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TAURUS-Ringtausch Win-Win-Situation für alle Beteiligten?

Waldemar Geiger und Lars Hoffmann

Der Vorschlag des britischen Außenministers David Cameron in einem sogenannten Ringtausch TAURUS-Marschflugkörper aus Deutschland zu erhalten und im Gegenzug weitere Storm-Shadow-Marschflugkörper der britischen Streitkräfte an die Ukraine zu liefern, hätte Potenzial für eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Cameron hatte dieses Vorgehen vor wenigen Tagen in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung erstmals öffentlich angeboten.

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt eine Lieferung des TAURUS in die Ukraine ab, weil er offenbar befürchtet, dass Deutschland durch den Einsatz zur Kriegspartei werden könnte. Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich am Sonntag in einer Talkshow jedoch offen für eine Ringtausch-Lösung, wie sie ihr britischer Amtskollege vorgeschlagen hat.

Hintergrund der britischen Offerte dürfte sein, dass die Ukrainer offenbar die bisher gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper weitgehend aufgebraucht haben und die Bestände der Royal Air Force deutlich geschrumpft sind. Marschflugkörper mit ihrer großen Reichweite sind jedoch erforderlich, um im Rückraum des Gegners im Rahmen von „Deep Strike“-Operationen strategische Ziele wie Munitionslager oder Brücken zu zerstören.

In einem abgehörten Gespräch zwischen Bundeswehr-Offizieren, dass der russische Sender RT veröffentlicht hat, nannte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, die Zahl von maximal 100 Taurus-Flugkörpern, die zu entbehren wären. Deutschland hatte insgesamt 600 Flugkörper des Typs beschafft, die sich in einem unterschiedlichen Klarstand befinden sollen.

Unklar ist, ob der TAURUS in puncto Präzision, Durchsetzungsfähigkeit und Wirksamkeit im Ziel gegenüber den Storm Shadows Vorteile aufweist, und damit den Ukrainer neue Fähigkeiten an die Hand geben würde. Dies ließe sich wohl nur nach einem realen Einsatz bewerten.

Win-Win-Situation für alle?

Der bedrängten Ukraine wäre mit dem Ringtausch geholfen, kurzfristig weitere Waffen für die Wirkung in der Tiefe des Raumes zu erhalten. Das Land braucht die Waffensysteme schließlich sofort und nicht erst in mehreren Monaten. Frei nach dem Motto „lieber ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach“. Denn im Gegensatz zum TAURUS müssten die Storm Shadows nicht erst in einem komplexen und langwierigen Verfahren in ukrainische Trägerflugzeuge integriert werden. Genauso wenig wäre eine neue Ausbildung der ukrainischen Besatzungen und der Bodenmannschaften erforderlich. Somit würden viele Monate eingespart und Personal und Material nicht für Trainings blockiert.

Die Briten hingegen würden mit dem TAURUS eine neue Abstandswaffe mit zusätzlichen Fähigkeiten – darunter die Zerstörung von verbunkerten Anlagen – erhalten, die der Storm Shadow so nicht hat. Dies würde zwar einen zusätzlichen logistischen Aufwand erfordern, andererseits würde die Royal Air Force ihren Instrumentenkasten vergrößern. Eine enge Zusammenarbeit mit der Luftwaffe wäre sicherlich die Folge. Zudem könnten die Briten mittels des Ringtausches weitere Ukrainehilfen stemmen, ohne die den Haushalt weiter zu belasten.

Auch für Deutschland ergäben sich Vorteile – für Politik, Luftwaffe und Industrie. Mit der Möglichkeit eines Ringtausches könnte die Bundesregierung die langwierigen und viel politisches Kapital verzerrenden Diskussionen rund um die TAURUS-Lieferung „gesichtswahrend“ abräumen und den Koalitionsfrieden wieder herstellen. Zudem könnte Deutschland demonstrieren, dass die Bundesrepublik der größte europäische Unterstützer der Ukraine ist, ohne Wenn und Aber.

Für die Luftwaffe ergäbe sich der Vorteil, dass die derzeit geplante Integration des TAURUS auf den Eurofighter – siehe dazu aktuellen Rüstungsbericht – unter Umständen nicht allein gestemmt werden müsste. Zudem ergäben sich durch einen weiteren TAURUS-Nutzer möglicherweise Perspektiven Weiterentwicklungen des Waffensystems auf mehrere Schultern zu verteilen.

Hindernisse für den Ringtausch

Neben politischen Problemen könnten vor allem technische Hindernisse den Ringtausch verhindern.

Als problematisch könnten sich die Zeitlinien erweisen. So ist der TAURUS bislang nur auf dem Jagdbomber Tornado integriert, den die Luftwaffe noch einige Jahre nutzen will. Die Royal Air Force hat ihre Tornado-Kampfflugzeuge jedoch bereits vor einiger Zeit aus dem Dienst genommen. Es bleibt als zukünftiger Träger deshalb nur der Eurofighter/Typhoon.

Im Rahmen des nächsten großen Weiterentwicklungsprogramms für den Eurofighter/Typhoon mit der Bezeichnung „P4E“, das nach Einschätzung von Beobachtern in den kommenden Monaten unterzeichnet werden soll, ist auch die Integration des TAURUS auf diesem Kampfflugzeug vorgesehen. Insider gehen jedoch davon aus, dass die Waffe dann erst 2028 mit dem Eurofighter in den Einsatz gehen kann. Vor dem Hintergrund der angespannten sicherheitspolitischen Situation ein langer Zeitraum.

Ob ein Ringtausch eine realistische Option darstellt, bleibt abzuwarten. Zumindest würde eine Lieferung des Marschflugkörpers nach Großbritannien statt in den Ukraine Druck von Bundeskanzler Scholz und aus der innenpolitischen Diskussion nehmen.

Waldemar Geiger und Lars Hoffmann

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