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Airbus, Sikorsky und Leonardo signalisieren Interesse

Die Marine will in der nächsten Dekade ihre in die Jahre gekommenen Marinehubschrauber des Typs Mk88A Sea Lynx durch ein moderneres Muster ersetzten. Dafür wurde offenbar bereits Ende des vergangenen Jahres ein so genanntes Phasendokument mit dem Titel Fähigkeitslücke Funktionale Forderung (FFF) gezeichnet.

„Das Projekt, das sich mit dem Fähigkeitserhalt der Bordhubschrauberkomponente befasst, befindet sich in der Analysephase Teil 2 gemäß Customer Product Management (CPM)“, teilte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw dazu mit.
In dieser Phase sei  es gemäß CPM die Aufgabe des Projektteams, basierend auf den funktionalen Forderungen Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die im Anschluss dem Generalinspekteur der Bundeswehr zur Auswahl vorgelegt werden.

 

„Zum Nutzungsdauerende der Sea Lynx Mk88A soll der bruchfreie Übergang auf die Nachfolgelösung gewährleistet werden“, schreibt das BAAINBw weiter. Mit der Auswahlentscheidung lege der Generalinspekteur der Bundeswehr den zu beschreitenden Realisierungsweg fest. Aussagen zu einzelnen Leistungsanforderungen und zur Ausgestaltung des Vergabeverfahrens werden nach derzeitigem Projektstand vom BAAINBw nicht beantwortet.

Insider schätzen, dass bis Jahresende eine Auswahlentscheidung fallen könnte und dann womöglich im kommenden Jahr eine Ausschreibung erfolgt. Allgemein wird erwartet, dass das BAAINBw einen bemannten, marktverfügbaren Hubschrauber gegenüber einer Neuentwicklung präferiert.  Wenn der Lynx in der Mitte des kommenden Jahrzehnts außer Dienst geht, könnte er womöglich durch  24 bis 28 Nachfolgemuster ersetzt werden, so die Vermutung. Die ersten neuen Helikopter könnten womöglich bereits ab 2022 oder 2023 zulaufen.

Insidern zufolge ist allerdings noch nicht klar, welches Beschaffungsverfahren das BAAINBw wählt. Im Falle einer Ausschreibung werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Airbus Helicopters, Leonardo sowie Sikorsky mit ihren Produkten positionieren. Bei einer Direktbeschaffung, hätte vermutlich Airbus die besten Chancen.

Abgeleitet vom Fähigkeitsprofil der gegenwärtig genutzten Sea Lynx gilt es als sehr wahrscheinlich, dass die Nachfolgemuster vornehmlich für die U-Boot-Bekämpfung (ASW) und die Überwasserkriegführung (ASuW) befähigt sind. Dazu kommen möglicherweise noch Aufgaben wie Search and Rescue (SAR) sowie der Transport von Personen und Material.

Um Unterseeboote aufspüren und bekämpfen zu können, müssen die Hubschrauber über die entsprechende technische Ausstattung verfügen. Dazu zählt unter anderem ein leistungsfähiges Radar, das einen nur wenige Zentimeter über die Wasseroberfläche herausragenden Schnorchel oder Periskope detektieren kann. Für die Ortung unter Wasser werden aktive und passive Tauchsonare genutzt, die an einem Kabel ins Meer gelassen werden. Mitunter werden Marinehubschrauber auch mit Sonobojen zum Abwurf ausgestattet, die Platz in der Hubschrauberzelle benötigen.

Nach der Entdeckung eines Unterseebootes sollten die Helikopter auch in der Lage sein, die Bekämpfung einzuleiten. Dazu nutzt die Marine vornehmlich  Torpedos, von denen oftmals zwei Exemplare an Bord der Maschine sind.  Je mehr Nutzlastreserven vorhanden sind, desto mehr Ausrüstung kann ein Helikopter aufnehmen. Bei einem Stückgewicht von etwa 300 kg pro Torpedo eine wichtiger Punkt.

