In den USA laufen parallel gleich mehrere Programme zur Entwicklung von sogenannten Collaborative Combat Aircraft (CCA), bei denen es sich um bewaffnete unbemannte Kampfflugzeuge als Ergänzung zu bemannten Plattformen handelt. Auch Frankreich arbeitet bereits an einer nationalen Kampfdrohne und selbst Australien, ein Land ohne bedeutende Luftfahrtindustrie, gehört mit der zusammen mit Boeing designten MQ-28 bei CCA zur internationalen Spitzengruppe.
Der für Deutschland zentrale Rüstungskonzern Airbus Defence and Space hat bei der Luftfahrtausstellung ILA vor etwa einem Jahr in Berlin lediglich das Designkonzept des Wingman – eines CCA der 10-Tonnen-Klasse – vorgestellt. Seitdem hat man nichts mehr davon gehört.
Dabei beabsichtigt die Bundeswehr vor Einführung des Next Generation Weapon System (NGWS), das aus einem Next Generation Fighter und einem als Remote Carrier bezeichneten CCA bestehen soll, unbemannte Systeme unter Führung von Bodenstationen und/oder aus anderen Flugzeugen einzuführen. Das NGWS bildet den Kern des Future Combat Air System (FCAS), an dem bislang Frankreich, Deutschland und Spanien arbeiten, und bis 2040 einführen wollen.
Es stellt sich somit die Frage, wo die Bundeswehr derartige unbemannten Systeme herbekommen will, da Verteidigungsministerium und Industrie eine nationale Entwicklung bislang nicht ernsthaft verfolgt haben.
Weil bislang auch international keine leistungsfähigen CCA bis zur Serienreife entwickelt worden sind, geht es zunächst unter anderem darum, eigene Tests durchzuführen und Erfahrungen mit dem Konzept des Manned-Unmanned Teaming zu sammeln, die dann wieder in Soft- und Hardware eines CCA einfließen können.
Einen solchen Ansatz scheint auch Airbus anzustreben. CEO Michael Schöllhorn hatte Anfang im März auf einer Veranstaltung in Berlin in dem Zusammenhang von einem „Learning Vehicle“ gesprochen, das man sehr schnell benötige. Dieses Vehicle müsse mit deutschen Missionssystemen ausgestattet werden, um daran zusammen mit der Luftwaffe lernen zu können, wie mit Drohnen gekämpft werde.
Wie hartpunkt bereits vor längerer Zeit aus gut informierten Kreisen erfahren hatte, plant Airbus die Einführung des vom US-Unternehmen Kratos entwickelten unbemannten Experimentalflugzeugs XQ-58A Valkyrie als Basis für ein Learning Vehicle. Eine Stellungnahme dazu lehnte Airbus seinerzeit ab. Dem Vernehmen nach sollen die Gespräche für die Nutzung der aus einer Zieldrohne entwickelten Valkyrie bisher positiv verlaufen sein. Das Flugzeug ist auf Kosteneffizienz getrimmt und soll laut Hersteller weniger als 10 Millionen US-Dollar kosten.
In seinem Vortrag im März forderte Schöllhorn überdies, dass parallel zu den Tests mit dem Learning Vehicle eine europäische Entwicklung für ein CCA angestoßen werden müsse, die von den Lernergebnissen immer wieder befruchtet werde. Dadurch könne der Entwicklungszyklus deutlich verkürzt werden, sagte der Chef von Airbus Defence and Space damals.
Offenbar führt das Unternehmen auch bereits seit Längerem Gespräche mit einem potenziellen Partner für das Projekt, ein europäisches CCA neu zu entwickeln. Wie hartpunkt aus gut informierten Kreisen erfahren hat, soll es sich dabei um den Rüstungskonzern Saab aus Schweden handeln.
Ein Sprecher von Airbus lehnte eine Stellungnahme zu dem Thema ab. „Saab kommentiert gemäß unserer üblichen Praxis weder die Berichte Dritter noch die damit verbundenen spezifischen Behauptungen“, beantwortete das schwedische Unternehmen eine Anfrage von hartpunkt. Wie weit die Gespräche gediehen sind und ob eine Vereinbarung realistisch ist, bleibt damit unklar.
Eine Kooperation der beiden Unternehmen wäre jedoch durchaus zielführend, zumal die Zusammenarbeit mit Frankreich bei FCAS mal wieder in einer Sackgasse steckt – mit ungewissem Ausgang. Unabhängig davon wollen Schweden und Deutschland den Gripen und den Eurofighter noch mehrere Jahrzehnte nutzen und brauchen in dieser Zeit für ihre Kampfflugzeuge begleitende CCA.
Bereits jetzt gibt es eine enge punktuelle Zusammenarbeit im militärischen Luftfahrtbereich zwischen beiden Ländern. So hat Deutschland bei der Ausstattung seiner 15 Eurofighter für den Elektronischen Kampf (EK) bereits einen Sonderweg innerhalb der Eurofighter-Nationen Italien, Spanien und Großbritannien eingeschlagen und rüstet die Maschinen mit der Arexis-Sensorsuite für Electronic Warfare von Saab aus. Diese Entscheidung unterstreicht das Vertrauen des BMVg in das schwedische Unternehmen, das damit Einblick in eine hoch sensible Fähigkeit der Bundeswehr erhält und selbst Schlüsseltechnologie einbringt.
Die Kompetenz der Schweden in Sachen militärischer Luftfahrt hat sich zuletzt in den Tests mit der KI-Software der deutschen Firma Helsing gezeigt. Dabei wurde ein Gripen-E-Kampfflugzeug der Kontrolle des KI-Agenten Centaur von Helsing übergeben und erfolgreich geflogen. Dazu waren keine aufwändigen Anpassungen oder Zertifizierungen der Steuer-Software des Flugzeugs erforderlich.
Überdies beschäftigt sich der schwedische Konzern offensichtlich schon seit einigen Jahren im Rahmen des „Saab Future Combat Air System (FCAS) Program“ mit überschallschnellen CCA. So geht aus einem Forschungspapier des Konzerns von 2022 hervor, dass seinerzeit mit einem solchen CCA-Modell (siehe Titelbild), genannt Loyal Wingman, bereits Tests im Windtunnel durchgeführt worden waren.
Auch Airbus hat bei dem Thema einiges zu bieten. Nicht nur hat der Konzern beim trilateralen FCAS-Projekt die Führung im Segment CCA, hier als Remote Carrier bezeichnet, inne. Das Unternehmen konnte bereits vor rund 20 Jahren mit dem Barracuda den Vorläufer eines CCA entwickeln. Das Programm wurde jedoch eingestellt.
Bevor beide Unternehmen tatsächlich ein gemeinsames CCA entwickeln können, dürfte die Zustimmung und Unterstützung aus der Politik jedoch unabdingbar sein. Ein Vorteil des bilateralen Ansatzes liegt darin, dass es sich um eine souveräne europäische Lösung handeln würde – ein wichtiger Aspekt vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Neupositionierung der USA. Noch wichtiger ist jedoch, dass Deutschland endlich mit der Arbeit an einem CCA beginnt.
Lars Hoffmann