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Russische Streitkräfte etablieren Ausbildungskonzept zur Abwehr von Kleinstdrohnen mit Handwaffen

Kristóf Nagy

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Die russischen Streitkräfte haben offenbar erstmalig einen Ausbilderlehrgang für die Abwehr von Kleinstdrohnen mit Handwaffen durchgeführt. Dies ist einem kürzlich über einen den russischen Streitkräften nahestehenden Telegram-Kanälen verbreiteten offiziellen Video des Verteidigungsministeriums zu entnehmen. Demnach fand der Lehrgang im Frühsommer auf dem Übungsplatz Alabino bei Moskau statt.

Dem Sprecher des Verteidigungsministeriums zufolge basiert das Kurrikulum auf dem sportlichen Flinten- bzw. Wurfscheibenschießen. In dem Video ist jedoch auch neben der Nutzung von Selbstladeflinten der parallele Einsatz von Schützen mit Sturmgewehren zu sehen, welche ebenfalls den Feuerkampf führen.

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Entgegen dem sportlichen Ansatz trägt der Lehrgang gewissen militärischen Eigenheiten Rechnung. So wird das Abwehrfeuer aus Stellungen heraus geführt, welche durch das partielle Abdecken mit Tarnnetzen den Schwenkbereich zusätzlich einschränken. Im Laufe des Lehrganges soll insbesondere das Vorhalten bei der Bekämpfung von kleinen und sich sehr schnell bewegenden Zielen vermittelt worden sein. Welche Zielmedien bei den dynamischen Übungen zum Einsatz kamen, ist aus dem veröffentlichten Video nicht zu erkennen.

Die Ausbilder sollen im Anschluss als Multiplikatoren und gleichsam als Drohnenabwehr-Schiesslehrer im rückwärtigen Raum, jedoch in deutlicher Frontnähe, ihr Wissen an die in der Ukraine kämpfenden russische Truppen vermitteln. Welche Ausbildungsmittel für diese mobilen Ausbildungsteams verwendet werden sollen war ebenfalls nicht zu erfahren.

Die ukrainischen Streitkräfte veröffentlichten bereits im April 2024 Bilder ihrer Flintenausbildung zur Drohnenabwehr. Damals wurde bekannt, dass Escort BTS12 Selbstladeflinten des türkischen Herstellers Hatsan für diesen Zweck beschafft wurden. Hinsichtlich des ukrainischen Ausbildungskonzeptes wurde bekannt, dass im Rahmen der Vorauswahl bevorzugt Jäger mit Flintenerfahrung ausgewählt wurden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die effektive Reichweite der ukrainischen Ausbilder für den Einsatz von Flinten gegen FPV-Drohnen mit bis zu 120 Metern angegeben wurden, was sehr optimistisch klingt. Die in der Ukraine häufig als Wirkmittelträger zum Einsatz kommenden 7 Zoll FPV-Drohnen auf diese Entfernung mit bloßem Auge zu erkennen ist bereits eine besondere Herausforderung.

Dennoch bemühen sich nachweislich beide Seiten des Konfliktes die Anzahl an idealerweise ausgebildeten Flintenschützen zur Abwehr von Kleinstdrohnen an der Front zu erhöhen. Dies belegen zahlreiche Aufnahmen, die sowohl russische als auch ukrainische Flintenschützen auf Gruppen- und teilweise sogar Truppebene zeigen, insbesondere im Falle von besonders bedrohten Nachschublinien. Im Rahmen dieser Maßnahme sind kuriose und vermutlich wenig erfolgreiche Entwicklungen zu sehen wie die Nutzung von Signalmitteln oder Einsteckrohre im Kaliber 12 für Unterlaufgranatwerfer.

Aber auch im Bereich der Spezialmunition wird offenkundig in Form von Flintenmunition mit einem Netz als Nutzlast eine Entwicklung aufgegriffen, welche bereits 2017 durch unter anderem die U.S. Army erprobt wurde.

So bietet das russische Unternehmen Techcrim eine Drohnenabwehrpatrone mit sechs Bleiprismen an, welche durch einen Aramidfaden verbunden sind. Die Mündungsgeschwindigkeit soll bis zu 580 m/s betragen und das Netz einen Durchmesser von einem Meter aufweisen. Die vollständige Öffnung erfolge erst ab etwa 20 m und die maximale Reichweite soll 100 m betragen. Zudem sei die Munition auch aus Selbstladeflinten betriebssicher nutzbar.

Trotz der offensichtlichen Einschränkungen in Bezug auf Reichweite und Zielgenauigkeit scheint sich die Schrotflinte zumindest derzeit zu einer zunehmend verbreiteten Abwehrwaffe gegen Kleinstdrohnen zu entwickeln. Dies könnte unter anderem auch daran liegen, dass Flinten in der russischen und ukrainischen Bevölkerung eine hohe Verbreitung genießen und generell günstig in der Beschaffung sind.

Das kinetische Effektoren einen Platz im Baukasten der modernen Drohnenabwehr haben ist unumstritten und vielfältig belegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nur durch die Einbindung des Flinten-Schützen in ein mehrschichtiges Drohnen-Detektions- und Abwehrsystem ein hohes Schutzniveau erreicht werden kann. Dieses mehrlagige System muss zukünftig neben einer Freund-Feind-Erkennung und Zielverfolgung auch Elemente des elektronischen Kampfes aufweisen. Inwieweit dieser Umstand in die Ausbildungsinhalte zurzeit auf den beiden Seiten des Ukrainekrieges einfließen, ist jedoch nicht bekannt.

Kristóf Nagy