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Konkreter Vorschlag für HOT-Nachfolgesystem liegt vor

Frankreich und Deutschland wollen einen Rahmen für die Kooperation bei der nächsten Generation des Tiger-Kampfhubschraubers und bei einem gemeinsamen Programm für taktische Luft/Boden-Flugkörper für diesen Helikopter schaffen. Das haben beide Länder im Anschluss an die Sitzung des bilateralen Verteidigungs- und Sicherheitsrats Mitte Juli dieses Jahres erklärt.

Konkret geht es dabei um ein Nachfolgesystem für das veraltete Panzerabwehrraketensystem HOT, das einst von der Bundeswehr für den Hubschrauber BO-105 beschafft wurde und noch immer für den Tiger genutzt wird. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, hat die europäische Rüstungsagentur OCCAR erst vor kurzem für die Tiger-Nutzernationen die sogenannte Tiger-MK3-Studie abgeschlossen, die sich mit der Weiterentwicklung und Modernisierung der in Deutschland, Frankreich, Spanien und Australien befindlichen Tiger-Kampfhubschrauber befasst.

Ein Schwerpunkt des zukünftigen Fähigkeitsprofils ist demnach die Luft-Boden-Bewaffnung mit lasergelenkten 70mm-Raketen sowie mit einer modernen Luft-Boden-Hauptbewaffnung. Den Kreisen zufolge soll  es für den Einsatz bei den deutschen und französischen Heeresfliegern eine weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Nationen über die Fähigkeitsanforderungen an die Hauptbewaffnung geben.

Vor diesem Hintergrund hat der europäische Lenkwaffenhersteller MBDA dem Vernehmen nach erste Vorarbeiten für die Entwicklung eines Luft-Boden-Flugkörpers – der so genannten European Modular Missile oder EMM  –  und dessen Integration in den Tiger geleistet. Darüber hinaus wurde offenbar von MBDA ein Lösungsvorschlag für die operationellen Fähigkeitsanforderungen erarbeitet, der auch die industrielle Balance zwischen Deutschland und Frankreich berücksichtigt.

Beobachtern zufolge nutzt EMM in einer Art Baukastenprinzip  sowohl vorhandene als auch in anderen Programmen in der Entwicklung befindliche Technologien aus Deutschland und Frankreich. Damit soll dem Vernehmen nach sichergestellt werden, dass die gemeinsame Bewaffnung zu reduzierten Kosten und mit einem geringen Entwicklungsrisiko innerhalb der gesetzten Zeitvorgaben des Tiger-Mk3-Programms umgesetzt werden kann.

Reichweite von mehr als 10 km

Den Kreisen zufolge soll der Flugkörper über eine Reichweite deutlich oberhalb von 10 km verfügen, um abstandsfähig mittels eines Multifunktionsgefechtskopfes gegen ein breites Zielspektrum wirken zu können. Mit der hohen Reichweite soll augenscheinlich verhindert werden, dass der als Plattform fungierende Hubschrauber in den Wirkungsbereich der gegnerischen Heeres-Flugabwehr gerät. Der gegenwärtig für die deutschen Tiger in der Beschaffung befindliche Flugkörper Pars soll dagegen nur eine Reichweite von weniger als  10 km haben.

Die Spezifikationen für den EMM sehen offenbar vor, dass ein hochmoderner elektro-optischer Suchkopf es dem Hubschrauber ermöglicht, nach dem Launch der Rakete frühzeitig abzudrehen. Trotzdem soll der Schütze – falls notwendig – steuernd in den Bekämpfungsablauf eingreifen können, um das Ziel punktgenau zu treffen, Zielwechsel vorzunehmen oder den Angriff  komplett abzubrechen.

Mit diesen Eigenschaften würde die neue Waffe die Forderungen des Heeres widerspiegeln, die in Zukunft auf den verstärkten Einsatz von so genannten Non-Line-of-Sight-Waffen setzt, um die Gefährdung der eigenen Soldaten zu verringern. EMM-Flugkörper wären womöglich auf für den Launch von schwach gepanzerten Light-Attack-Helikoptern mit dem Airbus H145 geeignet.

Spike als Konkurrenz

Als Konkurrenz für EMM gelten Produkte aus der Spike-Familie des israelischen Herstellers Rafael, der mit der deutschen Firma Diehl eine strategische Partnerschaft eingegangen ist.  Eine Version der Spike  ist bereits in den Tiger-Hubschraubern der spanischen Streitkräfte eingerüstet. Ob Rafael und Diehl bei der neuen Hauptbewaffnung für den Tiger vor dem Hintergrund der engen deutsch-französischen Kooperation mit einem eigenen Angebot eine Chance haben, bleibt abzuwarten.

Hinsichtlich der Modernisierung des Tigers auf die MK3-Version wird  auf deutscher Seite gegenwärtig noch die OCCAR-Studie ausgewertet. Wie es aus Regierungskreisen in Berlin heißt, hat Frankreich einen dringenderen Modernisierungsbedarf. Deutschland warte deshalb auf die französischen Vorschläge für die MK3-Version. Dabei solle es jedoch „keine Denkverbote in irgendeine Richtung“ geben. So wird offenbar auch die Neuentwicklung wesentlicher Komponenten des Tigers nicht von vorneherein ausgeschlossen.
lah/7.11.2017

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