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Inspekteur sieht Bedarf für Marder-Ersatz

Das Deutsche Heer plant gegenwärtig mit Hochdruck für den Aufbau der so genannten Division2027 – einem Großverband mit drei Brigaden und rund 18.000 Soldaten. Die Bereitstellung dieser Division werde ein Lackmustest für Deutschlands Rolle als Rahmen- und Anlehnungsnation für andere Partnerstreitkräfte, sagte gestern Abend der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, laut Redemanuskript im Rahmen einer durch den Förderkreis Deutsches Heer organisierten WebEx-Präsentation.

Der Ausstattungsgrad dieser Division müsse zur Auftragserfüllung im Rahmen der Bündnisverteidigung hinreichend ausgestaltet werden, um damit Signalwirkung zu entwickeln, so Mais weiter. Er betonte laut Manuskript, dass es dabei noch nicht um einen großen Zukunftswurf, sondern um das Schließen von „dramatischen Investitionslücken der letzten 25 Jahre“ gehe. Es müsse zunächst die Befähigung zum hochintensiven Gefecht eines Großverbandes im Bündnisrahmen wiedererlangt werden.

Laut Inspekteur kommt es jetzt darauf an, die zur Verfügung stehenden Ressourcen so zu priorisieren, dass die Aufstellung der „Division2027“ nicht ins Stocken gerät oder Fähigkeitszusammenhänge zerrissen werden. Er räumte jedoch ein, dass zwar alle Bedarfe gemeldet, aber bisher nur zu etwa 50 Prozent mit den dafür benötigten Haushaltsmitteln unterlegt seien. „Bliebe es dabei, würde es sich unmittelbar in weitere Fähigkeitsverluste umsetzen“, so der General.

Es bestehe die Gefahr, dass die finanzielle Unterfütterung der Minimalbedarfe zur Erfüllung der vorgegebenen nationalen Ambition ausbleibe. Zwar habe das Heer in den Jahren 2018, 2019 bis zum Sommer 2020 von mehr als einem Drittel aller gebilligten 25-Mio-Vorlagen profitiert, „gemessen am Volumen der investierten Mittel spiegelt das jedoch nur einen Anteil von ca. 13 Prozent wider“. Die Zahlen geben nach Aussage des Generals einen Hinweis auf die Komplexität und mitunter Kleinteiligkeit der Heeresrüstung.

Nach Einschätzung von Mais bestehen allerdings auch Lücken im Bereich der Hauptwaffensysteme. So ist es aus seiner Sicht „völlig ausgeschlossen“, die für die Division2027 benötigten 266 Schützenpanzer Puma und die 43 schweren Waffenträger Boxer noch einmal durch Rückgriff auf den Schützenpanzer Marder zu substituieren, um die benötigten fünf Panzergrenadierbataillone und drei Jägerbataillone auszurüsten. „Der Marder ist angesichts seines anstehenden 50. Geburtstages in 2021 keine Lösung mehr für 2027“, unterstrich der Inspekteur.

Der Weg zur Division 2027 sei klar aufgezeichnet und bedürfe in den nächsten Jahren einer konsequenten Umsetzung, so Mais weiter. „Jenseits von 2027 ist das Bild aus meiner Sicht noch offener.“ Auch hierzu liegen seinen Ausführungen zufolge konkrete Forderungen und Skizzen einer nationalen, der NATO angezeigten Ambition vor. Deren Realisierung würde jedoch eine noch größere Kraftanstrengung erfordern. „Für diesen Schritt sind im derzeitigen Ausplanungsstand weitere Strukturelemente aufzubauen und konkrete Rüstungsprojekte, ich nenne nur das Stichwort „Puma 2. Los“, zwingend erforderlich.“

Gegenwärtig fürchten Industrievertreter, dass die Bestellung einer zweiten Tranche des Schützenpanzers Puma auf der Kippe stehen könnte. Zum einen verengen sich – nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie – die Spielräume des Haushaltes. Zum anderen hat der Puma die Einsatzreife für die VJTF 2023, die als Voraussetzung für die Beschaffung des nächsten Loses gilt, nicht wie geplant im Sommer erreicht. Der Inspekteur gab sich in seiner Präsentation jedoch hoffnungsvoll, dass dies bis Anfang 2021 nachgeholt werden kann. Die Nachprüfung ist gegenwärtig für Februar kommenden Jahres geplant.

Die Beschaffung des neuen Loses soll jedoch nach gegenwärtigem Stand offenbar erst mit dem Haushalt des Jahres 2022 beginnen. Ob dann noch ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stehen werden, scheint jedoch ungewiss. Aufgrund der Einbindung von rund 400 deutschen Firmen – davon viele Mittelständler – in den Bau des Schützenpanzers dürfte eine Beauftragung jedoch erhebliche Beschäftigungs- und Konjunkturimpulse auslösen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Wirtschaftskrise ein wichtiger Aspekt.
lah/12/5.11.2020