahrzeug, das der Bundeswehr als Erprobungsmuster vor Auslieferung der Serie zulaufen wird. Die Übergabe wird voraussichtlich im kommenden Januar erfolgen, danach schließt sich die Erprobung an.
Bei der Veranstaltung in der Schweiz waren auch Vertreter der zukünftigen Heeresflugabwehr vor Ort, um sich ein Bild von der Technik zu machen. Pro Fahrzeug sind Fahrer, Kommandant und Richtschütze vorgesehen. Die Beschaffung der 19 Skyranger erfolgt über ein Sofortprogramm, ähnlich wie die drei Luftverteidigungssysteme Iris-T SLM mittlerer Reichweite. Und genauso wie die Iris-T werden die Skyranger später in das noch in der Entwicklung befindliche Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS) integriert.
Um von Beginn an spätere Friktionen zu vermeiden, werden bei der jetzt anstehenden Beschaffung der ersten Skyranger bereits die bei NNbS festgelegten Anforderungen berücksichtigt. Dazu gehört auch der Schuss aus der Bewegung. Ob diese Forderung bereits nach Abschluss der Testphase mit dem Erprobungsmuster erfüllt werden kann, bleibt abzuwarten. Allerdings wird dies untersucht. Insidern zufolge ist dafür keine wesentliche Hardware-Veränderung notwendig, sondern eine Anpassung der Software für das Fahrzeug.
Die Bundeswehr wird in einem ersten Schritt den Skyranger 30 mit dem MANPADS Stinger als Zweitbewaffnung ausstatten, um auch Zeile jenseits der Reichweite der KCE-Revolverkanone im Kaliber 30 x 173 mm bekämpfen zu können. Später wird über die Einrüstung eines anderen Flugkörpers, insbesondere zur Abwehr von Drohnen entschieden. Während der Luftfahrtausstellung ILA im Sommer hatten Rheinmetall und MBDA Deutschland einen Letter of Intent über die Integration der für die Drohnenabwehr konzipierten Small Anti Drone Missile (SADM) von MBDA in den Skyranger 30 unterzeichnet. Hier sollen auch bereits Tests stattgefunden haben.
Allerdings arbeitet auch Diehl Defence an einem Konzept für eine Counter-UAV-Waffe, die als Micro Missile bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen kostengünstigen Flugkörper mit Propellerantrieb und einer Reichweite von fünf Kilometern. Über einen Uplink soll die Waffen gegen Drohnen- und Drohnenschwärme bis zur Gewichtsklasse von 200 kg gesteuert werden, die dann mit einem optimierten Splittergefechtskopf bekämpft werden. Auch wenn öffentlich bislang wenig über die Micro Missile publiziert wurde, gehen Insider davon aus, dass diese als zukünftige Zweitbewaffnung des Skyranger in Frage kommt.
Im Rahmen von NNbS wird als Ergänzung zum Skyranger und zum Schutz der mobilen Heeresverbände ein neuer Flugabwehrraketenpanzer auf Boxer-Fahrgestell entwickelt. Dieser soll eine möglichst große Teilegleichheit mit dem Skyranger aufweisen. Wie am Rande der Veranstaltung in der Schweiz zu vernehmen war, liegen die ersten Grobpläne für das Fahrzeug bereits vor. Es ist vorgesehen, den Flugabwehrraketenpanzer mit vier schwenkbaren Werfern für den Flugkörper Iris-T SLS auszustatten. Bei der Konstruktion dürfte die Herausforderung darin bestehen, das Fahrzeug so zu ertüchtigen, dass es ein sogenanntes Hangfire ohne Schäden übersteht. Dabei brennt der Flugkörper aus, ohne zu starten. In der Folge entstehen extrem hohe Temperaturen, die Panzerstahl zum Schmelzen bringen können. Aus diesem Grund wird über die Verwendung von Abstrahlblechen und moderner Oberflächenbeschichtung nachgedacht.
