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SSW40 – NATO-Kunde bestellt Rheinmetalls MV-Granatwerfer

Waldemar Geiger und Kristóf Nagy

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Mit dem SSW40 und der dazugehörigen Medium Velocity-Munitionsfamilie hat der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall eine Gruppenunterstützungswaffe entwickelt, die das Potenzial hat, Spezialkräften und Infanteriegruppen eine Steigerung der Feuerkraft zu bieten, welche man seit der Einführung des modernen Maschinengewehrs nicht mehr gesehen hat. Der Grund für diese Einschätzung liegt in der Befähigung der mit dem SSW40 ausgestatteten Trupp- bzw. Gruppenebene einen breiten Mix an 40mm-Granaten auf weite Distanzen verschießen zu können, deren Wirkung der von Granatmaschinenwaffen entspricht.

Nun hat Rheinmetall einen NATO-Kunden für seinen Squad Support Weapon (SSW40) 40mm-Selbstladegranatwerfer gefunden, wie das Unternehmen im Rahmen eines am 16. Juni durchgeführten Fachmedienbriefings bekanntgegeben hat, bei dem die aktuelle Vorserienversion der Waffe samt der dafür entwickelten Medium Velocity (MV)-Granate im Kaliber 40 x 46 mm im scharfen Schuss geschossen werden konnte.

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Auch wenn Rheinmetall keine Details zu dem Pilotkunden des SSW40 bekanntgeben wollte, hat man erklärt, dass die Waffe derzeit für die Qualifikation vorbereitet wird, die Ende des Jahres abgeschlossen sein soll, so dass die Auslieferung der Serienwaffen vermutlich 2026 beginnen wird.

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SSW40

Das Konzept des Squad Support Weapon (SSW40) 40 mm Selbstladegranatwerfers hat Rheinmetall bereits im Sommer 2022 auf der Rüstungsmesse Eurosatory vorgestellt. In den letzten drei Jahren hat das System jedoch eine Reife hin zu einer Qualifikation sowohl Hausintern als auch bei einem nicht weiter spezifizierten NATO-Kunden erfahren. Das ursprüngliche Konzept ist dabei unverändert geblieben. Mit der von Rheinmetall entwickelten Munitionspalette von 40 mm Low und Medium Velocity (LV/MV) Granaten wird der Schütze befähigt Bedrohungen bis zu einer Entfernung von 900 m zu bekämpfen.

Die Waffe mit einem Leergewicht von 4 kg und eine Gesamtlänge von gerad einmal 800 mm ist nicht nur von der Dimensionierung her einem Sturmgewehr ähnlich. Erreicht wird das geringe Gewicht unter anderem durch die Verwendung von Aluminium und Polymer für sämtliche Komponenten mit Ausnahme des Stahl-Verschlusses. Auch das gezogene Rohr (sechs Züge und Felder) ist aus Aluminium.

Auch die ergonomische Auslegung und daraus resultierende Bedienung, bis hin zum Anschlag sind dem eines Gewehrs folgend ausgelegt, was die Ausbildungszeit reduziert. Die geringe Bauhöhe von gerade einmal 300 mm mit einem 3-Schuss- und 400 mm mit einem 5-Schuss-Magazin ermöglicht unter andrem auch den Einsatz des SSW40 im Liegendanschlag. Sämtliche Bedienelemente sind dabei beidseitig zugänglich ausgeführt und auch die Aufnahme für den Trageriemen lässt sich nach Bedarf von einer auf die andere Seite umstecken.

Bedien- und Funktionselemente des SSW40-Granatwerfers.
Bedien- und Funktionselemente des SSW40-Granatwerfers. (Bild: Rheinmetall)

In der aktuell gezeigten Version ist auf Kundenwunsch der Sicherungshebel auch gleichzeitig der Magazinlöser. Dies könne aber je nach Präferenz verändert werden.

Ausgeführt als Rückstoßlader erlaubt die SSW40 eine theoretische Kadenz von über 300 Schuss pro Minute, was einer Schussfolge von 6 bis 8 Schuss pro Sekunde entspricht. Auch wenn die aktuelle Waffe als Halbautomat ausgeführt ist, kann das System durchaus auch vollautomatisch betrieben werden. Im letzteren Fall ist die Montage beispielsweise auf einer Ringlafette vorgesehen. Der Montagepunkt für die Lafette befindet sich vor dem Magazin am Rohr und kann auch ein Zweibein aufnehmen. Zudem befindet sich laut Rheinmetall für die lafettierte Nutzung eine erweiterte Munitionszufuhr aus einem Vorratsbehälter in Entwicklung.