Airbus mit NH90 NFH

Von großer Bedeutung bei der Jagd auf Unterseeboote ist dabei  die Verweildauer der Hubschrauber in der Luft, bevor sie zum Schiff zurückkehren müssen um aufzutanken. Dabei dürfte ein größerer Hubschrauber wie der NH90 NFH (Naval Frigate Helicopter), mit dem Airbus in den Wettbewerb gehen würde, Vorteile aufweisen.  So geht Airbus Helicopters davon aus, dass die Stehzeiten des NH90 NFH bei den von der Marine definierten Missionen signifikant höher sind als mit der derzeit geflogenen Mk88A Sea Lynx –  selbst bei mitgeführter Bewaffnung. „Das liegt natürlich daran, dass der NH90 NFH ein um einige Tonnen höheres Abfluggewicht besitzt und deshalb auch ein größeres Dipping-Sonar, Torpedos  und mehr Treibstoff mitführen kann“, erläutert Airbus. Während der NH90 ein maximales Abfluggewicht von etwa 11 Tonnen hat, kommt der Sea Lynx auf rund 5 Tonnen.

Bei den gegenwärtig von der Marine eingesetzten Sea Lynx wird aufgrund der Nutzlastbeschränkung eine Aufgabenteilung vorgenommen: Ein mit Tauch-Sonar ausgestatteter Lynx – der so genannte Dipper – ist für das Aufspüren zuständig, während der zweite Lynx – das so genannte Pony – mit Torpedos ausgerüstet wird. Kann ein Helikopter beide Aufgaben in sich vereinen und dazu noch lange in der Luft verbleiben, erhöht sich die Kampfkraft einer U-Jagd-Fregatte deutlich.

Der Lynx war Anfang der 80er Jahre zusammen mit den auf die U-Jagd ausgelegten Fregatten der Bremen-Klasse in die Bundeswehr eingeführt worden. Pro Fregatte waren dafür zwei Helikopter vorgesehen.

Ein Problem bei der Einführung eines Nachfolgemusters für den Sea Lynx könnte jedoch der Platzbedarf sein. Nur die Fregattenklassen 124 und  125 sowie das zukünftige MKS 180 der Deutschen Marine sind mit Landedecks und Hangars zur Aufnahme von Hubschraubern der Größenordnung eines NH90 vorgesehen. Dagegen können die Fregatten  der Klasse 123 keine Bordhubschrauber dieser Größe aufnehmen – der Hangar ist zu klein.   Sollten die Sea Lynx ab 2025 durch ein größeres Muster ersetzt werden, müssten die F123 einige Jahre bis zum Nutzungsende in den 30er Jahren ohne Bordhubschrauber fahren.

Alternativ könnten womöglich unbemannte Helikopterdrohnen eingerüstet werden. Die Marine beschafft gegenwärtig zwei Drohnen des Typs Skeldar V-200 für die Erprobung auf ihren Korvetten. Und auch Airbus arbeitet an einer größeren Hubschrauberdrohne mit der Bezeichnung VSR700, die dem Vernehmen nach für die Unterbringung auf den Korvetten zu groß ist, aber auf die  F123 passen würde.

Bei den anderen Fregatten können jeweils zwei Hubschrauber der NH90-Kategorie eingeschifft werden. Allerdings wäre es dann erforderlich, bei der Klasse 124 das Hangartor anzupassen. Wie es aus Werftkreisen heißt, ist dies allerdings ohne großen Aufwand möglich. Die Thematik wurde bereits vor einigen Jahren in einer Studie untersucht.

In der Vergangenheit soll bei den für die Marine eingesetzten NH90 anderer Nationen  immer wieder  Korrosion durch Seewasser aufgetreten sein. Wie der Hersteller Airbus dazu mitteilte, hat man die Problemstellen erkannt und Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Der Hubschrauber sei sehr gut gerüstet für nördliche Regionen, sagte ein Airbus-Sprecher. So verfüge der Helikopter über Enteisungsanlangen für wichtige Komponenten. Rotorkopf und Rotorblätter würden elektrisch vom Eis freigehalten.

