Der Sensor- und Technologiekonzern Hensoldt will in den kommenden Wochen die noch bei Airbus verbliebenen Anteile an dem Unternehmen von 25,1 Prozent übernehmen und den Übernahmeprozess bis Jahresmitte abschließen. Wie Hensoldt-CEO Thomas Müller auf einer Pressekonferenz während der Luftfahrtausstellung ILA in Berlin vergangene Woche weiter mitteilte, hat sich die Profitabilität seines Unternehmen im ersten Jahr nach der Abspaltung von der Muttergesellschaft Airbus um mehr als 20 Prozent erhöht.
Man wolle weiter eine tragende Rolle spielen bei den Sensoren für das zukünftige deutsche Luftverteidigungssystem TLVS, kündigte der Manager an. Dazu zählt er sowohl den die Segmente Feuerleitung als auch Mittelbereichssensor. Gut informierten Kreisen zufolge gilt beim Weitbereichsradar das Produkt von Lockheed Martin als gesetzt. Beim MFCR-Radar, das für die Zieleinweisung der PAC-3 MSE Raketen erforderlich ist, wolle man „mehr Verantwortung“ in den Segmenten übernehmen, mit denen man sich auskenne, sagte Müller. Hensoldt strebe ein Joint Venture mit einem europäischen Partner an, um eine „einheitliche Verantwortung“ für das MFCR zu gewährleisten. Bei dem Kooperationspartner dürfte es sich laut Insidern um den italienischen Rüstungskonzern Leonardo handeln, der bereits an dem MEADS-Projekt beteiligt war.
Hensoldt will sich überdies an den Vorhaben Eurodrohne, Pegasus – der Nutzung von Großraumdrohnen zur Aufklärung – sowie dem des schweren Transporthubschraubers beteiligen. Für den Pegasus-Vorläufer Euro Hawk hatte das Unternehmen bereits eine so genannte SIGINT-Sensorik entwickelt. Diese kam jedoch nicht zum Einsatz, weil das Vorhaben abgebrochen wurde.
Größere Akquisitionen sollen erfolgen
Nach Aussage von Müller konnte Hensoldt im Jahr 2017 sowohl bei Umsatz als auch Auftragseingang die Ein-Milliarden-Schwelle signifikant überschreiten. So wurde ein Auftragseingang von 1,2 Mrd EUR erzielt, während der Umsatz nach Firmenangaben auf knapp 1,1 Mrd EUR gestiegen ist. Nach der Übernahme von Kelvin Hughes sei man dabei, „ jetzt größere Akquisitionen zu tätigen“, kündigte Müller an. Durch die anstehenden Akquisitionen strebe man eine weitere Erlössteigerung für das laufende Jahr an, die womöglich zu einem Umsatz von 1,3 bis 1,5 Mrd EUR führen könne. Man befinde sich mit mehreren Firmen in Gesprächen, so Müller.
Als fertig entwickeltes Produkt stellte Hensoldt auf der Messe erstmals sein passives Radar vor, mit dem Flugobjekte detektiert werden können ohne selbst entdeckt zu werden. Das Radar nimmt lediglich die direkt von einem Flugzeug abgestrahlten oder vom Flugzeug ablenkten Signale – etwa eines Rundfunksenders – auf und nutzt diese für die Orts- und Richtungsbestimmung. Die Aussendung eigener Signale ist dazu nicht erforderlich, womit das Radar schwerer zu orten ist. Nach Angaben des Unternehmens liegt die Herausforderung bei einem Passivradar darin, die komplexen Algorithmen zu entwickeln und einen hochempfindlichen Empfänger zu bauen. Beides hat das Unternehmen nach eigenen Angaben geschafft.
Abfang-Drohne in der Enwicklung
Hensoldt-Chef Müller kündigte überdies die Entwicklung einer so genannten Catcher-Drohne an, die bis Jahresende in das bestehende Counter-UAV-Portfolio integriert werden soll. Diese Drohne werde in der Lage sein, vorprogrammierte Drohnen, die nicht von einem Operator ferngesteuert werden, auf ihrem Weg abzufangen und an einen sicheren Ort zu transportieren. Technisch soll für diesen Vorgang ein Netz eingesetzt werden. Die neue Drohne sei gerade auch für zivile Anwendungen gedacht, betonte Müller. Für das Projekt habe man eigens eine kleine Drohnen-Firma gekauft.
Große Investitionen würden überdies in den Bereich Cyber fließen, sagte der Manager. Künstliche Intelligenz, Robotik und neuronale Netzwerk sei für das Hensoldt-Geschäft in Zukunft sehr wichtig.
Kurz vor der Pressekonferenz hat Hensoldt eigenen Angaben zufolge die Übernahme des in Frankreich ansässige Unternehmens Airbus DS Electronics and Border Security SAS abgeschlossen. Die Firma stellt gesicherte Datenlinklösungen und Produkte zur Freund-Feind-Kennung her. Die neue Hensoldt France SAS mit Sitz in Plaisir bei Paris erziele mit rund 60 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa 20 Mio EUR und werde von Philippe Guibourg geführt, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Hensoldt ist aus dem Verkauf des Airbus-Verteidigungselektronikgeschäfts an die Beteiligungsgesellschaft KKR hervorgegangen. Der Verkauf der in Deutschland beheimateten Aktivitäten war bereits im Februar 2017 abgeschlossen, wobei Airbus einen Minderheitsanteil von 25,1 Prozent bis zur vollständigen Trennung der Standorte behalten sollte. Dagegen folgte die behördliche Genehmigung und die Standorttrennung in Frankreich einem anderen Prozess. Aus diesem Grund konnte die Transaktion in Frankreich erst am 26. April abgeschlossen werden, wie Hensoldt weiter mitteilte.
Beobachter vermuten, dass der deutsche Sensorhersteller bei seiner zukünftigen Akquisitionsstrategie einen besonderen Fokus auf Frankreich legen wird. Nicht zuletzt wegen den anstehenden deutsch-französischen Rüstungsvorhaben.
lah/30.4.2018