Beobachter gehen überdies davon aus, dass Rheinmetall den Flugabwehrraketenpanzer grundsätzlich so konstruieren wird, dass er auch Raketen des Typs AIM-9 X Sidewinder zur Luftzielbekämpfung einsetzen kann. Damit würde sich zusätzliches Exportpotenzial ergeben. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch der norwegische Kongsberg-Konzern. Dieser hat sein raketenbasiertes National Manoeuvre Air Defence System (NOMADS) für die kurze Reichweite so ausgelegt, dass es sowohl die Iris-T SLS als auch die Sidewinder verschießen kann. Dem Vernehmen nach wollen die niederländischen Streitkräfte NOMADS mit Sidewinder-Bewaffnung nutzen. Als Kettenfahrgestell für NOMADS wird das ACSV G5 der FFG aus Flensburg genutzt, das die Niederländer auch als Basisfahrzeug für die mögliche Beschaffung eigener Skyranger-Flakpanzer betrachten. Dem Vernehmen nach soll es im Augenblick Indikationen dafür geben, dass die Koninklijke Landmacht Skyranger für alle Brigaden nur auf Kette erwerben könnte.
Als Referenzradar für den Skyranger gilt das Spexer 2000 Mk 3 von Hensoldt, das für Deutschland, Ungarn, Österreich und Dänemark vorgesehen ist. Der Sensor hat bereits nachgewiesen, dass er auch in der Lage ist, Ziele während der Fahrt zu detektieren. Grundsätzlich kann Rheinmetall bei Bedarf jedoch auch andere Radarsysteme in den Skyranger integrieren. In der statischen Waffenschau auf dem Schießplatz am Ochsenboden war etwa ein Piranha 5, ähnlich der dänischen Konfiguration, zu sehen – jedoch mit einem Turm, auf dem Radar-Panels aus israelischer Produktion montiert waren.
Auf dem Ochsenboden, etwa anderthalb Autostunden von Zürich entfernt, präsentierte Rheinmetall überdies den Skyranger 35 auf dem Fahrgestell eines Leopard-1-Panzers. In der Presse war in den vergangenen Monaten spekuliert worden, dass dieses Fahrzeug für die Lieferung an die ukrainischen Streitkräfte vorgesehen sein könnte.
Ebenso wie sein kleiner Bruder kann auch der Skyranger 35 mit seiner Oerlikon Revolver-Kanone KDG im Kaliber 35 x 228 mm Air-Burst-Munition verschießen. Die nominale Feuergeschwindigkeit beträgt 1.000 Schuss pro Minute, das Magazin fasst 252 Schuss. Der Turm, der offenbar wesentliche Elemente des seinerzeit für den stationären Einsatz bei der Bundeswehr eingeführten Mantis-Systems aufweist, verfügt über vier AESA-Antennen im S-Band, die jeweils 90 Grad abdecken. Auf dem Turmdach verfügt der Panzer über einen Ku- Band-Feuerleitradar sowie ein elektrooptisches Paket. Beim Skyranger 30 wird die Aufgabe des Feuerleitradars durch einen elektro-optischen Sensor übernommen. Dem Vernehmen nach wäre allerdings auch hier ein Feuerleitradar bei Bedarf nachrüstbar.
Um der Besatzung des Skyranger 35 den Zugang zum Fahrzeug zu ermöglichen, haben die Konstrukteure neben der Fahrer- eine zweite Luke in das Chassis geschnitten, schließlich ist der Turm der beiden Skyranger-Varianten unbemannt. Wegen einer technischen Störung war das Schießen mit den Skyranger 35 kurzfristig auf den Donnerstag verlegt worden. Wie Rheinmetall mitteilte, wurde dabei wie vorgesehen eine Drohne im Flug abgeschossen.
Die Teilnahme von Vertretern aus mehr als zwei Dutzend Ländern an der Präsentation in der Schweiz lässt auf ein großes Interesse an mobiler Luftverteidigung auf kurze Distanz schließen. Beobachter schätzen, dass rund zwei Drittel der vertretenen Nationen in den kommenden Jahren die Beschaffung eines mobilen Kanonensystems zur Luftverteidigung einleiten könnten.
Lars Hoffmann