Anzeige

Neue französisch-deutsche Deep Precision Strike Missile: Konkreter Vorschlag liegt bereits vor

Lars Hoffmann

Anzeige

Die deutsche und die französische Regierung haben sich kürzlich nach ihrem gemeinsamen Treffen in Meseberg darauf geeinigt, eine neue Waffe mit großer Reichweite zu entwickeln. Wohl nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg dürfte klar geworden sein, dass es mitunter erforderlich ist, Hochwert-Stellungen des Gegners in der Tiefe seines eigenen Landes auszuschalten, um nicht von dort angegriffen zu werden.

In den sogenannten Schlussfolgerungen des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats, der im Mai tagte, heißt es entsprechend: „Frankreich und Deutschland werden gemeinsam mit Partnern eine langfristige, umfassende und inklusive Zusammenarbeit im Bereich weitreichender Abstandswaffen eingehen, was auch mit einer Stärkung der europäischen verteidigungsindustriellen Basis mit dem Ziel der Verbesserung unserer militärischen Fähigkeiten einhergehen wird.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte wenige Wochen zuvor von einer Deep Precision Strike Missile gesprochen.

Anzeige

Die Umsetzung dieses Vorhabens könnte nun viel schneller erfolgen, als bei Rüstungsprogrammen sonst üblich. Denn es liegt bereits ein konkreter Konzeptvorschlag vor, wie aus Kreisen der französischen Regierung zu vernehmen ist. Wie es heißt, schlägt Frankreich vor, die Missile de Croisière Naval (MdCN) – frei übersetzt als Marinemarschflugkörper – als Basis für die Entwicklung der neuen französisch-deutschen Abstandswaffe zu verwenden.

Anzeige

Ein großer Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass die MdCN bereits rund einer Dekade erfolgreich bei den französischen Streitkräften im Einsatz ist und von Fregatten und sogar U-Booten verschossen werden kann. Laut einer Mitteilung des französischen Verteidigungsministeriums bestand die MdCN die finalen Abnahmetests 2014. Der Flugkörper soll Berichten zufolge auch bereits im scharfen Schuss gegen Chemiewaffen in Syrien eingesetzt worden sein. Die MdCN müsste also lediglich für den Start von einem Landfahrzeug und für die Navigation über Land ertüchtig werden. In Fachkreisen gilt dies als relativ einfach lösbare Aufgabe mit überschaubarem zeitlichen Aufwand.

Ein weiterer Vorteil der MdCN liegt in ihrer großen Reichweite. Frei verfügbaren Quellen zufolge fliegt die Waffe beim Start vom Schiff rund 1.000 km. Zum Vergleich: Der deutsche Taurus soll beim Launch von einer Flugzeugplattform eine Reichweite von 500 km aufweisen.

Und der dritte Vorteil besteht darin, dass die MdCN bereits im Rahmen eines europäischen Gemeinschaftsunternehmens produziert wurde. Hersteller ist nämlich der Lenkflugkörperspezialist MBDA. Auch wenn im Augenblick offenbar keine Komponenten – auch nicht der Gefechtskopf – von MBDA Deutschland stammen, müsste dies in Zukunft sicherlich nicht zu bleiben.

MBDA-Angaben zufolge wurde der 1.400 kg schwere und 6,50 Meter lange Flugkörper unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit den luftgestützten Cruisse Missiles Storm Shadow/SCALP entwickelt, die auf ein europäisches Programm unter Beteiligung von Frankreich, Italien und Großbritannien zurückgehen.

MBDA schreibt in den Produktinformationen, dass die im hohen Unterschallbereich fliegende MdCN in der Lage ist, strategische und militärische Ziele mit außergwöhnlicher Präzision aus extrem großer Entfernung zu treffen. Gegenwärtig erfolgt der Start entweder aus einem Launcher des Typs A70 SYLVER oder aus dem 533mm-Torpedorohr eines getauchten U-Bootes.

Sollten die Angaben zutreffen, dürfte es sich um den europäischen Marschflugkörper mit der größten Reichweite handeln. Als Alternative käme wohl nur eine Waffe wie die Tomahawk aus US-Produktion in Frage. Angestrebt wird laut Meseberger Schlussfolgerungen bei dem Vorhaben jedoch die Stärkung der europäischen verteidigungsindustriellen Basis. Dem Vernehmen nach läuft die Abstimmung gegenwärtig nur auf Regierungsebene. Da das deutsch-französische Tandem zuletzt sowohl beim Future Combat Air System als auch beim Main Ground Combat System große Einigkeit gezeigt und deutliche Fortschritte gemacht hat, könnte dies als positives Vorzeichen für die neue Abstandswaffe gewertet werden.

Lars Hoffmann