In den frühen Morgenstunden des 7. Mai startete Indien eine Flugkörper- und Luftangriff – genannt Operation Sindoor – gegen neun Orte in Pakistan und der von Pakistan verwalteten Region Kaschmir. Die Operation wurde als Vergeltungsmaßnahme für den Anschlag vom 22. April in Pahalgam dargestellt, bei dem 26 Zivilisten, die meisten von ihnen indische Touristen, getötet wurden. Nach Angaben indischer Regierungsvertreter zielten die Angriffe auf terroristische Infrastrukturen, die mit Gruppen wie Jaish-e-Mohammed und Lashkar-e-Taiba in Verbindung stehen.
Während Berichten zufolge mehrere Ziele innerhalb Pakistans getroffen wurden, konzentrierte sich die größere Aufmerksamkeit auf den offensichtlichen Erfolg der pakistanischen Luftwaffe beim Abschuss mehrerer indischer Flugzeuge – darunter ein Mehrzweckkampfflugzeug vom Typ Dassault Rafale F3R, die modernste Plattform in Indiens Bestand, die erst im Juli 2020 eingeführt wurde. Dieser Beitrag fasst die verfügbaren Informationen zusammen und skizziert einige erste Auswirkungen.
Waffensysteme und Verluste
Indischen Quellen zufolge setzten die indischen Streitkräfte während des Angriffs SCALP-EG- Marschflugkörper und AASM HAMMER-Gleitbomben ein. Es ist anzunehmen, dass Indien die Exportvariante des SCALP-EG einsetzt, die eine reduzierte Reichweite von etwa 250 Kilometern hat. Die HAMMER-Gleitbomben haben eine maximale Reichweite von bis zu 70 Kilometern, vorausgesetzt, sie werden in optimaler Höhe und mit optimaler Geschwindigkeit (d. h. große Höhe/hohe Geschwindigkeit) abgeworfen.
Nach dem Angriff tauchten in den sozialen Medien zudem Bilder auf, die die Booster-Sektion und die Nasenkappe eines BrahMos PJ-10-Marschflugkörpers zeigen, die auf indischem Gebiet geborgen wurden. Beide Komponenten werden kurz nach dem Start des Marschflugkörpers abgeworfen, was darauf hindeutet, dass der Flugkörper bei der Operation eingesetzt wurde. Die BrahMos ist ein Überschall-Marschflugkörper, der auf der russischen 3M55 Oniks basiert und von dem indisch-russischen Joint Venture BrahMos Aerospace entwickelt wurde. Sie hat eine Reichweite von 300-500 Kilometern (je nach Variante).
Anstatt sich jedoch auf die getroffenen Ziele und die verwendete Munition zu konzentrieren, lag das Hauptaugenmerk auf den indischen Verlusten. Denn bereits kurz nach der Operation berichteten indische Nachrichtenagenturen, dass Pakistan mehrere indische Kampfjets abgeschossen habe, die an dem Angriff beteiligt waren. Diese Berichte wurden später gelöscht, wahrscheinlich auf Druck von Regierungsvertretern – ein Muster, das im Zusammenhang mit früheren militärischen Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan nicht ungewöhnlich ist.
Gleichwohl sind inzwischen einige indische Verluste bestätigt worden, und die vorliegenden Beweise werfen kein gutes Licht auf die Performance der indischen Luftwaffe.
Bilder von Wrackteilen deuten darauf hin, dass Indien mindestens eine Mirage 2000H, eine MiG-29UPG oder Su-30MKI (auf den Bildern der Wrackteile ist der Schleudersitz K-36DM zu sehen, der in beiden Flugzeugen verwendet wird, so dass die Identifizierung unsicher ist) und eine Dassault Rafale F3R verloren hat. Von diesen wurde nur der Abschuss der Rafale offiziell bestätigt – laut CNN von einem hochrangigen französischen Geheimdienstmitarbeiter.
Interessanterweise wurden alle Wrackteile innerhalb des indischen Hoheitsgebiets gefunden, teilweise bis zu 100 km hinter der Grenze, was darauf hindeutet, dass die indischen Flugzeuge wahrscheinlich nicht versucht haben, in den pakistanischen Luftraum einzudringen. Dies würde auch mit dem Einsatz von Abstandsmunition korrespondieren.
