Anzeige

Diehl Defence bringt sich in Ausgangsposition für die Lieferung zukünftiger Artillerieraketen an die Bundeswehr

Waldemar Geiger

Anzeige

Der Kampf in der Tiefe wird neben luftgestützten, weitreichenden Effektoren maßgeblich durch die Raketenartillerie getragen, wie man im aktuellen Ukraine-Kriege sehen kann. Moderne Artillerieraketen sind in der Lage, tief im feindlichen Territorium präzise gegen Hochwertziele zu wirken. Zudem bieten Raketenartilleriesysteme die Fähigkeit, feindliche Panzerverbände mit Hilfe von Wurfminensperren (AT-2-Minenrakete) über weite Entfernungen zu stoppen.

Da die deutschen Streitkräfte über die letzten Jahrzehnte hinweg nur unwesentlich in diese Fähigkeit investiert haben, weist die deutsche Raketenartillerietruppe sowohl qualitative als auch quantitative Schwächen auf. Man verfügt nur über eine unzureichende Anzahl an Werfern, auch die Munitionsbestände sind bereits vor der russischen Invasion in die Ukraine zu klein gewesen. Zudem laufen viele Systeme und Wirkmittel in die Obsoleszenz. Nach Abgabe von 5 Raketenartilleriesystemen des Typs MARS II sowie nicht näher quantifizierter Munitionsbestände an die Ukraine hat sich die Lage noch weiter verschlechtert.

Anzeige

Mit dem Vorhaben „Zukünftiges System Indirektes Feuer großer Reichweite“ treibt die Bundeswehr seit geraumer Zeit ein Projekt voran, mit dem die Raketenartillerie modernisiert und vergrößert werden soll. So soll die Fähigkeit beispielsweise auf Korpsebene abgebildet werden. Ein dafür vorgesehenes Korpsartilleriebataillon soll über 36 Raketenartilleriesysteme verfügen, welche auf drei schießende Batterien a 12 Raketenartilleriesysteme aufgeteilt werden. Der Verband soll in der Lage sein, bis zu einer Entfernung von 300 km und gegebenenfalls darüber hinaus Ziele aufklären und bekämpfen zu können. Auf der Ebene Division soll es zwei Artilleriebataillone geben, welche wohl jeweils unter anderem über 20 Raketenartilleriesysteme verfügen werden und bis in eine Tiefe von 150 km wirken sollen.

Anzeige

Soweit zumindest die Pläne der Bundeswehr, konkrete Verträge zur Beschaffung der dafür notwendigen Systeme oder Munitionssorten wurden bis dato nicht geschlossen. Gleichwohl hat Verteidigungsminister Pistorius im Rahmen seines Truppenbesuches an der Artillerieschule am 16. September 2024 angekündigt, dass das System PULS als Nachfolger des Systems MARS II kommen soll, der dafür notwendige Vertragsschluss ist für Beginn 2025 vorgesehen. Unklar an der Aussage von Pistorius auf eine Frage eines Medienvertreters war, ob es sich bei den angekündigten PULS-Raketenartilleriesystemen um den generellen Ersatz des MARS II oder ob es sich erstmal nur um eine Ersatzbeschaffung für die fünf an die Ukraine abgegebenen Raketenwerfer handelt, wie es seit längerem erwartet wird.

Die wehrtechnische Industrie in Deutschland ist da schon ein paar Schritte weiter. Neben Rheinmetall im Team mit dem US-Konzern Lockheed Martin mit dem GMARS und der GMRLS-Raketenfamilie, hartpunkt berichtete, haben sich auch zwei Doppelpärchen – KNDS Deutschland und der israelische Rüstungskonzern Elbit Systems für die Waffensysteme und Diehl Defence ebenfalls mit Elbit Systems für die Artillerieraketen – gebildet, um der Bundeswehr den PULS bzw. den EuroPULS samt der dazugehörigen Munition anzubieten.

