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Operation Rising Lion: Offensive Raketenabwehr als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Raketenabwehr

Fabian Hoffmann

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Die Eskalation im Nahen Osten hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran im Laufe des Jahres 2024 hat Israel nun eine groß angelegte Militärkampagne gestartet, um den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern.

Dieser Beitrag bietet erste analytische Einblicke in die israelische Offensive und die derzeitige Reaktion des Iran. Da das Lagebild noch unvollständig ist, liegt der Schwerpunkt hier auf allgemeinen Trends und Auswirkungen als auf detaillierten operativen Entwicklungen.

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Was ist passiert?

Zwischen dem 12. und 13. Juni starteten israelische Streitkräfte die „Operation Rising Lion“ und führten groß angelegte Luftangriffe auf die nukleare Infrastruktur des Iran und damit verbundene Anlagen durch, um die Verbreitung von Atomwaffen durch den Iran zu stoppen.

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Die Operation richtete sich gegen über 100 Ziele, darunter Nuklearanlagen in Natanz, Fordow und Isfahan sowie ballistische Raketen- und Kommandozentralen in mehreren Städten. Erste Einschätzungen der Schäden deuten darauf hin, dass oberirdische Nuklearinfrastrukturen wie die Pilot-Brennstoffanreicherungsanlage in Natanz und wichtige Stromversorgungsanlagen, darunter Umspannwerke und Notstromaggregate, schwer beschädigt wurden. Unterirdische Anlagen scheinen jedoch nach den ersten Angriffen intakt geblieben zu sein.

Bei den Angriffen wurden auch mehrere hochrangige iranische Militärangehörige sowie Mitglieder der Revolutionsgarde getötet, darunter der Chef der Islamische Revolutionsgarde, Hossein Salami, Stabschef Mohammad Bagheri, der Kommandeur des Raketenprogramms Amir Ali Hajizadeh und sechs Atomwissenschaftler.

Als direkte Reaktion darauf startete der Iran die „Operation True Promise III” und feuerte mehrere hundert ballistische Raketen in mehreren Salven auf Israel ab. Das israelische Raketenabwehrsystem konnte den Großteil der ankommenden Geschosse abfangen, doch mehrere ballistische Raketen „schlüpften durch” und töteten mindestens drei Zivilisten und verletzten mehrere Dutzend weitere.

Beide Seiten führen nun seit mehreren Tagen in Folge Angriffe durch, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

Israelische Luftüberlegenheit und strategisches Versagen des Iran

Einer der auffälligsten Aspekte der israelischen Operation ist die Luftüberlegenheit, die Israel in kurzer Zeit erringen konnte. Zu Beginn der Kampagne scheint Israel wichtige Luft- und Raketenabwehrsysteme mit Hilfe von Langstreckenwaffen, insbesondere luftgestützten ballistischen Raketen, neutralisiert zu haben, bevor es mit minimalem Widerstand in den iranischen Luftraum eindrang.

Es gibt auch Nachweise darüber, dass Angriffe von iranischem Boden aus ausgeführt wurden, und mindestens ein Video deutet auch auf den Einsatz eines Effektors der Spike-Familie gegen ein iranisches Flugabwehrsystem hin.

Seitdem operieren israelische Flugzeuge, darunter auch Plattformen der vierten Generation wie die F-15, die nicht über die Stealth-Eigenschaften von Systemen der fünften Generation wie der F-35 verfügen, relativ frei über iranischem Gebiet.

Der Verlauf der Operation spiegelt weitgehend die von Israel bevorzugte Theorie des Sieges wider (ähnlich wie die der Vereinigten Staaten und der NATO): Zunächst wird die Luftüberlegenheit hergestellt, dann die Lufthoheit erreicht, wodurch dem Gegner von Anfang an jede nennenswerte Bewegungsfreiheit und Initiative verwehrt wird.

Gleichzeitig offenbart dieser Vorfall ein tiefgreifendes Versagen der iranischen „Grand Strategy“, insbesondere in ihrer Unfähigkeit, Israel daran zu hindern, seine bevorzugte Siegesstrategie umzusetzen. Der jahrzehntelange Fokus des Iran auf die Bewaffnung und politische Stärkung regionaler nichtstaatlicher Stellvertreterorganisationen, während gleichzeitig zu wenig in wichtige Komponenten der eigenen Streitkräfte, insbesondere die Luftverteidigung, investiert wurde, hat das Land verwundbar gemacht.

