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Drohnenabwehrsystem Sky Fortress – ukrainische Antwort auf russische Einwegdrohnenangriffe

Kristóf Nagy

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Die Ukraine erzielt seit geraumer Zeit beachtliche Erfolge bei der Abwehr russischer Einwegdrohnen (One Way Drones analog Flugbomben) vom Typ Geran-2. Maßgeblich für diese Abwehrerfolge ist Sky Fortress, ein vernetztes Drohnenabwehrsystem, das im Kern aus tausenden kostengünstigen akustischen Sensoren sowie zahlreichen mobilen Flugabwehrtrupps – ausgerüstet mit Flugabwehr-Maschinenkanonen und -gewehren – besteht und diese zu einem Drohnenabwehrnetzwerk verbindet. Dieses effektive und zugleich effiziente System ist so erfolgreich, dass es in jüngster Zeit auch das Interesse verschiedener NATO-Staaten geweckt hat.

Nach dem Scheitern des Enthauptungsschlages gegen Kiew im Frühjahr 2022 und ersten erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensiven begann Russland im Winter 2022 auf 2023 eine groß angelegte Offensive gegen die Energieinfrastruktur der Ukraine. Diese teilweise im täglichen Rhythmus stattfindenden Angriffe wurden zunehmen durch Wellen von unterschiedlichen Marschflugkörpern und Raketen begleitet durch zahlreiche Einwegdrohnen des Typs Geran-2 – der russischen Variante der iranischen Shahed-136-Drohne – durchgeführt, welche vom Iran in großer Stückzahl an Russland geliefert wurden. Die ukrainische Luftverteidigung stellten die prominenten Deltaflügler vor ein großes Dilemma. Die Wirkmittel flogen sehr tief und relativ langsam, was ihre Erkennung und Bekämpfung erschwerte. Zudem verwenden sie zur Bestimmung der eigenen Position einfachste Satellitennavigationssysteme (GNSS). Im Falle einer Unterbrechung des Satellitensignals steht ein inertiales System mit geringerer Genauigkeit zur Verfügung. Auf die einsetzende Störung des GNSS-Signals durch die ukrainischen Streitkräfte reagierte die russische Seite umgehend mit der Nutzung des ukrainischen Mobiltelefonnetzes als weitere Navigationshilfe. Der wahrscheinlich größte Vorteil ist jedoch der geringe Preis der Einwegdrohnen. Dieser bewegt sich je nach Quelle und Ausstattung deutlich unterhalb der Schwelle von 50.000 US-Dollar, wodurch sich eine dauerhafte Bekämpfung mit Lenkflugkörpern rein wirtschaftlich verbietet.

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Der Grundgedankte hinter einem Einsatz solcher vergleichsweise „primitiver“ Wirkmittel liegt in der Übersättigung der Luftverteidigung. Da die Geran-2 sowie vergleichbare Einwegdrohnen günstig in der Herstellung sind, können die Wirkmittel quasi täglich in großen Stückzahlen zum Einsatz gebracht werden, die mit klassischen Wirkmitteln großer Reichweite – Marschflugkörper und Raketen – nicht erreichbar sind. Marschflugkörper und Raketen sind zwar deutlich leistungsfähiger aber eben auch um ein Vielfaches teurer und komplexer in der Herstellung. Mit dem Masseneinsatz der Einwegdrohnen versucht Russland offensichtlich die Fähigkeiten der ukrainischen Luftverteidigung zu überlasten und diese in ein Dilemma zu treiben. Einerseits könnte das angegriffene Land leistungsfähige Flugabwehrsysteme wie beispielsweise Patriot oder Iris-T SLM zur Abwehr der Einwegdrohnen nutzen, gleichzeitig stünden die eh nur in geringen Stückzahlen vorhandenen Mittel dann für die Abwehr von Marschflugkörpern oder Raketen nicht zur Verfügung. Mit Sky Fortress hat die Ukraine einen Weg aus dem Dilemma gefunden, welcher es dem Land erlaubt, sowohl eine Vielzahl von einfacher Einwegdrohnen als auch eine gewisse Anzahl an Marschflugkörpern und Raketen abzuschießen.

Bereits im Frühjahr 2023 ließ sich, trotz der aufgeführten Vorteile der in russischen Diensten als Geran-2 bezeichneten Einwegdrohnen, eine sukzessive ansteigenden Effizienz der ukrainischen Abwehr festzustellen. Dabei wurden mit Nachtsehoptiken ausgestattete Trupps mit schweren Maschinengewehren und Maschinenkanonen, die auf geländegängige Fahrzeuge montiert waren, erfolgreich gegen die anfliegenden Drohnen eingesetzt.

