Anzeige

tkMS und Fincantieri führen Fusionsgespräche

Der deutsche U-Boot- und Schiffbaukonzern thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) und die italienische Staatswerft Fincantieri führen offenbar Gespräche über die Zusammenlegung des Marinegeschäftes. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, wird eine Fusion unter Gleichen angestrebt. Damit würden sowohl Fincantieri als auch thyssenkrupp 50 Prozent an einem neuen Gemeinschaftsunternehmen halten. Fincantieri – der Konzern betreibt auch in großem Umfang zivilen Schiffbau – müsste dazu seine Marinesparte ausgliedern und in das Joint Venture einbringen.  Den Kreisen zufolge sollen die Gespräche zwischen dem deutschen und dem italienischen Konzern bereits seit geraumer Zeit laufen und gut vorankommen. Wie es heißt, würde tkMS auch sein Bremer Tochterunternehmen Atlas Elektronik vollständig in das Joint Venture einbringen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters könnte ein Gemeinschaftsunternehmen beider Konzerne auf einen Umsatz von etwa 3,4 Mrd EUR pro Jahr kommen.

Bislang sah es so aus, als ob Frankreich und Italien ihren Marineschiffbau zusammenführen würden. Denn die französische Staatswerft Naval Group hatte zusammen mit Fincantieri das Joint Venture Naviris gegründet, das sich um die Entwicklung neuer Patrouillenfregatten kümmern soll und im Januar seine Arbeit aufgenommen hat.  Dem Vernehmen nach  läuft es allerdings zwischen den beiden  Partnern nicht rund, da angeblich Paris die Führung in dem Unternehmen anstrebt.  Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch deutsche Firmen  bei den französisch-deutschen Gemeinschaftsvorhaben Future Combat Air System und Main Ground Combat System.

Naviris hat nur beschränkten Auftrag

Naviris ist außerdem lediglich auf ein konkretes Projekt fokussiert –  sowohl Naval Group als auch Fincantieri würden das restliche Militärgeschäft getrennt weiterverfolgen. Zwar wird Naviris als möglicher Nukleus eines zukünftigen  europäischen Marineschiffbaus bezeichnet – ähnlich wie Airbus im Luftfahrtbereich. Allerdings würde ein Merger zwischen tkMS und Fincantieri eher eine Basis für ein solches Projekt darstellen, da eine umfassendere Zusammenarbeit projektiert wird.

Fincantieri und tkMS arbeiten bereits seit vielen Jahren bei der Entwicklung und dem Bau der U-Boot-Klasse U212 zusammen, die von den Marinen beider Länder genutzt wird.  Italien will weitere Boote dieses Typs in den kommenden Jahren beschaffen und dabei  mehr national entwickelte Komponenten einsetzen. Allerdings wird Fincantieri weiterhin auf Material und Know-how von tkMS angewiesen bleiben. Presseberichten zufolge hatte es Italien in der Vergangenheit abgelehnt, französische U-Boote zu beschaffen, trotz der bereits angestrebten Zusammenarbeit zwischen Fincantieri und Naval Group.

Komplementäre Kapazitäten

Ein Merger zwischen tkMS und Fincantieri würde vermutlich auch aus industrieller Perspektive einen Mehrwert bringen. Denn während tkMS auf den konventionellen U-Boot-Sektor konzentriert ist und hier als Marktführer in der westlichen Welt gilt, liegt der Schwerpunkt von Fincantieri auf dem Überwasserbereich. Das Unternehmen bietet in diesem Geschäftsfeld ein breites Portfolio bis hin zu Flugzeugträgern an und agiert international erfolgreich. Erst kürzlich wurde das Fremm-Design von Fincantieri als Grundlage für die neuen Fregatten der US Navy ausgewählt.

Womöglich könnte nach einer Fusion auch tkMS für seine Fregatten-Entwürfe Fincantieri-Werften – etwa in Rumänien – für den Bau nutzen. Denn tkMS verkauft zwar weiterhin Schiffe ins Ausland, lässt diese allerdings auf Drittwerften bauen, da das Unternehmen über keine eigenen Kapazitäten mehr verfügt. So entstehen die für Ägypten bestimmten Fregatten auf den Anlagen der Heinrich Rönner Gruppe. Wohl nicht zuletzt wegen niedriger Kosten als auf den Werften von Lürssen oder German Naval Yards Kiel.

Beteiligung an deutschen Ausschreibungen

Durch die vor wenigen Monaten erfolgte Einstufung des deutschen Marine-Überwasserschiffbaus als nationale Schlüsseltechnologie werden voraussichtlich deutsche Werften bei zukünftigen Rüstungsprojekten bevorzugt. Ein deutsch-italienisches Gemeinschaftsunternehmen könnte jedoch schwerlich  von Ausschreibungen des Beschaffungsamtes BAAINBw ausgeschlossen werden, was einen Vorteil für Fincantieri darstellt.

Ob es allerdings tatsächlich zu einem Zusammenschluss zwischen Fincantieri und tkMS kommen wird,  hängt neben der wirtschaftlichen Logik nicht zuletzt von den politischen Entscheidern in beiden Ländern ab. Außerdem wird die französische Seite ihre Interessen wahrnehmen. Denn mit einem Merger würde ein auf dem internationalen Markt schlagkräftiger Wettbewerber der Naval Group entstehen. Vielleicht bietet ein Zusammenschluss dennoch das Gerüst für einen zukünftigen „Airbus der Meere“. Zunächst aber  haben  Lürssen und GNYK den Zusammenschluss ihres Marinegeschäftes angekündigt – ohne tkMS.
lah/14.5.2020

.i.td-icon-menu-up { display: none; }