KNDS Deutschland und Elbit Systems haben bereits im Dezember 2022 eine Zusammenarbeit vereinbart und mit dem EuroPULS ein Nachfolgesystem für die Mehrfachraketenwerfer der Artillerie MARS/MLRS auf Basis des Multi-Purpose Universal Launching System (PULS) von Elbit Systems vorgestellt. Eine mögliche Euro-PULS-Lösung wäre im Vergleich zu dem israelischen PULS mit einer aus dem MARS II bekannten Feuerleitlösung ausgerüstet und hätte eine deutlich breitere Wirkmittelpalette integriert. Vorstellbar wären neben den israelischen Raketen auch deutsche Raketen wie die AT-2 beziehungsweise deren Nachfolgerakete oder eine mögliche SMArt-Rakete, wenn die Bundeswehr sich für die Beschaffung eines solchen Wirkmittels entscheiden sollte, so die damaligen Aussagen der EuroPULS-Anbieter.

Nun hat auch Diehl Defence mit der heutigen Ankündigung der Kooperation mit Elbit Systems auf dem Gebiet der Herstellung von Raketenartilleriemunition öffentlich nachgezogen. „Im Rahmen der neuen Partnerschaft werden Elbit und Diehl Defence Raketen und fortschrittliche Trainingsraketen für PULS und EuroPULS liefern, die speziell auf die Anforderungen der europäischen Raketenartillerie und insbesondere der deutschen Streitkräfte zugeschnitten sind“, heißt es in der heute versendeten Pressemitteilung.

Aus Kreisen von Diehl Defence heißt es, dass in dem Rüstungskonzern derzeit zwei unterschiedliche Artillerieraketenprojekte konkret im Fokus stehen. Neben der Entwicklung einer günstigen 122mm-Übrakete für Ausbildung und Übung, wurde der Konzern von der Bundeswehr mit einer Studie beauftragt, die die AT-2-Minenrakete betrifft.

Übungsrakete 122mm

Mit der Außerdienststellung der bisherigen 110mm-Übungsrakete (LAR) verzichtet die Bundeswehr seit einigen Jahren auf die Beübung der Raketenartillerietruppe im scharfen Schuss. Aus diesem Grund genießt Diehl Defence zufolge die Nachbeschaffung einer geeigneten – und insbesondere PULS-kompatiblen – Übungsrakete eine hohe Priorität. Im Rahmen einer Obsoleszenz-Beauftragung entwickelte Diehl Defence ein Übungsraketenkonzept, das die Anforderungen der Bundeswehr vollumfänglich berücksichtigte. Eine technische Herausforderung stellte dabei vor Allem die Kombination der folgenden Fähigkeiten dar:

  • Reichweite 5 – 15 km,
  • Akustische und visuelle Detektierbarkeit auf 3.000 m,
  • Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und Sicherheitsbereiche,
  • Möglichkeit des Überschießens eigener Truppe,
  • minimale Brandgefahr im Zielgebiet und
  • geringe Kosten

Ein neuentwickelter Deutladungs“gefechts“kopf stellt den Kern des Konzepts dar, wie es aus Kreisen des Herstellers heißt. Eine besonders schnelle Aufschlagszündung und Umsetzung der Deutladung gewährleistet, dass die Rakete nicht tief ins Erdreich eindringen kann, wodurch unterirdische Brände verhindert werden. Außerdem wird eine innovative Effektladung eingesetzt, die mit einer „kalten“, aber dennoch sehr gut sichtbaren Flamme umsetzt. Als Trägerrakete dient die bereits integrierte 122mm-Rakete vom Typ Accular, die durch bauliche Modifikationen auf das geforderte Reichweitenband angepasst wurde.

Ein weiterer Unterschied zu den bisherigen 110mm-Raketen der Bundeswehr liegt in der Logistik und dem Ablauf der Beladung. Während die alten Übungsraketen vor Ort in der Feuerstellung, „händisch“ in eine Abschussvorrichtung geladen werden mussten, erhält die Truppe nun einen fertigbeladenen Raketenstartbehälter mit 18 Raketen, was dem Vorgehen beim scharfen Schuss entspricht und was somit dem übungsdidaktischen Prinzip „übe wie du kämpfst“ deutlich näher kommt. Dennoch ist der Behälter wiederverwendbar und kann der Bundeswehr entsprechend ihrem Trainingsbedarf „just in time“ zur Verfügung gestellt werden.

