Anzeige

Operation „Spiderweb“: Ukrainische FPV-Drohnen zerschlagen russische Bomberflotte

Sam Cranny-Evans

Anzeige

Mit der Operation „Spiderweb“ (zu Deutsch „Spinnennetz“) ist der Ukraine am 1. Juni 2025 ein beeindruckender Schlag gegen Russland gelungen. Dabei soll rund ein Drittel der strategischen Bomberflotte Russlands zerstört worden sein. Nach und nach werden nun immer mehr Details der Operation bekannt, die eine erste Bestandsaufnahme erlauben.

Im Laufe der letzten 18 Monate hat der ukrainische Nachrichtendienst (SBU) nicht nur Personal, sondern auch 117 FPV-Drohnen und die dazugehörigen, als Tiny Houses getarnten Startsysteme nach Russland eingeschleust. Die FPV-Drohnen wurden in den Dächern der Minihäuser versteckt. Diese wurden auf Lastwagen montiert, in die Nähe der russischen Flugplätze gefahren und dort geparkt. Anschließend wurden die Dächer ferngesteuert geöffnet und die Drohnen zu ihren Zielen – dabei handelte es sich um russische Bomber der Typen Tu-95, Tu-160 und Tu-22 – geflogen.

Anzeige

Die Drohnen haben Berichten zufolge Flugzeuge auf den Luftwaffenstützpunkten Olenya, Belaya, Dyagilevo, Ivanovo-Severny und Voskresensk angegriffen und 34 Prozent der russischen Flotte strategischer Bomber beschädigt, wie aus einem Posting auf dem Telegram-Kanal von Präsident Zelenskyi hervorgeht. Einzelne ukrainische Nachrichtenagenturen behaupten, dass 41 russische Flugzeuge beschädigt oder zerstört wurden. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass Russland bis zu 127 Flugzeuge in seiner strategischen Bomberflotte hat, darunter 55 Tu-95MS und 55 Tu-22M3, sowie 17 Tu-160. Wenn 41 beschädigt wurden, entspricht dies etwa 30 Prozent der Gesamtflotte.

Anzeige

Ein Telegram-Account mit dem Namen „Tracker“, der offenbar die Flugaktivitäten auf russischen Luftwaffenstützpunkten verfolgt, gibt an, dass neun Tu-95MS, zwei Tu-22M3 und eine An-12 zerstört worden sind. Dies wird durch SAR-Bilder bestätigt, die von einem Analysten auf X.com veröffentlicht wurden und die alle außer der An-12 zeigen.

„Alle Flugzeuge des Luftwaffenstützpunkts Engels-2 wurden in die Luft gebracht. Ich wundere mich, warum?“ meldete Tracker am 1. Juni. Drei Stunden später waren diese Flugzeuge laut Tracker immer noch in der Luft. Engels beherbergt trotz seiner Nähe zur Ukraine viele russische Flugzeuge.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich dieser Angriff auf die Fähigkeit Russlands auswirken wird, Langstrecken-Marschflugkörper gegen ukrainische Städte und kritische Infrastruktur zu starten. Weniger Flugzeuge bedeuten eine größere Belastung für die verbleibende unbeschädigte Flotte, die größtenteils Jahrzehnte alt ist. Dies könnte auch bedeuten, dass Russland noch restriktivere Maßnahmen zum Schutz seiner Flugzeuge ergreifen und sie beispielsweise häufiger verlegen wird. Zumindest könnte es die Anzahl der Flugkörper, die in einem einzigen Angriff abgeschossen werden können, verringern.

Die Angriffe waren wahrscheinlich aufgrund der neuen Modalität sehr erfolgreich. Die Ukraine hat Hunderte von Langstreckendrohnen auf russisches Territorium abgefeuert und damit Ölverarbeitungsanlagen, Fabriken und andere Ziele tief in Russland getroffen. Laut einer Analyse des FrontIntelligence-Teams besteht ein Zusammenhang zwischen der zurückgelegten Entfernung und der Erfolgswahrscheinlichkeit. Ziele in einem Umkreis von 100 bis 150 km um die Ukraine werden häufig erfolgreich angegriffen, aber je weiter die Ziele entfernt sind, desto häufiger werden die Drohnen abgeschossen, was bedeutet, dass nur wenige so erfolgreich waren wie die Operation Spiderweb. In einigen Fällen, in denen die Angriffe auf ungeschützte Ziele trafen, konnten sie erhebliche Störungen verursachen, aber da Russland sich angepasst hat, wurden die Auswirkungen weiterer Angriffe bis zu einem gewissen Grad abgeschwächt.

Zu den bemerkenswerten Beispielen gehören Raketen- und Drohnenangriffe auf russische Munitionsdepots, wie der Angriff in Tichorezk im Jahr 2024, bei dem schätzungsweise 2.000 Tonnen Munition zerstört wurden. Andere haben sich auf die russische Rüstungsindustrie konzentriert, obwohl es schwieriger ist zu beurteilen, wie effektiv diese Angriffe sind – Russlands Rüstungsfabriken haben oft die Größe einer Kleinstadt und erstrecken sich über sehr große Flächen mit vielen verschiedenen Gebäuden.