Aber auch das halbautomatische Verschießen von MV-Granaten ist eine nicht unwesentliche Belastung für einen Schützen. Daher weist die SSW40 einen integrierten, hydro-pneumatischen Rückstoßdämpfer auf. Das Dämpfsystem ist in der Lage die beim Abfeuern der MV-Granaten auftretenden Kräfte (etwa 30 Ns) so zu dämpfen, dass sie nicht unmittelbar in voller Kraft, sondern über einen längeren Zeitraum auf den Schützen übertragen werden. Dies führt dazu, dass der empfundene Rückstoß signifikant unter dem Rückstoß liegt, der beim Abfeuern von 40mm-LV-Granaten (etwa 18 Ns) als klassischen Granatgewehren bzw. Unterbau-Granatwerfern auf den Schützen einwirkt. Davon konnten sich die anwesenden Medienvertreter selbst anhand von mehreren Schüssen überzeugen. Hierdurch kann Unternehmensangaben zufolge ein Schütze an einem Gefechtstag mehrere hundert Granaten verschießen, ohne eine Beeinträchtigung oder eine Verminderung der Leistungsfähigkeit zu erleiden.

Konzeptionell ist eine Kampfbeladung mit rund 40 Granaten pro Schützen vorgesehen. Dabei kann der Schütze auch eine Mischbeladung von LV- und MV-Granaten in ein Magazin aufmunitionieren und ohne Einstellungen an der Waffe betriebssicher verschießen, da das System selbstregulierend ist.

Durch die Ausführung als Kipplaufsystem können zudem Wechsel der Munitionssorten auch im laufenden Feuerkampf und ohne Entnahme des Magazins bedarfsgerecht durchgeführt werden. Hierzu muss lediglich der beidseitig zugängliche Hebel unter dem Rohr und vor dem Magazin betätigt werden. Der taktische Zweck dieser Möglichkeit wird durch folgendes Beispiel ersichtlich. Ein mit dem SSW40 ausgerüsteter Soldat nutzt die mit Nahkampf-Granaten geladene Waffe beispielsweise im Orts- und Häuserkampf. Beim Einbruch in ein Gebäude kann er das Rohr mittels des Kipplaufsystems kippen, die Nahkampf-Granate durch eine Breaching-Granate ersetzen und so die Tür öffnen. Der Lademechanismus der Waffe führt im Anschluss automatisch wieder eine weitere Nahkampfgranate aus dem Magazin, so dass diese unmittelbar für den Feuerkampf zur Verfügung steht. Zudem können so auch überlange Granaten, wie etwa für das Ausbringen von Drohnen, oder Endphasengelenkte Munition verschossen werden.

Umfangreiche Munitionspalette

Das volle Potenzial der taktischen Möglichkeiten kann das SSW40 nur durch eine moderne und vielseitige Munitionspalette abrufen. Daher hat Rheinmetall insbesondere im Bereich der MV-Munition intensive Entwicklung betrieben. Das Granatengewicht wird mit 270 g angegeben.

Die komplette MV-Munitionsfamilie nutzt Granaten der im Vergleich zu 40mm-LV-Granaten deutlich potenteren High-Velocity-Granatenfamilie, welche aus der Granatmaschinenwaffe verschossen werden. Neben dem SSW40 soll auch die sogenannte Turmunabhängige Sekundärwaffenanlage (TSWA) des Schützenpanzer Puma S1 die MV-Munition verschießen können.

 Low VelocityMedium VelocityHigh Velocity
Kaliber40 x 46 mm40 x 46 mm40 x 53 mm
Reichweitebis zu 400 mbis zu 900 mbis zu 2.100 m
Kammerdruck< 230 bar~ 250 bar< 1.150 bar
Rückstoß< 18 Ns< 30 Ns~ 63 Ns
Rohraustrittsgeschwindigkeit78 m/s120 m/s245 m/s

Der höhere Kammerdruck der MV-Munition wirkt sich neben der höheren Reichweite auch in einer deutlich flacheren ballistischen Kurve aus. Selbst auf eine Entfernung von 900 m ist die ballistische Kurve der MV-Granate leicht flacher als die Kurve der LV-Granate auf eine Schlagdistanz von 400 m.

Darstellung der Airburst-Funktionalität des SSW40-Granatwerfers.
Darstellung der Airburst-Funktionalität des SSW40-Granatwerfers. (Bild: Rheinmetall)

Neben Munition mit herkömmlichen Aufschlagzündern erlaubt vornehmlich die Variante mit Luftsprengpunkt (Airburst) das Bekämpfen von Zielen hinter Deckungen oder in erhöhter Position. Dabei wird die Masse der vorfragmentierten Splitter kreisförmig, sowie nach hinten abgegeben, wodurch beim Vorbeiflug eine ideale Abdeckung im Ziel erfolgt. Zur Nutzung dieser Munition mit einer Reichweite von 900 m ist neben der Waffe auch eine IRPU (Infrared Programming Unit) in Kombination einer entsprechenden FCU (Fire Control Unit) notwendig.

Aber auch die erfolgreiche Bekämpfung von gepanzerten Zielen ist mit dem SSW40-Granatwerfer möglich. So gibt die Rheinmetall die Durchdringungsleistung seiner panzerbrechenden MV-Granate mit 70 mm homogenen Panzerstahl (RHA) an. Damit kann dem Unternehmen zufolge die seitliche Panzerung der Masse der auf dem Markt verfügbaren Schützenpanzer durchdrungen werden.

