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Hersteller des Triebwerks noch nicht ausgewählt

Der Prozess zur Beschaffung des europäischen Medium Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft System (MALE RPAS – oder kurz Eurodrohne) hat im November einen weiteren Meilenstein erreicht. Wie es in einer Pressemitteilung der europäischen Rüstungsagentur OCCAR heißt, haben Airbus Defence and Space (ADS) und die wichtigsten Unterauftragnehmer Leonardo, Dassault Aviation sowie die spanische Airbus Defence and Space SAU am 18. November das so genannte Best And Final Offer (BAFO) für die Eurodrohne bei der Agentur eingereicht.

Das BAFO umfasse die Entwicklung, die Produktion und die anfängliche In-Service-Unterstützung für fünf Jahre von 20 Systemen mit jeweils drei Drohnen. Die Gesamtvertragslaufzeit beträgt etwas mehr als 13 Jahre. Die OCCAR geht davon aus, dass bei einer Vertragsunterzeichnung Anfang kommenden Jahres der Erstflug der neuen Drohne im Jahr 2025 erfolgen kann.

Laut dem aktuellen Rüstungsbericht des BMVg wird der Vertragsschluss im ersten Quartal 2021 angestrebt. „Die ersten Luftfahrzeuge werden bei einem Vertragsschluss Anfang 2021 voraussichtlich ab dem Jahreswechsel 2028/2029 ausgeliefert.“ Auch Airbus geht von einem Vertragsschluss in den ersten drei Monaten kommenden Jahres aus, wie es auf dem jüngsten Trade Media Briefing des Unternehmens hieß. Alle MALE RPAS sollen in Manching endmontiert werden. Deutschland als Führungsnation will 21 Maschinen, Italien 15, Spanien und Frankreich jeweils 12 Maschinen beschaffen.

Triebwerk noch nicht bestimmt

Allerdings gibt es noch offene Punkte innerhalb des BAFO. So hat sich Airbus als Konsortialführer trotz Abgabe des finalen Angebots noch nicht auf einen Lieferanten der Triebwerke für die neue Drohne festgelegt.

Zur Auswahl stehen das französische Unternehmen Safran mit mehreren Partnern, darunter MTU-Propeller und ZF Luftfahrttechnik aus Deutschland (siehe dazu auch den Bericht vom 23. Juli 2020), sowie die italienische Firma Avio Aero – eine Tochter des US-Konzerns General Electric.  Dem Vernehmen nach haben beide Wettbewerber preislich zu hohe Angebote vorgelegt und wurden deshalb von Airbus aufgefordert, noch einmal nachzubessern. Wie es heißt, sollten die modifizierten Angebote in der vergangenen Woche abgegeben werden.  Nach Angaben von Airbus befindet sich der Konzern gegenwärtig mit den potenziellen Triebwerksherstellern in der finalen Verhandlungsrunde „Wir rechnen mit der Auswahlentscheidung in den nächsten sechs Monaten“, hieß es auf Nachfrage.

ADS hatte in der Vergangenheit damit geworben, dass die neue Eurodrohne ein wichtiger Bestandteil des Future Combat Air Systems (FCAS) werde. FCAS wiederum solle „ITAR free“ sein und damit nicht der US-Exportkontrolle für Rüstungsgüter unterliegen, sagte ADS-Chef Dirk Hoke im Juli dieses Jahres während einer Veranstaltung. Er betonte, dass Europa mit FCAS seine strategische, industrielle und technologische Souveränität sicherstellen werde. „Gleichzeitig ist FCAS mehr als nur ein militärisches Projekt. Es bietet vielmehr die Chance auf signifikante Spill-Over-Effekte in den zivilen Bereich, insbesondere in den Bereichen Vernetzung und Cloud-Architektur“, stellte der Spitzenmanager seinerzeit fest.

Unklar ist im Augenblick jedoch, inwieweit diese Aussage auch für die Eurodrohne zutrifft. Denn würde eine europäische GE-Tochter als Hersteller der Triebwerke ausgewählt, hätten letztlich ein zu einem Nicht-EU-Konzern gehörendes Unternehmen den Zuschlag erhalten. Airbus teilte dazu mit, dass der Konzern das Thema europäische Souveränität im Projekt Eurodrohne in erster Linie als rüstungspolitische Frage bewertet, die an die Kundenationen gestellt werden müsse. Es sei jedoch das erklärte Ziel von Airbus und seinen Industriepartnern, den europäischen Streitkräften ein „souveränes europäisches System“ anzubieten.  Was dies konkret bedeutet, erläuterte das Unternehmen jedoch nicht.

Unabhängig vom Triebwerk seien Exportbeschränkungen von Zulieferteilen von den jeweiligen Unterauftragnehmern zu benennen.  „Dabei achten wir streng auf die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden“, führte ein Airbus-Sprecher aus. „Airbus und seine Industriepartner verfolgen das klare Ziel, eine Lösung ohne signifikante Exportbeschränkungen durch andere Nationen anzubieten und derartige Risiken zu minimieren.“ Außerdem liege die Kontrolle zu einer möglichen Ausfuhr des Systems in der Hand der Kundennationen.