Werden die zukünftigen Bordhubschrauber auch für die Bekämpfung von Überwasserschiffen eingesetzt, fungieren sie als Trägerplattform für Seezielflugkörper. Der NH-90 ist laut Hersteller für Außenlasten bis 600 kg zugelassen. Zum Einsatz sind offenbar keine speziellen Sensoren, sondern lediglich ein Waffenrechner erforderlich.

Für einen Einsatz des NH90 NFH spricht die Kommunalität bei Logistik und Ausbildungen mit den anderen NH90 der Bundeswehr. So nutzt etwa das  Heer den Hubschrauber für Transport- und Rettungsaufgaben. Die Marine beschafft ab dem kommenden Jahr 18 Maschinen des Typs unter der Bezeichnung Sea Lion für SAR-Aufgaben, um ihre 21 betagten Sea Kings zu ersetzten. Ausgebildet werden die deutschen NH90-Piloten im internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg. Die dortige Infrastruktur – wie etwa Simulatoren – können auch die Piloten der Marine nutzen.

Vorteile dürfte überdies die Interoperabilität mit anderen EU- und NATO-Nationen bringen.  So wurden nach Angaben von Airbus bislang 543 NH90 von insgesamt 14 Nationen – darunter Frankreich, Italien und die Niederlande –  bestellt. Davon wurden über 360 ausgeliefert, 80 in der Marineversion. Als problematisch bei Versorgung und Training gilt allerdings die Vielzahl der georderten Varianten. So weisen allein die deutschen Heeres-NH90 unterschiedliche Software-Stände auf.

Für die Auswahl von Airbus spricht auch ein industriepolitisches Argument: Der Hubschrauber würde am deutschen Standort Donauwörth endgefertigt, was Umsatz und Arbeitsplätze in Deutschland sichert.

Allerdings hat der NH90 in der Vergangenheit negative Schlagzeilen gemacht, weil die Klarstandsraten sehr niedrig waren.  Presseberichten zufolge hat sich die Lage in Bückeburg bei Zuverlässigkeit und Ersatzteilbeschaffung zwar erheblich verbessert, es gibt aber offenbar weiterhin Probleme. Wobei Insider darauf hinweisen, dass ein Teil der Schwierigkeiten auf die Strukturen innerhalb der Bundeswehr zurückzuführen ist. So sollen beispielsweise die neuseeländischen Streitkräfte aufgrund eines anderen Managements deutlich höhere Klarstände erzielen.

Nach Aussage von Airbus sind die Verfügbarkeitsraten des Hubschraubers von Nation zu Nation sehr unterschiedlich und reichen von etwa 30 Prozent bis ca. 80 Prozent. „Da das Instandsetzungs- und Wartungssystem für alle NH90 gleich ist, liegt es sehr stark an der Ausgestaltung des Versorgungs- und Organisationssystem der einzelnen Betreiber, wie hoch die erzielte Verfügbarkeit letztendlich ist“, teilt das Unternehmen dazu mit.
Speziell bei eingeschifften NH90 NFH liege die Verfügbarkeitsrate sehr hoch, da sich in diesem Fall in der Regel eine ausreichende Anzahl von technischem Personal und Ersatzteilen an Bord befänden.

Grundsätzlich scheint das BMVg weiterhin Potenzial für den gemeinsam mit Frankreich, Italien und den Niederlanden entwickelten NH90 zu sehen. So heißt es im Bericht des Ministeriums zu Rüstungsangelegenheiten vom März dieses Jahres: „Neben der Beherrschung derzeit noch bestehender technologischer und logistischer Herausforderungen ist mittelfristig die Weiterentwicklung des NH90 von besonderer auch rüstungspolitischer Bedeutung.“

Sikorsky bringt den Seahawk

Bei einer Ausschreibung müsste sich Airbus im Wettbewerb gegen den Konkurrenten Sikorsky durchsetzen. Das zu Lockheed Martin gehörende US-Unternehmen will im Fall einer Ausschreibung mit seinem neuen Marinehubschrauber MH-60R Seahawk antreten. Die Maschine mit einem maximalen Abfluggewicht von knapp 11 Tonnen ist  von seinen Dimensionen vergleichbar mit dem NH90. Und Sikorsky hat sich bereits Verstärkung für die Vermarktung des Helikopters in Deutschland geholt.  Im Oktober haben der Hubschrauberbauer und Rheinmetall eine Partnerschaft für das Angebot  der MH-60R an die Deutsche Marine vereinbart.