Die Rolle von HUMINT

Die Ukraine hat umfangreiche nachrichtendienstliche Fähigkeiten zur Unterstützung ihrer Angriffsoperationen entwickelt. Dazu gehören die Nutzung kommerzieller SAR-Satelliten, die Unterstützung durch die westlichen Partner der Ukraine und die menschliche Aufklärung (HUMINT) in Russland. Die Operation Spiderweb bildete da keine Ausnahme: „Das ‚Büro‘ unserer Operation auf russischem Gebiet befand sich direkt neben dem FSB-Hauptquartier in einer ihrer Regionen“, erklärte Zelensky auf Telegram. Er fügte hinzu, dass „die Leute, die uns unterstützt haben, vor der Operation aus dem russischen Hoheitsgebiet abgezogen wurden und jetzt in Sicherheit sind“, was darauf hindeutet, dass entweder ukrainische Geheimdienstmitarbeiter seit einiger Zeit in Russland aktiv waren oder dass der SBU sein eigenes Netzwerk russischer Kollaborateure kultivieren konnte.

Bemerkenswert ist jedoch, dass Nachrichtendienste auf beiden Seiten des Krieges menschliche Ressourcen vor Ort nutzen, um ihre Langstreckenangriffe zu verbessern. Auf der Website des SBU finden sich Presseerklärungen über vier separate Zellen, die in der Ukraine für den russischen Nachrichtendienst FSB Aufklärungsarbeit leisteten. Dazu gehörten Fotos von ukrainischen Stellungen und wahrscheinlichen Luftverteidigungsanlagen in Kiew sowie Berichte über die Häufigkeit von Flügen von Militärflugplätzen, so der SBU. In allen Fällen handelte es sich bei den Agenten um Ukrainer, die über Telegram gegen Geld angeworben wurden, und es scheint, dass FSB-Agenten daran arbeiteten, aus der Ferne Zellen aufzubauen, die ihnen bei der strategischen Ausrichtung helfen und die Genauigkeit und Wirkung von Luftangriffen mit großer Reichweite verbessern könnten.

Es ist unwahrscheinlich, dass man auf diese Weise schnell zum Ziel kommt, wie die Details der Operation Spiderweb zeigen – sie wurde 18 Monate lang vorbereitet. Diese Art von Operationen kann jedoch eine Art strategischen Schock auslösen, indem eine Schwachstelle oder ein Netzwerk ausgenutzt wird, das im Verborgenen bleiben kann. Es ist bekannt, dass Russland Telegram und andere Messenger-Apps ausnutzt, um potenziell willige Kollaborateure zu finden und mit ihnen zu kommunizieren, oder andere, die einfach nicht verstehen, was sie da tun. Es ist nicht auszuschließen, dass eine ähnliche Aufmerksamkeit bereits auf westliche Stützpunkte gerichtet ist, und sei es nur, um in dieser Phase Informationen zu sammeln.

Anmerkung des Autors

Die Operation Spiderweb liefert eine Reihe von Anhaltspunkten und Beobachtungen. Am überraschendsten ist wohl, dass Russland drei Jahre nach Kriegsbeginn offenbar noch nicht einmal grundlegende Maßnahmen zum Schutz seiner strategischen Bomberflotte ergriffen hat und die Bomber ungeschützt auf den Flugplätzen abgestellt hat.

Die russische Luftwaffe hat zwar einige Lehren aus vergangenen Fehlern gezogen und beispielsweise große Anstrengungen unternommen, um ihre Flugzeuge so zu verlegen, dass sie sich weniger lange in Schlagdistanz zu den Frontlinien befinden. Zudem scheinen einige Flugzeuge hinter aufgehäuften Schutzwällen abgestellt worden zu sein, um die Auswirkungen von Drohnenangriffen aus großer Entfernung zu verringern. Es ist jedoch selten zu sehen, dass die Flugzeuge in irgendeiner Art von Schutzhangarn oder zumindes unter Schutznetzen untergebracht werden. Das hätte die Auswirkungen der Operation Spiderweb vermutlich mit relativ geringem Kostenaufwand mildern können. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Russlands strategische Bomberflotte am Boden angegriffen wurde, ohne dass es eine entschlossene und fähige Reaktion zu ihrem Schutz gegeben hätte.

Angesichts der Reproduzierbarkeit des ukrainischen Einsatzes wäre es für westliche Streitkräfte sicherlich ratsam, dafür zu sorgen, dass sie über geeignete Schutzräume und Ausrüstungen verfügen, um ihre eigenen Flugzeuge zu schützen, wenn sie nicht in der Luft sind. Dies gilt auch für Operationen im Ausland. Der russische Luftwaffenstützpunkt in Syrien wurde wiederholt von Bombern und Einweg-Angriffsdrohnen angegriffen, obwohl er über einigermaßen wirksame Flugabwehr- und elektronische Kampfführungssysteme vor Ort verfügt. Es liegt auf der Hand, dass die NATO-Streitkräfte damit rechnen müssen, dass ihre Flugplätze und Luftwaffenstützpunkte auch in einem Konflikt geringerer Intensität angegriffen werden, und dass sie die einfachen Vorbereitungen treffen sollten, die zum Schutz ihrer Flugzeuge erforderlich sind.

Autor: Sam Cranny-Evans. Der Beitrag erschien erstmalig am 2.06.2025 in englischer Sprache auf der hartpunkt-Partnerseite Calibre Defence.