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Funktionsweise von Sky Fortress

Der Schlüssel für den anhaltenden ukrainischen Abwehrerfolg liegt jedoch in der Detektion und Zielverfolgung durch ein rein passiv arbeitendes Sensoriknetzwerk. Die Einzelkomponenten des Gesamtsystems mit dem Namen Sky Fortress bestehen aus Mikrofonen, die an Stangen mit einer Höhe von 2 m befestigt und über das Mobilfunknetz mit einer zentralen Rechnereinheit verbunden sind. Von diesen autonom und rund um die Uhr arbeitenden Horchposten hat die Ukraine etwa 9.500 Systeme in den gefährdeten Gebieten aufgestellt und kann allein durch die akustische Signatur der anfliegenden Drohnen nicht nur eine Detektion, sondern auch eine erstaunlich genaue Zielverfolgung sicherstellen.

Das von zwei ukrainischen Ingenieuren entwickelte System ist in der Lage, für die Gefechtsführung der mobilen Maschinenkanonentrupps relevante Daten zu generieren, welche auf einem handelsüblichen Tablet ausgegeben werden und neben der Alarmierung auch Anflugrichtung und Geschwindigkeit beinhalten. Zudem ist das System überaus günstig. Einerseits werden kosteneffiziente Rohrwaffen zu der Abwehr der Drohnen befähigt. Andererseits kostet ein autarkes Sensorpaket gerade einmal 500 US-Dollar. Außerdem ist die restliche Flugabwehr entlastet und kann zur Bekämpfung von Zielen wie bemannten Systemen oder Marschflugkörpern und Raketen verwendet werden.

So effektiv und effizient Sky Fortress auch sein mag, das System hat auch seine Grenzen. Alles in Allem ist es ein genau auf die aktuellen Bedürfnisse der Ukraine zugeschnittenes Drohnenabwehrsystem. Die Detektion ist beispielsweise nur dann gegeben, wenn eine Drohne durch ausreichend viele Sensoren – Berichten zufolge müssen es mindestens drei Mikrofone sein – aufgeklärt wurde. Erst dann ist eine genaue Positionierung der Drohne im Raum samt einer Berechnung der wahrscheinlichen Flugtrajektorie möglich. Dies bedeutet wiederum, dass die Drohne erst eine gewisse Strecke auf ukrainischem Boden zurücklegen muss, damit sie durch die Sensoren überhaupt aufgeklärt werden kann. Eine Dämpfung der Drohnengeräuschsignatur könnte zudem die Effektivität der Sensorik signifikant reduzieren.

Zudem bedeutet Aufklärung nicht automatisch Bekämpfung. Sky Fortress liefert nur den Anflugvektor, die Bekämpfung erfolgt durch die mobilen Flugabwehrtrupps, die im Alarmfall ebenfalls Zeit benötigen, um die „Feuerstellung“ zu erreichen. Selbst wenn diese nur wenige Kilometer vom eigentlichen Standort der Trupps entfernt liegt und die Trupps quasi sofort marschbereit sind, können so mehrere Minuten vergehen, bis die Drohne überhaupt in die effektive Bekämpfungsreichweite – meist nur wenige 100 m – der Trupps kommt. Das bedeutet, dass die Trupps, von denen sehr viele benötigt werden, weit genug im Hinterland stationiert werden müssen, um genügend Reaktionszeit für die Bekämpfung der bis zu 185 km/h schnellen Einwegdrohnen zu haben. Eine frontnahe Verteidigung lässt sich mit dieser Kombination aus Sensoren und Wirkmitteln nicht bewerkstelligen. Auch küstennahe Ziele lassen sich damit nur bedingt verteidigen, wenn der Anflug der Drohnen über dem Wasser erfolgt, wo unter Umständen kein ausreichendes Sensoriknetzwerk aufgebaut werden kann.

Als grobe Richtlinie kann man festhalten, dass der generelle Vorteil eines solchen Systems im Schutz von Zielen liegt, die sich weit im Hinterland befinden und gegen langsam und tief fliegende Drohnen geschützt werden sollen. Gleichzeitig wird die Wirksamkeit eines solchen Systems mit zunehmender Geschwindigkeit und abnehmender Geräuschsignatur der angreifenden Drohne reduziert.

Internationales Interesse

Nichtsdestotrotz ruft der Erfolg von Sky Fortress auch westliche Streitkräfte auf den Plan. So äußerte sich vor wenigen Tagen am Rande der internationalen Luftfahrtmesse in Farnborough der kommandierende General der US-Luftstreitkräfte in Europa und Afrika, James Hecker, gegenüber Medienvertretern zum Thema Sky Fortress. Hecker zufolge ist das System in der Lage, auch Schwarmangriffe mit über 80 Drohnen erfolgreich zu bekämpfen. Daher hat die U.S. Air Force die Entwickler des Systems für eine Vorstellung auf die Luftwaffenbasis Ramstein eingeladen. Vorher hat bereits das NATO-Land Rumänien eine Demonstration des Systems abgehalten.

Der US-General unterstrich die Bedeutung der Kosteneffizienz auch für die Staaten des westlichen Militärbündnisses, um langfristig durchhaltefähig zu sein, sowie die Wichtigkeit der Schonung hochwertiger Luftverteidigungssysteme zur Bekämpfung feindlicher Marschflugkörper und ballistischer Raketen. Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts leistet Sky Fortress bereits nachweislich einen entscheidenden Beitrag in der Ukraine.

Kristóf Nagy