Für den Seahawk spricht laut Hersteller unter anderem seine außergewöhnlich hohe Verfügbarkeit. Nach Angaben von Sikorsky erreicht die US Navy eine Klarstandsrate von 98 Prozent. Gleichzeitig gehe die Navy von weniger als 5.000 USD operationeller Kosten pro Flugstunde aus, während der Wartungsaufwand bei weniger als 15 Mannstunden pro Flugstunde liege. Der Hubschrauber sei sowohl für die ASW als auch die ASuW geeignet und könne beide Aufgaben bei Bedarf gleichzeitig ausführen.

Nach Angaben von Sikorsky hat der Seahawk eine Flugdauer von etwa 2,7 Stunden in der ASW-Rolle und 3,3 Stunden beim AsuW-Einsatz. Die Seahawks der US Navy werden  immer in der Doppelfunktion Dipper/Pony eingesetzt und verfügen dafür über drei Mann Besatzung, die sich aus dem Piloten, Co-Piloten und Sensor-Operator zusammensetzt.

Im Einsatz befinden sich bereits mehr als 300 MH-60R, die von den USA, Dänemark und Australien genutzt werden. Saudi Arabien hat Maschinen bestellt. Sikorsky betont, dass alle Maschinen im vorgegebenen Zeitplan oder früher abgeliefert wurden. Die Seahawk-Helikopter des EU- und NATO-Partners Dänemark werden noch nicht in der ASW-Rolle eingesetzt. Die US Navy rechnet jedoch mit einem Upgrade der dänischen Maschinen. Ausgestattet sind die Seahawks mit Sensoren und Waffen aus US-Produktion. Nach Einschätzung der Navy handelt es sich um sehr gut aufeinander abgestimmte Systeme. Die Integration europäischer Komponenten dürfte deshalb kompliziert sein. Hersteller und Navy entwickeln den Hubschrauber ständig weiter. Dabei werde darauf  geachtet, dass nie mehr als zwei Basis-Software-Konfigurationen eingesetzt werden, erläuterte ein Navy-Vertreter. Wie der NH90 verfügt auch der Seahawk über Enteisungsvorrichten.

Wildcat aus dem Hause Leonardo

Als dritter Wettbewerber gilt die AW159 Wildcat von Leonardo, die das Unternehmen in Großbritannien fertigt.   Dabei handelt es sich um eine neu entwickelte Nachfolgeversion des Lynx in der Sechs-Tonnen-Klasse. Die geringeren Dimensionen des Hubschraubers im Vergleich zum Seahawk und dem NH90 würden es erlauben, ihn auch auf den Schiffen der Klasse F123 einzusetzen. Überdies dürften die Beschaffungs- und Unterhaltskosten vermutlich niedriger als bei den Konkurrenzprodukten ausfallen. Auch die Umschulung der Lynx-Piloten auf die Wildcat sollte aufgrund der großen Ähnlichkeit beider Baumuster schnell möglich sein.

Großbritannien hat 60 Exemplare der Wildcat geordert, die in der Marineversion zur Seezielbekämpfung genutzt werden. Die Briten setzen für ASW-Aufgaben allerdings den deutlich größeren Merlin AW 101 ein. Korea verwendet die Wildcat  auch für die U-Boot-Jagd. Laut Hersteller wird aufgrund der jahrzehntelangen Erfahrungen das Problem der Korrosion durch Seewasser beherrscht und eine hohe Verfügbarkeit sichergestellt.

Wie es aus Marinekreisen heißt, muss der Nachfolger der Sea Lynx aus Sicht des Nutzers in erster Linie die aufgestellten Forderungen erfüllen. Wichtig sei überdies, dass der Zulauf im gesteckten Zeitrahmen erfolgt. Nicht zuletzt strebt die Marine auch eine möglichst einheitliche Hubschrauber-Flotte an.
lah/2.11.2018

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