Das Verteidigungsministerium will aufgrund der aktuellen Bedrohungslage möglichst schnell in den Beschaffungsprozess eines marktverfügbaren Drohnensystems für die Marine einsteigen.
Dagegen wurde eine ursprünglich geplante Test- und Evaluationskampagne, bei der das Zusammenwirken der Drohne MQ-9 SeaGuardian mit dem neuen Seefernaufklärer P-8A Poseidon in Abstimmung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung, Inspekteur Marine und dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) abgesagt. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion an die Bundesregierung aus dem Juni hervor.
Nun wird spekuliert, welches Modell beschafft werden soll. „Für eine zeitnahe und marktverfügbare Beschaffung eines geeigneten Systems zur unbemannten maritimen Aufklärung Über- und Unterwasser werden aktuell unterschiedliche Systeme betrachtet“, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dazu mit. Die finale Produktauswahl sei noch nicht erfolgt.
Im Zielbild Marine 2035+, das im vergangenen Jahr vom Marinekommando veröffentlicht wurde, schreiben die Planer, dass sie in Zukunft sechs Unmanned Aerial Systems – also Drohnen – als Ergänzung zu den acht Seefernaufklärern des Typs P-8A Poseidon benötigen. Diese sollen für den Seekrieg Unter-/Überwasser sowie für die Aufklärung befähigt sein.
Vor diesem Hintergrund gehen Beobachter davon aus, dass die angestrebte Beschaffung auf die MQ-9B SeaGuardian des US-Konzerns General Atomics Aeronautical Systems (GA-ASI) herauslaufen könnte. Schließlich wurde diese MALE-Drohne (Medium Altitude Long Endurance) vom Hersteller in den vergangenen Jahren speziell für den maritimen Einsatz weiterentwickelt und bereits im Zusammenspiel mit der P-8 getestet. So kann das unbemannte Flugzeug laut GA-ASI verschiedene Daten, von akustischen bis hin zu Zieldaten, in verschiedenen Formaten an den Poseidon-Seefernaufklärer übertragen. Dabei könne der Link 16 genutzt werden. Bereits eingerüstet sei ein 360-Grad-Radar für maritime Anwendungen von Raytheon.
Darüber hinaus habe die MQ-9B erstmals 2021 den Abwurf von Sonarbojen getestet. Dazu kann das Flugzeug mit bis zu vier Dispenser-Pods ausgestattet werden, die jeweils zehn Boje der Stufe A enthalten. Die MALE-Drohne könne bei Bedarf auch lange über einem Bojenfeld kreisen und die Signale erfassen und an sich abwechselnde P-8 weitergeben. Laut Hersteller sind ohne weitere Beladung – die Nutzlast liegt bei über zwei Tonnen – für die reine Aufklärung Operationszeiten von mehr als 30 Stunden realisierbar. Noch nicht getestet wurde dagegen der Einsatz von Torpedos zur U-Boot-Bekämpfung.
Nach Angaben von GA-ASI erhalten die firmeneigenen Drohnen bei Seemanövern die Aufträge von der U.S. Navy. Das werde in Kürze bei der gegenwärtigen Übung RIMPAC 2024 wieder erfolgen. Die U.S. Navy selbst ist kein Nutzer der MQ-9B.
Als weitere mögliche Option für eine Marinedrohne wird in Fachkreisen die German Heron TP gesehen, die seit Mitte Mai im Testflugbetrieb vom Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein steht. Den Angaben der Luftwaffe als Nutzer zufolge handelt es sich um das erste unbemannte Luftfahrzeug, das mit einer deutschen, uneingeschränkten Verkehrszulassung mit weltweiter Gültigkeit betrieben wird. Es könne in allen kontrollierten zivilen und militärischen Lufträumen fliegen. Die GHTP wird bei der israelischen Firma IAI geleast, die technisch-logistische Versorgung stellt die Firma Airbus DS Airborne Solutions GmbH sicher. Auch soll es bereits Tests mit einem speziellen Marineradar gegeben haben, die Ausstattung mit weiteren Komponenten zur Seekriegsführung dürfte ebenso möglich sein. Allerdings scheint das UAV bei Anwendungstests für den Einsatz als Marine-Drohne hinter der MQ-9B zurückzuliegen.
Die Einbindung von Drohnen in die maritime Operationsführung scheint für Nutzer interessant zu sein. So entwickelt Airbus Defence and Space gegenwärtig mit der Eurodrohne ein zweimotoriges UAV, das speziell für den Einsatz in der Seefernaufklärung und U-Boot-Jagd ausgelegt sein wird und Anfang der kommenden Dekade zur Verfügung stehen soll. Japan ist bereits offiziell Beobachter des Programms. Darüber hinaus soll es noch weitere Interessenten geben.
Für die Deutsche Marine geht es jetzt zunächst darum, eine Drohne auszuwählen und den Beschaffungsprozess zu beginnen. Neben MQ-9B und German Heron TP als Optionen hat sich jüngst auch die Lufthansa Technik mit der Hermes-Drohne von Elbit Systems ins Spiel gebracht.
Vor dem Hintergrund des hohen Zeitrucks aufgrund der Bedrohungslage dürfte eine Lösung mit möglichst geringen Entwicklungszeiten und -risiken im Fokus stehen, was die Chancen für die SeaGuardian erhöht.
Lars Hoffmann