Der Iran hat ein glaubwürdiges und leistungsfähiges Raketenarsenal entwickelt und diese Fähigkeit auf regionale Stellvertreterorganisationen ausgeweitet, was ihm in Krisen und subkonventionellen Konflikten ein Druckmittel verschafft hat. Diese Strategie scheint jedoch im aktuellen Kontext wenig Nutzen zu haben. Der Iran kann zwar bis zu einem gewissen Grad zurückschlagen, aber er kann sein Territorium nicht wirksam verteidigen. Seine regionalen Stellvertreter (allen voran die Hisbollah) haben es unterdessen versäumt, entschiedene Maßnahmen zur Unterstützung Teherans zu ergreifen.

Zwar gibt es ein plausibles Argument, dass jeder Versuch des Iran, Israels Luftmacht durch ein fortschrittliches Flugabwehrsystem symmetrisch zu kontern – ähnlich wie Russland auf die Luftmacht der NATO reagiert hat –, angesichts des Zugangs Israels zu überlegenen einheimischen und importierten Technologien wahrscheinlich nicht erfolgreich gewesen wäre. Dennoch erscheint die derzeitige Ressourcenverteilung des Iran eindeutig suboptimal.

Iranische Vergeltungsmaßnahmen und israelische Luftverteidigung

Die israelische Raketenabwehr scheint bei den Vergeltungsschlägen des Iran relativ gut funktioniert zu haben, wenn auch nicht ohne Mängel. Wie bereits beim groß angelegten ballistischen Raketenangriff Irans im Oktober 2024 scheinen auch diesmal einige Geschosse aufgrund der iranischen Sättigungstaktik die israelische Verteidigung umgangen und ihre Ziele erreicht zu haben.

Der bemerkenswerteste Aspekt der israelischen Raketenabwehr war jedoch ihre offensive Komponente. Anstatt sich ausschließlich auf Verteidigungssysteme zu verlassen, griff Israel präventiv iranische ballistische Raketen, Abschussvorrichtungen, Produktions- und Lagerstätten sowie die damit verbundene Infrastruktur an.

Bislang sind weit über ein Dutzend Videos aufgetaucht, die zeigen, wie israelische Flugzeuge mit Lenkbomben beladene iranische Transporter-Erector-Launcher zerstören, die wahrscheinlich für eine schnellen Vergeltungsangriff vorpositioniert waren. Zusätzliches Filmmaterial bestätigt Angriffe auf Raketenlager, die Sekundärexplosionen auslösten, vermutlich durch gelagerte Raketen.

Laut Berichten der New York Times plante der Iran ursprünglich, mit einer massiven Salve von bis zu 1.000 ballistischen Raketen zurückzuschlagen – eine Anzahl, die die israelische Raketenabwehr mit hoher Wahrscheinlichkeit überfordert hätte. Auch wenn diese Zahl mit gewisser Skepsis zu betrachten ist, da das gesamte Arsenal iranischer ballistischer Mittelstreckenraketen auf etwa 1.000 Raketen geschätzt wird, vermutlich etwas mehr, spricht vieles dafür, dass der Iran ursprünglich eine deutlich massivere und schnellere Reaktion beabsichtigte, als letztlich umgesetzt wurde.

Der Vergeltungsplan des Iran wurde wahrscheinlich durch die groß angelegte und effektive Raketenabwehrkampagne Israels durchkreuzt, die wichtige Elemente der iranischen ballistischen Raketenstreitkräfte verzögerte, schwächte und zerstörte und so den Angriff verhinderte.

Entscheidend war, dass diese Abwehrstrategie nur möglich war, weil Israel bereits die Luftüberlegenheit – und wohl auch die Lufthoheit – über weite Teile des Iran errungen hatte, was einen direkten Angriff auf kritische Infrastrukturen und Anlagen über israelische Freifallbomben ermöglichte. Solche Operationen wären nicht durchführbar gewesen, wenn Israel auf den Einsatz weitreitreichende Munition beschränkt gewesen wäre.

Es gibt zudem Berichte, die jedoch noch unbestätigt und eher spekulativ sind, dass der Iran möglicherweise mit einem Mangel an Abschussplattformen konfrontiert ist, was seine Fähigkeit zur Abfeuerung großer Salven ballistischer Raketen einschränkt. Wenn dies zutrifft, würde dies bedeuten, dass Israels Bemühungen weiterhin eine unverhältnismäßig große Wirkung haben würden, selbst wenn der Iran über beträchtliche Raketenvorräte in unterirdischen Tunneln und Bergwerken verfügt.