Um die indischen Mehrzweckkampfflugzeuge abzuschießen, setzte Pakistan Berichten zufolge die PL-15E ein – eine Behauptung, die durch sichergestellte Raketentrümmer und Komponenten gestützt wird. Bei der PL-15E handelt es sich um die Exportversion der chinesischen PL-15-Luft-Luft-Rakete mit größerer Reichweite (im Englischen: Beyond Visual Range Air-to-Air Missile – BVRAAM). Sie soll in der Lage sein, Ziele in einer Entfernung von ca. 145 km bekämpfen zu können, verglichen mit 200-300 km bei der inländischen Variante. Der Flugkörper ist mit einem Doppelimpuls-Motor ausgestattet, der eine Ausbrenngeschwindigkeit von über Mach 5 ermöglicht, bevor der Flugkörper allmählich abbremst. Die anfängliche Kursführung erfolgt über einen Datenlink, während ein aktiver AESA-Radarsuchkopf die terminale Zielerfassung übernimmt.
Die PL-15E ist in die pakistanischen Kampfflugzeuge JF-17 Block III und J-10CE integriert. Die J-10CE ist mit einem größeren Nasenkonus und einem leistungsfähigeren AESA-Radar ausgestattet und kann Ziele auf Entfernungen erkennen und verfolgen, die die maximale Reichweite der PL-15E übersteigen. Das kleinere AESA-Radar der JF-17 Block III hat dagegen nur eine Erfassungsreichweite von 100-120 km und kann daher nicht die volle Reichweite des Flugkörpers ausnutzen. Da sich die abgeschossenen indischen Flugzeuge tief im indischen Hoheitsgebiet befanden, liegt es nahe, dass J-10CE-Flugzeuge zum Abschuss der PL-15E-Raketen verwendet wurden. Dies bleibt jedoch unbestätigt, und die Führung der Rakete könnte auch von anderen Flugzeugen übernommen worden sein – insbesondere von den pakistanischen Saab 2000 Erieye AEW&C-Flugzeugen, von denen bekannt ist, dass die pakistanische Luftwaffe neun Stück betreibt.
Auswirkungen
Der Einsatz hat mehrere Auswirkungen. Erstens war dies kein guter Tag für die indische Luftwaffe. Historisch gesehen hat Indien in der Luft einen qualitativen Vorsprung gegenüber Pakistan. Da Pakistan in den letzten Jahren jedoch fortschrittlichere chinesische Plattformen erworben hat, vermuten Beobachter, dass sich der technologische Rückstand verringern könnte. Die Ereignisse der letzten Nacht scheinen diese Einschätzung zu untermauern.
Allerdings dürfte operative Faktoren für das Ergebnis des Einsatzes eine größere Rolle gespielt haben als die Technologie. Wie bereits erwähnt, scheint Indien während des Angriffs ausschließlich auf Abstandsmunition zurückgegriffen zu haben, d. h. seine Flugzeuge hatten keine Notwendigkeit, sich in dem umkämpften Luftraum aufzuhalten. Anstatt zu ihren Stützpunkten zurückzukehren, führten sie wahrscheinlich defensive Luftverteidigungseinsätze durch und rechneten mit möglichen pakistanischen Vergeltungsmaßnahmen. Dabei schätzten die indischen Piloten jedoch eindeutig den Wirkungsbereich der pakistanischen Kampfjets falsch ein.
Es ist auch möglich, dass Einsatzregeln indische Piloten daran hinderten, zuerst das Feuer zu eröffnen, basierend auf der Annahme, dass Pakistan keine Ziele im indischen Luftraum angreifen würde und um Zurückhaltung zu signalisieren. Falls dies tatsächlich der Fall war, scheinen die politischen und militärischen Entscheidungsträger Indiens die Lage schwerwiegend falsch eingeschätzt zu haben.
Zweitens wirft der Vorfall ein gutes Licht auf die pakistanischen Luftstreitkräfte. Pakistan hat den Angriff eindeutig vorhergesehen, die entsprechenden Gegenmaßnahmen ergriffen und mehrere indische Flugzeuge erfolgreich abgeschossen. Dabei schloss es eine ziemlich komplexe Wirkungskette (im Englischen: Kill Chain), die Frühwarnung, Überwachung, Zielerfassung, Verfolgung und Bekämpfung umfasste. Dies ist keine geringe Leistung und lässt auf ein gewisses Maß an Professionalität und technischen Fähigkeiten schließen.
