Die Bewaffnung von Drohnen ist in der Bundesrepublik bekanntlich eine kontrovers diskutierte Angelegenheit. Nach vergeudeten zehn Jahren ideologiegeprägter „gesellschaftlicher“ Debatte – an der sich der Großteil der Gesellschaft nicht beteiligt hat – über das Für und Wider von bewaffneten Drohnen, an dessen Ende die einzelnen Standpunkte genauso festzementiert waren wie zu Beginn, wurde der Bundeswehr im April 2022 erlaubt, solche Waffensysteme zu beschaffen. Es gab jedoch Einschränkungen.
In dem damaligen Maßgabebeschluss wurden unter anderem folgende Auflage festgelegt: „Bewaffnete Drohnen können nur dann eingesetzt werden, wenn diese explizit im vorgelegten Bundestagsmandat gemäß Parlamentsbeteiligungsgesetz für den jeweiligen Auslandseinsatz der Bundeswehr vorgesehen sind.“ Darüber hinaus wurde die Bundesregierung aufgefordert „verbindliche Einsatzgrundsätze für bewaffnete Drohnen“ zu erstellen, die vom Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss zu beschließen sind.
Diese Einsatzgrundsätze wurden nach rund zweieinhalb Jahren Erarbeitungszeit im Dezember 2024 vom Bundesverteidigungsministerium an das Parlament zur Kenntnisnahme übermittelt. Der geforderte Beschluss durch die Ausschüsse blieb aus. Da die Einsatzgrundsätze eingestuft sind, ist öffentlich nicht bekannt, wie genau die Bundeswehr den bewaffneten Einsatz mit „Kampfdrohnen“ führen will.
Im Grunde ist es auch nicht wirklich entscheidend, denn die Drohnenkriegsführung entwickelt sich so schnell weiter, dass jegliche grundlegende Festlegung innerhalb kürzester Zeit obsolet werden kann, was man beispielsweise am Beispiel der aktuellen Rolle von MALE-Drohnen sehen kann. Allgemein und oberflächlich formulierte Regelungen bieten hingegen viel Interpretationsspielraum und sind daher wenig bindend. Die Bedeutung großer bewaffnungsfähiger Drohnen, wie der Heron TP, im Krieg hat in den letzten drei Jahren signifikant abgenommen. Feindliche Flugabwehrsysteme, selbst älterer Bauart, sind in der Lage, solche Systeme von Himmel zu holen, was man anhand der ersten Kriegswochen in der Ukraine, Israels Kriegsführung im Libanon und den jüngsten Operationen der US-Streitkräfte im Jemen sehr gut sehen kann. Hochfliegende Drohnen bleiben weiterhin nützlich. Jedoch nicht mehr primär als Wirkmittelträger für die Feuerunterstützung der kämpfenden Truppe, sondern vielmehr als Überwachungsplattform für großräumige Operationsgebiete bei geringer Flugabwehrbedrohung.
Für die tatsächliche Kriegsführung an Land sind heute kleinere und deutlich günstigere Drohnen – beispielsweise FPV-Kampfdrohnen und sogenannte Bomberdrohnen – sowie Loitering Munition viel entscheidender. Größere Systeme werden hingegen eher für die Luftkriegsführung an Bedeutung gewinnen. Diese Kampfdrohnen werden aber de facto keine Ähnlichkeit mehr mit der Heron TP aufweisen, sondern eher modernen Kampfjets entsprechen, jedoch ohne Cockpit.
Die Drohnenkriegsführung hat sich in den vergangenen drei Jahren dermaßen hinsichtlich Quantität und Qualität weiterentwickelt, dass quasi jede Drohne potenziell bewaffnungsfähig ist. Eine handelsübliche Kopterdrohne kann mit wenigen Handgriffen und entsprechendem Geschick zu einer Bomberdrohne umgebaut werden, um damit beispielsweise Granaten auf feindliche Stellungen abzuwerfen. Anleitungen dafür sind frei im Netz zugänglich. Es wäre töricht anzunehmen, dass diese Einsatzweise noch nicht in der Bundeswehr erprobt wird. De facto fallen solche Drohnen aber unter den Maßgabebeschluss des Parlaments. Gleiches gilt im übrigen auch für Jagddrohnen, denn auch diese können und werden teilweise mit Wirkmitteln versehen.
Loitering Munition fällt zumindest nach Ansicht der Bundesregierung nicht in diese Kategorie, da diese als Munition und nicht als Drohne klassifiziert wurde. Anders sieht dies der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner. „Wenn was aussieht wie eine Banane, gelb ist und schmeckt wie eine Banane, dann ist es auch eine Banane“, erklärte Stegner im ARD-Magazin Bericht aus Berlin am 27. April 2025. Und forderte im Anschluss, dass auch der Einsatz der Loitering Munition unter die Einsatzregelung für bewaffnete Drohnen fallen muss.
Anstatt die militärische Realität anzuerkennen, dass Drohnen in jeder Art, Form und Ausprägung zu der heutigen Kriegsführung dazugehören wie ein Schutzhelm und Sturmgewehr, und die Außerkraftsetzung des aus der Zeit gefallenen Maßgabebeschlusses zu fordern, verschanzt man sich weiterhin im ideologischen Schützengraben und leistet dabei einen Bärendienst für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.
Bis in die 90er Jahre hinein waren die deutschen Streitkräfte und Hersteller führend auf dem Gebiet der militärischen Drohnennutzung und -herstellung. Dem Einfahren der Friedensdividende und der Drohnendebatte „sei Dank“, wurde diese einstige Stärke Deutschlands de facto gänzlich gegen die Wand gefahren.
Man kann daher nur hoffen, dass die geäußerte Meinung des ausgewiesenen „Bananensachverständigen“ keine Schule macht unter den Koalitionären und nicht zur Politik der zukünftigen Regierung wird.
Wenn die Bundeswehr ihren verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen und die Bundesrepublik sowie seine Verbündeten vor Aggressoren von außen schützen soll – egal ob mittels Abschreckung oder Anwendung von militärischer Gewalt –, dann brauchen die Streitkräfte Zugang zu der dafür notwendigen Bewaffnung, um damit ausbilden, üben und gegebenenfalls auch kämpfen zu können. Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage in Europa braucht die Truppe nicht mehr Fesseln, die sie am schnellen Erreichen der Verteidigungsfähigkeit oder Kriegstüchtigkeit hindern, sondern weniger. Die Bundeswehr hat in ihrem fast 80jährigen Bestehen mehr als einmal unter Beweis gestellt, dass sie verantwortungsvoll mit der ihr zur Verfügung gestellten „Freiheit“ umgehen kann. Das Beharren auf dem bestehenden Kampfdrohnen-Maßgabebeschluss kann daher nur als Realitätsverweigerung und Misstrauensvotum gegen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr angesehen werden.
Waldemar Geiger