Iranische Gegenangriffe

Die letztendliche Reaktion des Iran in Form von ballistischen Raketenangriffen verdient ebenfalls Beachtung. Mehrere Videos, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen, wie Sprengköpfe in der Innenstadt von Tel Aviv einschlagen.

In einer ersten Einschätzung bezeichnete der Autor dies als den bislang größten konventionellen „Countervalue“-Angriff mit ballistischen Raketen in der Geschichte. Ein solcher Angriff richtet sich gegen zivile Bevölkerungszentren, kritische Infrastruktur und wirtschaftlich bedeutsame Ziele, mit dem Ziel, größtmöglichen gesellschaftlichen Schaden zu verursachen.

Diese Einschätzung wurde von einigen Analysten kritisiert, die argumentierten, es gebe keine eindeutigen Beweise dafür, dass der Iran bewusst zivile oder wirtschaftliche Ziele angegriffen habe, und vermuteten, dass die beabsichtigten Ziele militärische Infrastrukturen gewesen seien. Der Autor stimmt zu, dass es derzeit keine Beweise für eine bewusste Countervalue-Angriffstaktik gibt.

Doch selbst wenn der Angriff nicht als Countervalue-Schlag gedacht war, war er doch eindeutig als solcher wirksam – und der Iran muss sich dessen bewusst gewesen sein. Angesichts der nachgewiesenen Ungenauigkeit iranischer Mittelstreckenraketen in früheren Einsätzen wussten die iranischen Planer und die politische Führung, dass ein solcher Angriff erhebliche zivile Schäden riskierte.

Zumindest signalisiert der Angriff eine deutliche Lockerung der bisherigen Zurückhaltung des Iran. Die Aussicht, Countervalue-Effekte zu erzeugen, hat Teheran nicht abgeschreckt. Allerdings besteht ein klarer qualitativer Unterschied zwischen der gezielten Bekämpfung von Countervalue-Zielen und der Inkaufnahme entsprechender Effekte als Nebenfolge – ein Unterschied, den der Autor in seiner ersten Einschätzung nicht vollständig berücksichtigt hat.

Israelische Versuche der Enthauptung

Schließlich scheint Israel eine recht beeindruckende und wirksame Kampagne gegen die iranische Führung durchgeführt zu haben, die darauf abzielte, die militärische und politische Führung und Kontrolle des Iran zu schwächen.

Schläge gegen die Führung – manchmal auch als Enthauptung bezeichnet – nehmen seit langem einen prominenten Platz in der Doktrin der US-Luftwaffe ein. Vor allem Colonel John Warden stellte die feindliche Führung in den Mittelpunkt seines viel diskutierten (und umstrittenen) „Fünf-Ringe-Modells“, das die wichtigsten Ziele umreißt, die in einer strategischen Luftkampagne verfolgt werden müssen.

In der Praxis haben gezielte Angriffe gegen die Führung jedoch selten zu entscheidenden Ergebnissen geführt. Politische und militärische Führer erweisen sich oft als zu schwer fassbar und entziehen sich der Eliminierung, während die Kommando- und Kontrollstrukturen widerstandsfähig und anpassungsfähig bleiben. Selbst wenn die Führung neutralisiert wird, bleiben die Störungen meist begrenzt, da Ersatzpersonal schnell einspringt und die Auswirkungen nicht rasch genug durchschlagen, um spürbare taktische oder operative Effekte zu erzielen.

Die vollständigen Auswirkungen der israelischen Angriffe gegen die iranische Führung sind zwar noch nicht absehbar, doch erste Berichte deuten darauf hin, dass die Ausschaltung wichtiger Persönlichkeiten aus dem militärischen, politischen und wissenschaftlichen Bereich die iranische Führung möglicherweise daran gehindert hat, entschlossen zu reagieren, und ihre unmittelbare militärische Reaktion wirksam gestört hat.

Sollten sich diese Berichte bestätigen, könnte Israel eine der effektivsten zwischenstaatlichen Angriffe gegen die Führung in der Geschichte durchgeführt haben – und damit einen der seltenen Fälle, in denen solche gezielten Maßnahmen strategisch entscheidende Ergebnisse erzielt haben könnten.

Autor: Fabian Hoffmann ist Doktorand am Oslo Nuclear Project an der Universität Oslo. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verteidigungspolitik, Flugkörpertechnologie und Nuklearstrategie. Der aktualisierte Beitrag erschien erstmalig am 15.06.2025 in englischer Sprache im „Missile Matters“ Newsletter auf Substack.