Die dänischen Streitkräfte haben ein Verfahren zur Beschaffung einer Interimslösung für die bodengebundene Luftverteidigung (Ground Based Air Defence; GBAD) eingeleitet. Die Fähigkeit soll spätestens 2026 zur Verfügung stehen. Die Entscheidung dazu beruht auf Empfehlungen des dänischen Chief of Defence, General Michael Hyldgaard, und wurde von der dänischen Regierung genehmigt, wie aus einer Pressemitteilung vom 10. Juni hervorgeht. Die Beschaffung wird über den von der dänischen Regierung eingerichteten „Beschleunigungsfonds“ finanziert.
Dänemark benötigt eigenen Angaben zufolge dringend eine GBAD-Fähigkeit, um die Zivilbevölkerung, die Streitkräfte und kritische Infrastruktur vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Wie bereits berichtet, haben sich die dänischen Streitkräfte und die dänische Regierung im Frühjahr 2025 auf ein zweistufiges Konzept für den Aufbau dieser Fähigkeit geeinigt. Die erste Stufe, die wir jetzt sehen, ist die schnelle Beschaffung einer GBAD-Interimslösung, die die erforderliche Fähigkeit bereitstellt, während die dänische Organisation für Beschaffung und Logistik im Verteidigungsbereich (DALO) den Beschaffungsprozess für eine permanente Lösung durchführt, einschließlich einer Bewertung, ob eines der Interims-GBAD-Elemente beibehalten werden sollte.
Zu den Einzelheiten der derzeitigen Interimsbemühungen wurden bisher nur wenige Details bekannt gegeben. Laut der oben erwähnten Pressemitteilung belaufen sich die Gesamtkosten für die GBAD-Interimslösung auf 6 Milliarden dänische Kronen (ca. 800 Millionen Euro), die aus dem Beschleunigungsfonds bereitgestellt werden. Sie besteht aus drei separaten Systemen von Diehl Defence, MBDA und Kongsberg. Die ersten beiden Systeme werden gekauft, das dritte, von Kongsberg, wird geleast. Die drei Systeme wurden aus insgesamt 10 Angeboten ausgewählt, die von Auftragnehmern aus Deutschland, Norwegen, Frankreich, Italien, der Türkei und Israel eingereicht wurden.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurden keine weiteren Einzelheiten zu den fraglichen Systemen bekannt gegeben, aber die Tatsache, dass es sich um Flugabwehrsysteme mit kurzer bis mittlerer Reichweite handelt, lässt die folgenden Systeme als die wahrscheinlichsten Kandidaten erscheinen:
- Iris-T SLM von Diehl Defence: Das System Iris-T SLM ist laut Hersteller auf die Abwehr von Bedrohungen durch gegnerische Flugzeuge, Hubschrauber, Marschflugkörper und Drohnen auf eine Distanz von bis zu 40 km und einer Höhe von 20 km ausgelegt. Eine Feuereinheit Iris-T SLM besteht aus den Komponenten Startgerät, Radar und Gefechtsstand. Es wird durch Unterstützungselemente wie Werkstatt-, Ersatzteil- und Nachladefahrzeuge ergänzt. Das System zeichne sich durch seine hohe taktische Mobilität, Dislozierbarkeit der Startgeräte und Mehrfachzielbekämpfung bei geringem Personalaufwand aus.
- VL MICA oder VL MICA NG von MBDA Frankreich: Das Flugabwehrsystem Vertical Launch MICA nutzt als Effektor den MICA-Fire-and-Forget-Flugkörper, der nach Angaben von MBDA als einzige Flugkörper weltweit entweder mit einem passiven IIR- oder einem aktiven RF-Suchkopf ausgestattet werden kann. Die Bekämpfungsreichweite wird mit rund 20 km und einer Höhe von 6 km angegeben. Es könnten sich aber auch um das modernere VL MICA NG System handeln, welches über die doppelte Bekämpfungsreichweite verfügen soll. Genau so wie bei dem System Iris-T SLM, besteht auch eine MICA-Feuereinheit aus den Komponenten Startgerät, Radar und Gefechtsstand.
- NASAMS von Kongsberg: Das Kongsberg National Advanced Surface to Air Missile System (NASAMS) ist im Wesentlichen eine bodengestützte Adaption der AMRAAM-Luft-Luft-Rakete, die von der dänischen Luftwaffe eingesetzt wird. Die Bekämpfungsreichweite wird mit rund 30 km angegeben. Die Rakete wiegt 161 kg, einschließlich eines 20 kg schweren Gefechtskopfes mit Annäherungszünder. Um die größere Reichweite zu ermöglichen, verfügt der Flugkörper über ein aktives Radar-Zielsuchsystem in Kombination mit einer Datenverbindung für die Flugbahnsteuerung. Ausgerüstet mit AMRAAM-ER-Flugkörpern soll die Bekämpfungsreichweite von NASAMS auf über 40 km steigen. Eine Standard-NASAMS-Feuereinheit verfügt Kongsberg zufolge über einen modularen Aufbau, bestehend aus einem Kommandoposten (FDC), einem aktiven 3D-Radar Raytheon AN/MPQ-64F1 Sentinel, einem passiven elektrooptischen und Infrarotsensor sowie einer Reihe von Abschussvorrichtungen mit AMRAAM-Flugkörpern.
Diese Auswahl wirft natürlich auch die Frage auf, warum eine relativ kleine Nation wie Dänemark mit einem relativ begrenzten Budget drei verschiedene Flugabwehrsysteme mit ähnlichen Leistungsparametern Beschaffen sollte. Obwohl dies in der Pressemitteilung nicht erwähnt wird, können eine oder mehrere Antworten vorgeschlagen werden: Da es sich um einen dringenden Bedarf Dänemarks handelt, der die Einsatzfähigkeit im Jahr 2026 erreichen soll, ist es möglich, dass es sich um eine Frage des „muss“ handelte. Mit anderen Worten, wenn Dänemark in weniger als zwei Jahren eine brauchbare GBAD-Kapazität für den Nahbereich haben möchte, könnte es sich in einer Situation befinden, in der es „nehmen muss, was es kriegen kann“. Die drei Systeme waren das, was kurzfristig verfügbar war, und eines der Systeme allein reichte nicht aus, um Dänemarks quantitativen Bedarf zu decken.
Thomas Lauge Nielsen