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European Defence Fund leistet sich gleich zwei parallele Kampfpanzerprojekte

Lars Hoffmann

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Nicht nur Deutschland und Frankreich arbeiten an einem Kampfpanzersystem der Zukunft mit der Bezeichnung Main Ground Combat System (MGCS), bei dem erst vor wenigen Wochen ein Verhandlungsdurchbruch erzielt wurde, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius es ausdrückte. Auch die EU-Kommission finanziert das Design eines neuen Kampfpanzers, auch als Main Battle Tank (MBT) bezeichnet – und das gleich in zwei parallelen Vorhaben. Das geht aus den in der vergangenen Woche vom European Defence Fund (EDF) veröffentlichten Ergebnissen der 2023 erfolgten „Calls for Proposals“ hervor. Demnach fördert der EDF insgesamt 54 Projekte im Bereich Verteidigungsforschung und -entwicklung im Volumen von 1,031 Milliarden Euro.

Darunter befinden sich mit MARTE (Main ARmoured Tank of Europe) und FMBTech (Technologies for existing and Future MBTs) gleich zwei Projekte zur Entwicklung eines neuen Kampfpanzers. Koordiniert wird das erste Programm von der deutschen MARTE ARGE GbR, die von Rheinmetall und KNDS Deutschland gebildet wird. Die beiden Firmen und deren Tochter-Unternehmen eingeschlossen beteiligten sich insgesamt 47 Unternehmen und Organisationen an dem Projekt, das auf eine Dauer von 24 Monate ausgelegt ist. Darunter solche Schwergewichte wie BAE Systems Bofors, Elettronica, FN Herstal, Hensoldt, Indra, Iveco, John Cockerill Defense, Leonardo, Patria, Renk, Saab, Santa Barbara und Sener. Die Kosten für MARTE, in dessen Rahmen Studien und Design-Entwürfe vorgesehen sind, werden auf 20.225.001,53 Euro geschätzt, von denen 19.978.176, 65 Millionen Euro vom EDF getragen werden. Der Rest wird typischerweise von den Ländern der teilnehmenden Unternehmen finanziert.

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Dagegen hat FMBTech eine deutlich stärkere Ausrichtung auf die französische Industrie. Als Koordinator des 26 Teilnehmer umfassenden Projektes ist Thales Six GTS France benannt worden. Weitere Teilnehmer aus Frankreich sind Arquus, Hensoldt France, MBDA France, Nexter und Safran. Aus Italien sind CY4GATE SPA, Politechnico di Milano und Thales Italia vertreten, aus Deutschland die Scertas GmbH. Weitere, weniger bekannte Unternehmen und Institutionen kommen aus Ländern wie Polen, Finnland oder Zypern. Bis auf 11,05 Euro werden die auf 19.869,019,05 Millionen Euro veranschlagten Kosten des insgesamt 36 Monate laufenden Studien- und Design-Programms vollständig vom EDF bezahlt.

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Dass der EDF zwei Projekte finanzieren will, verwundert Kenner der Brüsseler Szene nicht. Denn bereits im vergangenen Jahr war an die Öffentlichkeit gedrungen, dass es beim Thema Kampfpanzer zu einem Eklat zwischen Deutschland und Frankreich gekommen war. Wie es damals hieß, mussten sich beim Call des EDF zu „Main battle tank technologies“, aus dem jetzt MARTE und FMBTech hervorgegangen sind, die interessierten Unternehmen aus Frankreich auf Anordnung der nationalen Beschaffungsbehörde DGA aus dem Anbieter-Konsortium zurückziehen, weil die von Deutschland beanspruchte Führung des Vorhabens von der französischen Amtsseite nicht akzeptiert wurde. Dabei soll Frankreich trotz des damals bereits laufenden MGCS-Vorhabens den Call überhaupt erst auf die Liste des EDF gebracht haben.

Beobachter erwarteten deshalb ein konkurrierendes Angebot unter französischer Führung, was ja dann auch eingetreten ist. Und der französische Vorschlag wurde dann auch prompt als so gut befunden, dass der EDF, der im Amtsbereich des EU-Industriekommissars Thierry Breton aufgehängt ist, gleich nochmal weitere 20 Millionen Euro dafür locker gemacht hat – eine Verdopplung des Budgets gegenüber der ursprünglichen Planung.

Wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Vorhaben liegen, ist selbst Insidern ein Rätsel. „MARTE will study and design a new Main Battle Tank (MBT) platform that adequately meets current and future threats and needs, integrating innovative and disruptive technologies“, beschreibt der EDF das Projekt. Und zum anderen Vorhaben heißt es: „The goal of FMBTech ist to enable existing and future European MBTs to achieve the highest operational effectiveness and mission success.“ Ob es eine Abstimmung mit dem MGCS-Vorhaben gibt, kann bezweifelt werden. Damit steigt das Risiko ineffizienter Doppelentwicklungen.

Wie es heißt, gelten bei der Umsetzung von MARTE und FMBTech weiterhin die im Call formulierten Anforderungen an den neuen Kampfpanzer. Darunter eine Mindestgeschwindigkeit auf geteerter Straße von 80 km/h. Auch der direkte Feuerkampf mit dem Gegner soll auf größere Entfernungen als gegenwärtig möglich sein. Das Gewicht darf 70 Tonnen nicht überschreiten und die Besatzung bei maximal drei Personen liegen.

Dass der EDF nun zwei Konsortien mit Studien zum neuen europäischen Kampfpanzer betraut, dürfte nach Einschätzung von Insidern eher der komplexen Entscheidungsfindung in Europa als der Effizienz geschuldet sein. Denn damit wird sichergestellt, dass Frankreich als Retourkutsche nicht Projekte an anderer Stelle blockiert. Und das, obwohl 20 Millionen Euro pro Vorhaben zur Erfüllung der hohen Anforderungen knapp bemessen sind. Eine Bündelung der Mittel auf ein Projekt wäre sicherlich sinnvoller, sind sich Experten einig.

Der politische Kuhhandel wird damit offenbar auch beim EDF eine handlungsleitende Maxime. Nach Schätzung eines Brüsseler Insiders ist rund die Hälfte der Mittel für den Verteidigungsfonds auf Grund dieser Entwicklung „herausgeschmissen“.

Dennoch ist es für Unternehmen wichtig, an den EDF-Projekten teilzunehmen. Denn einerseits können dabei womöglich wichtige Standards gesetzt werden, andererseits bauen die Vorhaben mitunter aufeinander auf. Das kann bedeuten, dass nach Abschluss der Panzerstudien weitere Calls zu dem Thema zu erwarten sind, die jedoch mit deutlich mehr Finanzmitteln ausgestattet werden. Und Firmen, die an vorgeschalteten EDF-Vorhaben teilgenommen haben, haben dann deutlich bessere Chancen mitzumachen.

So werden bei dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Projekt EPC2 zur Entwicklung einer europäischen Patrouillen-Korvette für Studien, Tests und Qualifikation rund 155 Millionen Euro der auf 288 Millionen Euro veranschlagten Kosten für das Vorhaben vom EDF bereitgestellt. Bereits das ursprüngliche Design der neuen Korvette war vom EDF in kleinerem Umfang finanziert worden. Und die Profiteure sind jetzt nur fünf Unternehmen aus Italien, Frankreich, Spanien und Griechenland. Für diese dürfte sich eine frühe Teilnahme an den EDF-Ausschreibungen auch wirtschaftlich gelohnt haben.

Lars Hoffmann