Der Kombination von bemannten und unbemannten Waffensystemen in der Luft schreiben Planer eine große Bedeutung für die Kriegführung der Zukunft zu. Die wichtigen Militärmächte – allen voran die USA – arbeiten offenbar bereits an diesem als Manned-Unmanned Teaming (MUT) bezeichneten Konzept. Am Donnerstag zeigte Airbus Defence and Space auf dem Gelände der Flugabwehrraketengruppe 61 in Todendorf an der Ostsee, dass auch ein europäisches Unternehmen beim MUT vorne mit dabei sein kann.
Airbus demonstrierte vor Gästen aus dem In- und Ausland wie fünf unbemannte Drohnen von einem bemannten Luftfahrzeug – in diesem Fall ein Learjet – in unterschiedlichen Szenarien geführt werden können. Die Besonderheit dabei: Die unbemannten Luftfahrzeuge werden nicht einzeln per Joystick von einem Piloten im Flieger oder am Boden gesteuert, sondern organisieren sich aufgrund ausgefeilter Algorithmen selbst. Dazu sind sie untereinander und mit dem Learjet verbunden. Der Gruppenführer im bemannten Luftfahrzeug gibt nur so genannte High-Level-Commands und überlässt es dem Rechner, Vorschläge für die Umsetzung zu machen. Diese kann er dann akzeptieren oder verwerfen – ähnlich einem Auto-Navi, das verschiedene Routen zum Ziel aufführt, von denen der Fahrer eine wählen kann. Die Drohnen führen die gewählten Vorgaben dann automatisch aus. Eine Steuerung von Boden, die anfällig für das Jamming ist, kann bei diesem Ansatz unterbleiben.
Fünf Drohnen dieses Typs wurden für das MUT-Vorhaben in Todendorf eingesetzt. Foto: Airbus
Aus Sicherheitsgründen flogen Learjet und Drohnen in dem sonst für das Übungsschießen genutzten Luftraum über der Ostsee in unterschiedlichen Höhen – im scharfen Einsatz wäre dies nicht erforderlich. Außer dem Start der Drohnen vom Katapult und ihrer Landung mit dem Fallschirm war aufgrund des wolkenverhangenen Himmels über der Hohwachter Bucht von den Manövern in der Luft fast nichts zu erkennen. Stattdessen konnten das Geschehen am Monitor im beheizten Zelt verfolgt werden.
Bei den Drohnen handelte es sich um das Modell DO-DT25 von Airbus, das ansonsten zur Zieldarstellung genutzt wird. Für den Versuch hatte das Unternehmen an den Tragflächenenden Pods mit technischer Ausrüstung montiert. Entwickelt wurde das Konzept übrigens für die Steuerung aus dem Tornado. Da die wenigen für Tests geeigneten Kampfflieger allerdings für andere Projekte benötigt wurden, übertrug Airbus die Technik kurzerhand auf einen Learjet.
Bei dem Test sollten verschiedene Aspekte des MUT validiert und demonstriert werden. Darunter zählten die stabile Datenverbindung zwischen den beteiligten Luftfahrzeugen, das so genannte Mensch-Maschine-Interface sowie das Management des gesamten Luftfahrzeug-Verbandes. Dabei können für die Flugformation unterschiedliche Prinzipien verfolgt werden. Etwa ein zentralisierter oder einem Vogelschwarm nachempfundener Ansatz. Simuliert wurde bei der Vorführung unter anderem die Einnahme der Gruppenformation sowie der Absturz einer Drohne, bei dem eine andere deren Rolle übernehmen musste.
Noch nicht integriert in das MUT-Testumfeld in Todendorf waren Sensoren. Dies wäre der logische nächste Schritt. Allerdings kann bereits simuliert werden, wie die Flugzeug-Gruppe auf potenzielle Gefahren reagieren könnte. Etwa indem eine oder mehrere Drohnen zur weiteren Erkundung ausgesandt wird, während der Rest des Verbandes in sicherer Entfernung kreist. Damit würde sich die Gefahr für den oder die Piloten im bemannten Flugzeug verringern. Denn ein Ziel des MUT ist es letztendlich, das Risiko für den im Einsatz befindlichen Menschen zu verringern. Gleichzeitig werden von den Drohnen und den Algorithmen komplexe Aufgaben übernommen, wodurch der Soldat entlastet und seine Kampfkraft erhöht wird. MUT wirkt somit als so genannter Force Multiplier.
Nach Aussage von Robert van Tilborg, Head of UAS Portfolio Management bei Airbus Defence and Space, war es dann auch ein überraschende Erkenntnis der Tests, dass die Wirkung des MUT als Force Multiplier wesentlich größer als erwartet ausgefallen ist. So scheint es möglich zu sein, dass in der Zukunft ein Schwarm aus bemannten und unbemannten Luftfahrzeugen gleichzeitig mehrere Rollen übernehmen kann. Etwa die Umsetzung elektronischer Gegenmaßnahmen, die Niederhaltung der gegnerischen Luftverteidigung und Luft-Luft-Operationen. Dabei könnten die Drohnen womöglich auch bewaffnet werden.
Im Gegensatz zu langsam fliegenden Drohnen der Gegenwart, wie der Heron TP oder dem Predator, sollen die Drohnen gemäß dem Airbus-Konzept in der Lage sein, in einem umkämpften Luftraum zu operieren gegen hochentwickelte gegnerische Streitkräfte. Dafür wird es erforderlich sein, schnellere Drohnen zu entwickeln, die mit den bemannten Kampfflugzeugen mithalten können.
Nach Angaben von Airbus handelte es sich bei den Flugversuchen über der Ostsee um die ersten realen Tests in Europa für den Einsatz von Drohnen-Schwärmen, die von bemannten Flugzeugen koordiniert werden. Airbus bewertet die Vorführung als vollen Erfolg und auch die in Todendorf präsente Amtsseite war von den Ergebnissen offensichtlich sehr angetan. Das Verteidigungsministerium hatte das von Airbus selbst finanzierte Vorhaben im Vorfeld mit Expertise und Ingenieuren unterstützt und auch den Testplatz zur Verfügung gestellt. Im Zeitraum von 18 Monaten bis zur finalen Vorführung habe Airbus je nach Phase bis zu 150 Ingenieure für MUT abgestellt, erläuterte van Tilborg.
Hintergrund für das MUT-Vorhaben ist das französisch-deutsche Abkommen zur Entwicklung eines Future Combat Air Systems (FCAS) zur Ablösung der eingeführten Jets in den 2040er Jahren. Bei dem Vorhaben ist Frankreich im Lead und soll – so die augenblickliche Wahrnehmung – unter Einbeziehung des Herstellers Dassault das bemannte Luftfahrzeug entwickeln, während Deutschland und Airbus für das so genannte System of Systems und damit auch für die Drohnen und deren Steuerung verantwortlich ist.
lah/5.10.2018