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Diehl hat offenbar eigene Lösung im Portfolio

Die Bundeswehr hat als abstandsaktives Schutzsystem ihrer für die VJTF 2023 eingeplanten Leopard-Panzer  das israelische Produkt Trophy ausgewählt. Sollte die Integration des Systems erfolgreich verlaufen, könnte dies für die weitere Ausstattung des Heeres die Richtung weisen.  Allerdings muss es nicht so kommen, denn für die Ausstattung weiterer Fahrzeuge sind auch andere Systeme denkbar. Neben israelischen Anbietern wie Rafael und Elbit haben auch die deutschen Unternehmen Rheinmetall und Diehl viele Jahre an derartigen Schutzsystemen gearbeitet und entsprechende Erfahrungen gesammelt.

Während Rheinmetall bei seinem Active Defence System (ADS) auf mehrere über das gesamte Fahrzeug verteilte Effektor-Kästen setzt, hat Diehl eine Lösung mittels eines Werfers entwickelt.  Wie es auf der Homepage des Unternehmens heißt, kann dieses Active Vehicle Protection System (AVePS) das gesamte Bedrohungsspektrum von Panzerabwehr-Handwaffen bis hin zu modernen Lenkflugkörpern  bekämpfen. Selbst gegen Gefechtsköpfe mit Tandemhohlladung und gegen großkalibrige KE-Penetratoren sei das System wirksam. Den Angaben zufolge wurde AVePS bereits auf Fahrzeugen der Typen Leopard 2, M113 und Fuchs erfolgreich getestet.

Zerstörung durch Druckwelle

Insidern zufolge  dreht der Werfer des AVePS nach Detektion des anfliegenden Geschosses auf dieses Ziel und schießt eine Blast-Granate in Richtung der Bedrohung. Diese soll idealerweise in Höhe des anfliegenden Geschosses detonieren und es durch die Druckwelle der Explosion zerstören. Wie es heißt, können zwar noch Teile des anfliegenden Projektils auf das Fahrzeug treffen – ihre Wirkung auf die Panzerung soll jedoch nur gering sein.

AVePS hat gegenüber dem von Rafael entwickelten  Trophy einen deutlichen Vorteil: Die vom System genutzte Granate hat selbst keine Splitterwirkung, so dass eigene Soldaten auf dem Gefechtsfeld nicht gefährdet werden. Trophy dagegen stößt Kleinprojektile aus, die weiterfliegen, falls sie das Ziel verfehlen.

Das Werfersystem von Diehl soll überdies darauf ausgelegt sein, in alle Richtungen – also auch nach oben – zu wirken. Ein Pluspunkt, wenn moderne Panzerabwehrwaffen bekämpft werden, die das vergleichsweise leicht geschützte Dach eines Gefechtsfahrzeuges als Ziel haben. Das Diehl-System wirkt dem Vernehmen nach in einem Abstand von zehn  bis 25 Metern vom Fahrzeug.

Am rechten Bildrand zu erkennen: Einer der beiden Werfer des Iron-Fist-Systems am hinteren Ende des Schützenpanzerturms. Foto: lah

Ein ähnliches System vom israelischen Anbieter Elbit war vor wenigen Wochen auf der Messe IDET im mährischen Brünn zu sehen. Dort hatte General Dynamics den für seinen Schützenpanzer Ascod im Rahmen der tschechischen Ausschreibung vorgesehenen Elbit-Turm ausgestellt. Auf dem Turm: Zwei Werfer des Schutzsystems Iron Fist.

Im Gegensatz zum Diehl-Werfer mit einem Kaliber von 100 mm soll der israelische Werfer ein Kaliber von 60 mm aufweisen. Elbit, beziehungsweise IMI, war Anfang dieser Dekade offenbar auch bei Tests in Deutschland beteiligt worden. Damals wurde laut Insidern ein israelisches Feuerleitsystem und Radar mit dem Diehl-Werfer kombiniert. Das Überlinger Unternehmen konzentriert sich offenbar auf Werfer und Munition und würde Radar und Feuerleitung eines Partners nutzen.

Den Kreisen zufolge könnte das Diehl-System mit seinen zwei Zweirohrwerfern binnen drei Jahren auf einem Fahrzeug wie dem Boxer oder Leopard integriert werden. Die Technik soll sich im Technology Readiness Level (TRL) 6 befinden. Neben der Bekämpfung von Panzerfäusten (RPG) und Panzerabwehr-Lenkwaffen kann AVePS theoretisch auch KE-Pfeilgeschosse abwehren. Allerdings hat es dazu wohl noch keine dynamischen Versuche gegeben, bei denen der Werfer im Bruchteil einer Sekunde auf das Ziel richten musste.

Gewicht unter 500 kg

Ein Werfer des Diehl-Produktes soll Insidern zufolge weniger als 50 cm über den Fahrzeugturm ragen und das Gewicht des Gesamtsystems wird mit deutlich unter 500 kg angegeben.  Das relativ große Kaliber wird demnach durch rückstoßfreie Munition ermöglichet. AVePS kann womöglich mit anderen Systemen wie dem ADS von Rheinmetall kombiniert werden.

Wie das Beispiel der tschechischen Ausschreibung mit der entsprechenden Anforderung zeigt, gewinnen abstandsaktive Schutzsysteme an Bedeutung.  Bei diesem Tender hat dem Vernehmen nach auch der Anbieter BAE Systems mit dem CV90 Iron Fist als Lösung gewählt, während beim Lynx von Rheinmetall keine Informationen vorlagen und der Puma auf die Kombination von MUSS mit reaktiver Panzerung setzt. Zu vermuten ist, dass auch bei den beiden anderen großen Schützenpanzerausschreibungen in den USA und Australien das Thema eine Rolle spielen wird. Womöglich ergibt sich dann auch für Diehl noch die Möglichkeit, das eigene System vorzustellen.
lah/10.6.2019

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