Aus Kreisen des Herstellers heißt es zudem, dass der Verschuss der Rakete auch von anderen Raketenwerfern als dem PULS möglich ist, solange der Werferhersteller die Integration ermöglicht.

Sperrrakete

Bereits im Januar 2023 wurde Diehl Defence von der Bundeswehr mit einer Vordurchführbarkeitsstudie für die Identifikation von Obsoleszenzen der AT-2-Raketen beauftragt, die seit Mitte der 90er Jahre in der Nutzung sind. Zudem hat die Bundesrepublik nach offiziellen Angaben der Bundesregierung eine nicht näher spezifizierte Anzahl dieser Raketen an die Ukraine geliefert, wo diese sich insbesondere 2022 äußerst bewährt haben sollen.

Eine AT-2-Minenrakete beinhaltet 28 Panzerabwehrminen des Typs AT-2, die sich nach eingestellter Wirkzeit selbst zerstören. Die Wirkzeit der AT2 kann individuell programmiert werden. Es ist wichtig zu betonen, dass bereits die Bestandsmunition allen völkerrechtlichen Konventionen entspricht und damit weder als Streumunition, noch als Personenmine zu werten ist.

Die Rakete mit einer Reichweite bis 38 km stößt die Minen in einer Höhe über 1.000 m aus. Diese sinken dann an Fallschirmen zu Boden und richten sich dort auf. So können breite Geländeabschnitte schnell und effektiv gesperrt und laufende Angriffe abgeriegelt oder komplett unterbunden werden.

In einer im Januar 2023 veröffentlichten Mitteilung des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw auf der europäischen Vergabeplattform TED bezüglich der an Diehl Defence vergebenen Studie heißt es: „Gegenstand der geplanten Studie ist die Identifikation von Obsoleszenzen an AT-2-Raketen, die Erarbeitung von entsprechenden Lösungsvorschlägen für die einzelnen Baugruppen und deren technische und wirtschaftliche Bewertung im Hinblick auf die Neubeschaffung von AT-2-Raketen. Bei einer Obsoleszenzbeseitigung handelt es sich um den Austausch von Produktteilen, die zu stark veraltet sind oder für die es keinen Ersatz mehr gibt.“ Die Ergebnisse liegen nun vor.

Nach Auskunft von Diehl Defence ergab die Studie, dass die Rakete aus technisch-wirtschaftlichen Gründen im Originaldesign nicht mehr herzustellen ist. Alleine die heutigen Umwelt- und Sicherheitsvorschriften sprächen dem entgegen.

Vielmehr wurde im Rahmen der Studie empfohlen, zukünftig eine moderne, gelenkte Trägerrakete zu verwenden, da hierdurch nicht nur die Reichweite, sondern vor allem auch die Ablieferungsgenauigkeit signifikant erhört werden kann. Dies minimiert die Gefahr von Kollateralschäden und kommt einer gleichmäßigen und dichten Minenverteilung – entfernungsunabhängig – zu Gute. Außerdem ergeben sich völlig neue taktische Szenarien, wie etwa die Möglichkeit, Sperren zu formen oder in beliebigen Ausrichtungen und Größen zu platzieren.

Dem Vernehmen nach schlug Diehl Defence mehrere Lösungskonzepte vor, die von der Nutzung der avisierten israelischen Extra als Trägerrakete bis hin zur Entwicklung einer neuen, deutschen Rakete reichten. Der ursprüngliche Einsatzzweck der Extra von Elbit Systems ähnelt dem der GMLRS-Rakete mit erweiterter Reichweite. Die Extra kann Elbit zufolge bis zu 150 km entfernte Ziele bis auf 10 m genau treffen. Das Gewicht des Gefechtskopfes beträgt 120 kg. Neben einer Unitary-Spreng-Splitter-Variante wird auch eine Penetrator-Variante angeboten.

Richtungsweisend für die Realisierung der zukünftigen Sperrrakete wird die Harmonisierung der deutschen Anforderungen sowie die finale Entscheidung für einen Raketenwerfer sein.

Waldemar Geiger