Die ukrainischen Streitkräfte planen den massiven Ausbau ihrer taktischen Drohnenkräfte. Dies gab der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov am 3. März 2025 über zahlreiche offizielle Social-Media-Kanäle der ukrainischen Streitkräfte bekannt. Umerov zufolge geht das als „Drohnen-Linie“ bezeichnete Projekt auf die Initiative von Präsident Selenskyj zurück.
Die Bezeichnung Drohnen-Linie trägt dabei die Grundidee des Vorhabens im Namen. Ziel sei es, eine 10 bis 15 km tiefe Verteidigungslinie zu schaffen, in der durch den massiven taktischen Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen (UAS) jeglicher feindlicher Vorstoß nur unter massiven Verlusten möglich ist. Das Konzept beruht dabei auf dem Umstand, dass der kombinierte Einsatz von UAS, die taktische Aufklärungs- und Wirkmittel tragen, insbesondere die FPV-Drohnen, besonders die Gefechtsarten der Verzögerung und Verteidigung begünstigt.
Die ukrainischen Streitkräfte besitzen bereits Einheiten, welche die Befähigungen zur erfolgreichen Verzögerung und teilweise sogar der Zerschlagung eines Angriffs, in einigen Fällen schon in der Bereitstellung, bewiesen haben. Diese Kräfte sind jedoch zahlenmäßig nur dazu geeignet, in einem ausgewählten, operativen Schwerpunkt eingesetzt zu werden und können dauerhaft keinen breiten Frontabschnitt abdecken.
Für den Beobachter des Ukrainekrieges kommt der Schritt nicht überraschend. Bereits vor einem Jahr kündigte Kiew die Bildung einer eigenen Truppengattung für unbemannte Systeme an. Unter diesem organisatorischen Dach entwickelten sich seitdem aus ursprünglich improvisierten Freiwilligenformationen, wie Achilles, Rarog, Phoenix oder den medial häufig mit Aufmerksamkeit bedachten Madyar’s Birds eigenständige Regimenter und sogar Brigaden.
Diese eben erwähnten, als „Eliteverbände“ betrachteten Einheiten sollen den Kern des massiven Kräfteaufwuchses stellen. Der Mitteilung des Ministers zufolge hat das Projekt bereits zu Anfang eine Anschubfinanzierung von 4,6 Mrd. Hrywnja (knapp 106 Millionen Euro) erhalten. Hiermit sollen neben Drohnen und Mitteln für die elektronische Kriegsführung auch Transportraum und sonstige Bedarfe abgedeckt werden.
Das Konzept mit der Bezeichnung Drohnen-Linie ist auch bezüglich einer ganzheitlichen, auf die Zeit nach der Beendigung des Krieges zielenden Ausrichtung der ukrainischen Streitkräfte schlüssig. Schließlich hat die Ukraine mit der Schaffung einer dezentral organisierten Montage von FPV-Drohnen auf dem eigenen Territorium gewisse Autonomie erreicht, die sehr hohe Stückzahlen fertigen kann. Gleiches gilt für die tief im russischen Hinterland erfolgenden strategischen Einsätze von One-Way-Angriffsdrohnen aus einheimischer Fertigung. Die Lücke zwischen den beiden Ansätzen im Entfernungsband von bis zu 100 km Tiefe könnte zukünftig durch Strike-Drohnen, vergleichbar mit der deutschen HX-2 oder OWE-V geschlossen werden. So würde aus der Linie ein Schild werden, was nicht nur den Konflikt positiv für die ukrainische Seite beeinflussen, sondern auch nach einem wie auch immer ausgestalteten Beendigung der heißen Phase des Krieges ein signifikantes Abschreckungspotenzial darstellen könnte.
Allerdings ist die Umsetzung dieser Konzeption alles andere als trivial. Selbst bei der auf der taktischen Ebene ansetzenden Teilkomponente der skizzierten Drohnen-Linie müssen zahlreiche Herausforderungen überwunden werden. Die als Nukleus für die Skalierung benannten Einheiten stehen bereits heute im ständigen aufreibenden Abwehrkampf und eilen nicht ohne Verluste von Brennpunkt zu Brennpunkt. Ein Herauslösen von erfahrenen Kräften zur Erstellung neuer Einsatzgrundsätze und ihre Nutzung für die Ausbildung von einer großen Anzahl an Personal würde die Effektivität dieser wertvollen Einheiten temporär schwächen. Es bleibt daher abzuwarten, wie die tatsächliche Ausgestaltung und Umsetzung des Ansatzes vonstattengehen wird.
Kristóf Nagy