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MBDA will an drei Konzeptlinien gleichzeitig forschen

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Der europäische Flugkörperkonzern MBDA bereitet sich gegenwärtig auf eine Studie zur Konzeptarchitektur und Technologiereifung eines neuen endoatmosphärisch wirkenden Interceptors gegen Hyperschallwaffen vor. Dabei will MBDA drei verschiedene Konzepte mit unterschiedlichen Antrieben untersuchen, wie das Unternehmen in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Paris Air Show mitteilte.

An der Studie mit der Bezeichnung HYDIS² (HYpersonic Defence Interceptor Study) arbeiten laut MBDA 19 Partner und mehr als 30 Unterauftragnehmer aus 14 europäischen Ländern zusammen.  Beobachter gehen davon aus, dass eine Beauftragung für das vom European Defence Fund (EDF) finanzierten Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren in Kürze erfolgen könnte. Für das Vorhaben hat die EU einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 80 Millionen Euro vorgesehen. Welcher Anteil aus den Ländern der teilnehmenden Unternehmen noch dazukommt, wurde nicht mitgeteilt. Mit der Umsetzung des Vorhabens soll die europäische Verteidigungsagentur OCCAR betraut werden.

Beobachter gehen davon aus, dass mit der Studienvergabe an MBDA der Konzern seine Klage gegen die Auswahlentscheidung des EDF vom Juli vergangenen Jahres zurückziehen wird. Damals hatte der EDF mitgeteilt, das Forschungsprogramm EU HYDEF mit einem Volumen von 110 Millionen Euro zur Entwicklung eines Flugkörpers zur Abwehr von Hyperschallwaffen an ein vom spanischen Unternehmen Sener Aerospacial koordiniertes Konsortium zu vergeben.  Die damalige Vergabe von HYDEF an das Konsortium um Sener statt an eine Gruppe um MBDA France war für viele Experten überraschend gekommen. Neben Sener ist der deutsche Technologiekonzern Diehl der wichtigste Player im HYDEF-Konsortium. Diehl verantwortet die technische Entwicklung.

Ein Konzept für den Aquila-Flugkörper war auf der Paris Air Show zu sehen. Foto: lah

Später war die EU-Kommission – ob aus eigenem Antrieb oder nach Intervention von Mitgliedsländern, ist nicht überliefert – zu dem Schluss gekommen, dass ein einziges Förderprojekt für einen Hyperschallabwehrflugkörper nicht ausreicht. Deshalb wurde die Direktvergabe einer zweiten Studie zum gleichen Thema an eine Gruppe von Firmen und Organisationen unter Führung von MBDA France vorbereitet.

Wird MBDA mit der HYDIS²-Studie betraut, würden damit zwei europäische Konsortien parallel an Lösungen für Hyperschall-Abwehrflugkörper arbeiten. Die Ergebnisse der Studien könnten dann womöglich nach Abschluss zusammengeführt werden. Deutschland kommt dabei offenbar eine besondere Rolle zu, denn mit der Teilnahme von Diehl an HYDEF und MBDA Deutschland and HYDIS² erhält es dem Vernehmen nach als einziges Land in Europa mit umfangreichen Flugkörper-Produktionskapazitäten den Zugang zu den Informationen aus beiden Vorhaben. Für die Evaluierung der Ergebnisse und als Grundlage für weitere Entscheidungen sicherlich ein großer Vorteil – zumal sich Deutschland als Führungsnation in punkto Luftverteidigung sieht.

MBDA zufolge ist es das Ziel von HYDIS², neben dem Entwurf verschiedener Abfangkonzepte auch die damit verbundenen kritischen Technologien zur Reife zu bringen. Wie am Rande der Pressekonferenz in Le Bourget deutlich wurde, sieht eines der Konzepte die Nutzung eines Staustrahltriebwerks vor, wie es von der MBDA-Deutschland-Tochter Bayern-Chemie produziert wird und bereits in der Luft-Luft-Lenkwaffe Meteor verbaut ist.

Mit dem vorgestellten Ansatz solle die beste Abfanglösung gefunden werden, die die Bedürfnisse der vier Mitgliedsstaaten – Frankreich, Italien, Deutschland und die Niederlande – erfülle und dem europäischen Fähigkeitsprogramm TWISTER gerecht werde. Teil der Konzeptstudie würden auch Test sein, hieß es auf der Pressekonferenz.

Seit mehr als fünf Jahren arbeitet MBDA nach eigenen Angaben an innovativen Optionen für die Abwehr von Hyperschallbedrohungen, die auf der Erfahrung mit dem ASTER-Raketenabfangsystem und umfassenden Kenntnissen der Bedrohungen aufbauen. Es handele sich dabei um das Projekt Aquila, so die interne Bezeichnung.

Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande haben MBDA zufolge ihre Unterstützung und ihr Engagement für HYDIS² bereits durch die Unterzeichnung einer Absichtserklärung und die Vereinbarung erster gemeinsamer Anforderungen bestätigt.
lah/27.6.2023

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