Allerdings konnte Pakistan den Angriff nicht vollständig verhindern und erlitt dennoch Schäden auf eigenem Territorium. Der Erfolg ist daher relativ und vor allem im Vergleich zu früheren Einsätzen zu bewerten, bei denen indische Flugzeuge in und um den pakistanischen Luftraum operierten, ohne auf nennenswerte Gegenmaßnahmen zu stoßen.
Drittens wirft der erste bestätigte Kampfverlust eines modernen Rafale-Kampfjets einen Schatten auf die bisher überwiegend positive Berichterstattung über Dassault. In den vergangenen Jahren wurde die Rafale vor allem aufgrund ihres Exporterfolgs und ihres Rufs als leistungsfähiges Mehrzweckkampfflugzeug gelobt. Der Vorfall dürfte einen Rückschlag für dieses Narrativ darstellen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Rafale eine schlechte Plattform ist (ein anderer Flugzeugtyp, wie der Eurofighter oder F-16, hätte vielleicht genau die gleiche Leistung erbracht). Es unterstreicht jedoch seine Grenzen als Flugzeug der vierten Generation, insbesondere im Hinblick auf die Überlebensfähigkeit. Auch wenn unklar bleibt, inwieweit dieser Vorfall auf die Beschränkungen der Plattform oder auf operationelle Fehler zurückzuführen ist – wobei letztere wahrscheinlich der entscheidendere Faktor sind –, kann man davon ausgehen, dass pakistanische Flugzeuge nicht in der Lage gewesen wären, ein Tarnkappenflugzeug der fünften Generation wie die F-35 bei ähnlichen Entfernungen zu erfassen und zu verfolgen, da ihr Radarquerschnitt deutlich geringer ist.
Viertens wirft der Luft-Luft-Einsatz ein positives Licht auf die chinesische Luft- und Raumfahrttechnologie. Der Flugkörper chinesischer Herkunft sowie die Plattformen, mit denen er eingesetzt wurde, haben sich offenbar bewährt. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass chinesische Waffensysteme ernst genommen werden müssen. Während russische Technologie in den jüngsten Konflikten wiederholt unter den Erwartungen blieb, gibt es keinen überzeugenden Grund zu der Annahme, dass chinesische Systeme in einem Taiwan-Konflikt ähnlich abschneiden würden.
Fünftens, und damit zusammenhängend, gibt es wahrscheinlich etwas, das westliche – und insbesondere amerikanische – Militärgeheimdienste aus diesem Einsatz in Bezug auf chinesische Technologie mitnehmen können. Dies ist der erste bestätigte Einsatz der PL-15E, und wie bereits erwähnt, wurden Teile des Flugkörpers, einschließlich Komponenten des AESA-Radars, geborgen. Die US-Militärnachrichtendienste werden dieses Material wahrscheinlich als wertvoll erachten und können daraus möglicherweise Erkenntnisse über die Konstruktion, die Lenksysteme und die Leistungsmerkmale chinesischer Flugkörper gewinnen – vorausgesetzt, dass man sich diese Daten nicht schon vorher auf andere Weise beschafft hat.
Derzeit ist unklar, ob und wie Pakistan auf den indischen Angriff reagieren will. Die Tatsache, dass es offenbar gelungen ist, mehrere indische Flugzeuge abzuschießen, könnte zu einer zurückhaltenderen Reaktion führen, da pakistanische Entscheidungsträger möglicherweise davon ausgehen, dass der Verlust hochwertiger Luftfahrtsysteme und der damit verbundene Reputationsschaden bereits eine Form der Vergeltung darstellen. Ein pakistanischer Gegenschlag hingegen könnte die Eskalationsspirale weiter antreiben.
Autor: Fabian Hoffmann ist Doktorand am Oslo Nuclear Project an der Universität Oslo. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verteidigungspolitik, Flugkörpertechnologie und Nuklearstrategie. Der Beitrag erschien erstmalig am 8.05.2025 in englischer Sprache im „Missile Matters“ Newsletter auf Substack.