Nach Angaben von GE handelt es sich bei dem angebotenen Triebwerk mit dem Namen Catalyst um ein rein europäisches Produkt, das von mehreren europäischen Teams von GE und Avio Aero designt und entwickelt wurde. Einzelne Komponenten und Module des Triebwerks sollen laut GE in sechs europäischen Ländern produziert werden: Tschechien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien. Als Standort für die Endfertigung und Acceptance Tests der Zivilversion von Catalyst ist Tschechien vorgesehen. Bei Militärversionen des Triebwerks würden Italien oder Spanien als Standorte für Endmontage und Überholung in Erwägung gezogen, teilte ein Sprecher von Avio Aero mit.

Nach Aussage von GE unterliegt das Triebwerk aufgrund seines europäischen „Passes“ nicht der US-Exportkontrolle gemäß ITAR oder EAR. Würde dies der Fall sein, wäre die strategische Freiheit Europas bei der Verwendung und dem Export der Drohne eingeschränkt. Andererseits heißt es in einer älteren Mitteilung von GE, dass das Catalyst-Triebwerk auch „erprobte Technologien“ anderer Triebwerke des US-Unternehmens nutzt.

Welche Auswirkungen haben ITAR und EAR?

Auf Basis der International Traffic in Arms Regulations (ITAR) werden Reexporte von US-Rüstungsgütern durch das amerikanische Department of State überwacht. Welche Güter als militärisch eingestuft werden, ergibt sich aus der United States Munitions List (USML). Der Reexport eines Produktes, das nur eine einzelne auf der USML genannten Komponente – unabhängig von ihrem Wert – enthält, kann zur Kontrolle des gesamten Endproduktes führen.

Im Rahmen der Export Administration Regulations (EAR) werden so genannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch einsetzbar sind, vom Department of Commerce der US-Regierung kontrolliert. Dabei wird allerdings in der Regel nur der Reexport von Gütern überwacht, wenn diese gemäß der so genannten De-minimis-Regel einen US-Wertanteil von mindestens 25 Prozent enthalten. Für Länder, welche von den USA als terroristisch eingestuft werden, wird der Schwellenwert allerdings auf 10 Prozent abgesenkt.

Grundsätzlich kann nur nach minutiöser und umfassender Prüfung beantwortet werden, ob ein Produkt der US-Jurisdiktion und den ITAR- oder EAR-Regeln unterliegt.  Selbst bei vollständig in Europa entwickelten und produzierten Gütern könnten auf diese EAR- oder ITAR-Regeln anwendbar sein, wenn etwa US-Unternehmen oder US-Staatsbürger involviert sind. Nach Aussage von Harald Hohmann, Fachanwalt für Außenhandelsrecht und Experte für US-Exportrecht, ist es auch grundsätzlich denkbar, dass die US-Regierung nachträglich Änderungen der Kontrolllisten vornimmt. So seien bereits Güter von der ITAR-Munitions-List heruntergenommen worden, um sie den großzügigeren EAR-Normen zu unterstellen. Im Prinzip sei auch der umgekehrte Fall denkbar, sagt Hohmann. Er selbst habe letzteres jedoch noch nicht erlebt.

Wie wird das Steuergeld verwendet?

Während also die Anwendbarkeit des US-Exportkontrollrechts keineswegs einfach zu beantworten ist, stellt sich überdies die Frage, inwieweit die Vergabe von Unteraufträgen im Eurodrohnen-Projekt die Aufwendungen der vier beteiligten Nationen Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich für die Entwicklung und den Kauf widerspiegeln. Denn üblicherweise werden bei europäischen Rüstungsvorhaben die Industrien der Teilnehmerländer proportional zu den Beschaffungsanteilen ihrer Verteidigungsministerien an der Wertschöpfung beteiligt.

Nach Meinung des Geschäftsführers der ZF Luftfahrttechnik, Burkhard Siebert, sollte deutsches Steuergeld im Rahmen des Eurodrohnen-Vorhabens möglichst auch für die Ausstattung mit EU-Komponenten genutzt werden. Es gehe dabei schließlich auch „um die Souveränität, mit der wir als Europäer auftreten können“. Zusammen mit Safran und weiteren Partnern biete sein Unternehmen solch eine europäische Lösung an, sagt er. Für die ZF Luftfahrttechnik als mittelständisches Unternehmen mit 400 Mitarbeitern handele es sich bei der Entwicklung des Eurodrohnen-Triebwerks um ein wichtiges Vorhaben, erläutert Siebert. „Denn damit könnten andere Plattformen – auch im zivilen Sektor – bestückt werden.“

Unabhängig davon, wie die Fragen nach ITAR und EAR sowie der Verteilung der Wertschöpfung innerhalb Europas beantwortet werden,  bleibt mit Blick auf die europäische Souveränität ein grundsätzlicher Unterschied. GE unterliegt als US-Konzern der US-Jurisdiktion und nicht der europäischen, während europäische Unternehmen bei der Teilnahme an Ausschreibungen des US-Militärs nach eigener Darstellung kein Level Playing Field vorfinden und gegenüber US-Anbietern benachteiligt werden.

Vor diesem Hintergrund ist interessant, wie sich die Verteidigungsministerien Deutschlands und Frankreichs positionieren. Während Paris der strategischen Autonomie Europas eine große Bedeutung beimisst, ist Berlin stärker transatlantisch orientiert. Darüber hinaus wirft der Rückzieher der SPD bei der Bewaffnung von Drohnen die Frage auf, was dies für die Beschaffung der Eurodrohne bedeutet.

lah/18.12.2020

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