Neben den angesprochenen Granaten und der kompletten LV-Munitionspalette stehen zukünftig auch klassische 40mm-Granaten – Spreng-Splitter, Leucht, Übung, Nebel, Sound & Flash sowie Reizstoffmunition – in der MV-Variante als Munitionsvarianten für das SSW40 zur Verfügung.

Durch die bereits erwähnte Möglichkeit der Nutzung von endphasengelenkter Munition ist das SSW40 mit einer gewissen Drohnenabwehrfähigkeit versehen. Ergänzend hierzu hat Rheinmetall eine 40mm-Patrone in der Entwicklung, welche zünderlos und vollkommen frei von Explosivstoffen eine hohe Anzahl an inerten, vergleichsweise kleinen Projektilen verschießt. Ziel ist es mit der Munition eine Nahbereichsverteidigung gegen anfliegende FPV-Drohnen, ohne jegliche komplexe und teure Feuerleitlösungen im Nah- und Nächstbereich bis zu einer maximalen Distanz von 75 m zu erreichen. Zudem kann die Patrone, welche im Gegensatz zu den Sprenggranaten ohne jegliche Vorrohrsicherheitsdistanz ausgeführt ist auch für den Orts- und Häuserkampf als Nahkampfmunition verwendet werden.

Um die erwähnten Munitionssorten präzise ins Ziel zu bringen, kann die SSW40 mit einer Vielzahl an Optiken, Optroniken und auch Feuerleitlösungen ausgestattet werden. Diese können entweder mithilfe der auf der Gehäuseoberseite befindlichen Picatinny-Schiene oder seitlich an der von Rheinmetall entwickelten Montage befestigt werden, die auch die ballistischen Kurven der beiden Munitionsgeschwindigkeiten kompensiert. Letztere Option ist aus Polymer gefertigt und erlaubt über ein Drehrad die Einstellung der Entfernung zum Ziel. Im Anschluss kann der Schütze mit der eingeschossenen Waffe entfernungsunabhängig mit dem gleichen Haltepunkt die Zielbekämpfung durchführen.

Visiermontage des SSW40 mit ballistischem Kompensator und zwei seitlichen Aufnahmen für Feuerleiteinheiten oder Zieloptiken.
Visiermontage des SSW40 mit ballistischem Kompensator und zwei seitlichen Aufnahmen für Feuerleiteinheiten oder Zieloptiken. (Bild: Kristóf Nagy)

Laut Hersteller könne zudem weitere Schienen an der Waffe je nach Kundenwunsch, insbesondere an der Verkleidung des Rohres befestigt werden, um beispielsweise Licht- oder Lasermodule aufzunehmen. Aber auch ein einfaches Leitervisier, wie es von zahlreichen, tragbaren Granatwerfern bekannt ist, steht zur Verfügung.

Einfache Wartung und hohe Lebensdauer

Laut Rheinmetall ist auch der Betrieb und die Wartung der Waffe überaus kosteneffizient. Eine Schmierung durch Öle oder Fette ist nicht notwendig. Die im Verschlusskörper befindliche pneumatische Dämpfung ist in Öl gelagert und vollumfänglich gekapselt, sodass keine Verschmutzung eindringen kann. Zudem sind die rechts und links in den Schienen im Gehäuse laufende Führung des Verschlusses mit abwechselnd langen Gleitsteinen versehen. Hierdurch wird nicht nur mit jedem Verschlusslauf mögliche Verschmutzung oder kleine Fremdkörper aus dem System befördert, sondern auch der Verschleiß auf günstige und leicht tauschbare Kleinstartikel reduziert. Aktuell wird die Lebensdauer der Waffe mit mindestens 5.000 Schuss angegeben, wobei sich der Verschleiß auf hauptsächlich auf das Rohr und die Züge und Felder beschränken wird. Dieses lässt sich durch die Ausführung als Kipplauflader jedoch einfach austauschen.

Fazit

Die breite Munitionspalette macht das SSW40 zu einer vielseitig einsetzbaren Unterstützungswaffe für infanteristische Kräfte. Von der Bekämpfung weicher Flächenziele bis hin zur Drohnen- oder Panzerabwehr lassen sich alle Fähigkeiten in einer kompakten und vergleichsweise leichten Waffe kombinieren. Das Waffengewicht des SSW40 mit 40 Granaten beträgt gerade einmal rund 15 bis 16 kg und ist damit leichter als die meisten Maschinengewehre im Kaliber 7,62 x 51 mm samt einer üblichen Kampfbeladung.

Ein mit einer solchen Waffe ausgerüstete Infanteriegruppe oder Kommandotrupp verfügt über eine signifikant größere Feuerkraft, insbesondere wenn es um die Bekämpfung von Flächenzielen und geschützten Fahrzeugen angeht.

Waldemar Geiger und Kristóf Nagy