Der Konflikt in Berg-Karabach hat gezeigt, dass Loitering Munition maßgeblich zum Erfolg auf dem Gefechtsfeld beitragen kann. Das Potenzial dieses Waffensystems wurde seitdem nicht nur durch die deutsche wehrtechnische Industrie – die mit unterschiedlichen Ansätzen Markterfolge erzielen will – erkannt, auch die Bundeswehr bewertet das damit verbundene Wirkmittelkonzept als vielversprechend. Daher arbeiten die deutschen Streitkräfte an einer Roadmap für einen potenziellen Einsatz dieser Technologie.
Als Loitering Munition wird ferngesteuerte Präzisionsmunition bezeichnet, die auch ohne präzise Zielkoordinaten gestartet werden und dann längere Zeit über einem Zielgebiet kreisen kann, bis ein lohnendes Ziel entdeckt und bekämpft wird. Neben der Zielbekämpfung kann Loitering Munition auch für Aufklärungszwecke eingesetzt werden.
Anfang November wurde durch eine schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) bekannt, dass die Bundeswehr die Technologie untersucht. „Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr führt derzeit eine Studie zur Erstellung einer Forschungs- und Technologie-Roadmap für Loitering Munition mit dem Auftragnehmer AMDC GmbH durch. Eine Marktsichtung ist Teil der Studie“, antwortete der parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn am 4. November auf die Anfrage.
Eine Sprecherin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) bestätigte auf Anfrage der S&T, dass das Amt einen Auftrag erhalten hat, eine Roadmap zu erstellen. „Bei ‚Loitering Munition‘ handelt es sich um ein relativ neues, kostengünstiges und vielversprechendes Wirkmittelkonzept“, sagte die Sprecherin. Die Details und der Fokus der Studie sind ihren Worten zufolge eingestuft. Sie fügte jedoch an, dass es sich bei der Studie um eine weltweite Marktsichtung handele, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren angelegt sei. Know-how-Träger der deutschen Industrie sowie der Bundeswehr liefern nach Angaben des BAAINBw Input für die Roadmap. Das Rüstungsamt rechnet in der zweiten Novemberhälfte 2023 mit Studienergebnissen, welche jedoch eingestuft sein werden.
Welche Unternehmen genau an der Studie beteiligt sind, ist unklar. Öffentlich bekannt ist aber, dass sowohl Rheinmetall als auch Diehl Defence Erfahrungen im Bereich von Loitering Munition aufweisen.
So hat Rheinmetall in Zusammenarbeit mit dem Partner Israel Aerospace Industries (IAI) bereits vor zehn Jahren umfangreiche Demonstrationen eines WABEP-Systemverbunds durchgeführt. Bei WABEP handelte es sich um das „Wirksystem zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen“ – einem Verbund bestehend aus der Aufklärungsdrohne KZO und der israelischen Loitering Munition vom Typ Harop. Die KZO sollte die Ziele aufklären und die Harop diese im Anschluss präzise bekämpfen. Obwohl die Tests erfolgreich verlaufen waren, stellte die Bundeswehr das Programm vor knapp einem halben Jahrzehnt ohne Angabe von Gründen ein. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern hat das Thema wohl jüngst wieder für sich entdeckt und ist eine Kooperation mit UVision, einem israelischen Hersteller von Loitering Munition, eigegangen. „Die Vereinbarung bündelt die Fähigkeiten beider Unternehmen, um den europäischen Markt mit präzisen, kampferprobten Waffensystemen zu versorgen“, hieß es dazu in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Unternehmen.
Die Kooperation sieht vor, dass UVision marktreife und einsatzbewährte Technologien und Produkte zur Verfügung stellt, die dann gemeinsam mit Rheinmetall weiterentwickelt werden sollen. Rheinmetall bringt seine industrielle Basis ein und ist neben dem Europavertrieb für Qualifizierungsthemen gemäß NATO-Standards zuständig. Auch eine Integration der Wirkmittel in Rheinmetalls bemannte und unbemannte Gefechtsfahrzeuge ist vorgesehen. In der gemeinsamen Mitteilung wird der Schützenpanzer Lynx als einziges Fahrzeug explizit erwähnt.
Diehl Defence hat dagegen erst vor wenigen Wochen erstmals öffentlich seine Eigenentwicklungen im Bereich der Loitering Munition auf dem Herbstsymposium des Förderkreis Deutsches Heer e.V in Oberndorf vorgestellt. Das als Libelle bezeichnete Wirkmittel gibt es demnach in zwei unterschiedlichen Varianten – eine kleinere Version für den abgesessenen Einsatz sowie eine größere Variante für die Integration auf Fahrzeugen. Beide sind wiederverwendbar und für die Panzerabwehr konzipiert.
wg/29.11.2021