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Schwierigkeiten bei Bergung des gekenterten nordkoreanischen Zerstörers

Alexander Luck

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Als der erste nordkoreanische „5.000 Tonnen-Mehrzweckzerstörer“ der Choe Hyon-Klasse am 25. April 2025 in Nampo an der Westküste des Landes formell getauft und in Dienst gestellt wurde, sorgte das Ereignis in der Fachpresse für Schlagzeilen. Die Zeremonie in Anwesenheit von Diktator Kim Jong Un und hochrangigen Offiziellen wurde von nordkoreanischen Staatsmedien mit umfangreicher Film- und Bilddokumentation begleitet. Die vordergründig imposante Entwicklung wurde durch Waffentests unterstrichen, die das neue Kampfschiff bereits wenige Tage später im Hafen von Nampo durchführte.

Wie auch hartpunkt im Rahmen des Ereignisses berichtete, befand sich zu diesem Zeitpunkt ein zweiter Zerstörer des gleichen Typs in Chongjin, einer Hafenstadt an der Nordostküste des Landes, in der Endfertigung. Im Gegensatz zum medial eindrucksvollen in Szene gesetzten Zeremoniell in Nampo geriet der Stapellauf des zweiten, bisher unbenannten Kampfschiffes in Chongjin allerdings zum Desaster.

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Chongjin hat über die letzten Jahrzehnte kleine bis mittelgroße Frachtschiffe und eine überschaubare Zahl an Kampfbooten für die nordkoreanische Marine konstruiert. Die Werft ist nominell in der Lage, Schiffe bis zu einer Wasserverdrängung von 14.000 Tonnen zu bauen. Dafür werden aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse im Hafenbereich Neukonstruktionen quer zu Wasser gelassen.

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Dies ist eine übliche und weit verbreitete Vorgehensweise vor allem für kleinere und an Flüssen gelegene Werften. Dieses Vorgehen steht im Kontrast zu Arbeitsabläufen in Nampo, wo der Zerstörer „Choe Hyon“ im Längsstapellauf zu Wasser gelassen wurde.

Älteres Bild der Werft Chongjin – Helling in rot – Standort Fertigungshalle grün. – (Bild: Google Earth)

Das neue Schiff wurde um den 20. Mai aus der mit Planen bedeckten Fertigungsbucht mittels Schienen auf die Helling gerollt. Der Stapellauf erfolgt mit dem gleichzeitigen Herabrollen der über die Schiffslänge verteilten Schlitten unter dem Rumpf, bis dieser im Wasser aufschwimmen kann. Beim Stapellauf in Chongjin kam es diesem Arbeitsschritt zu einem ernsthaften Zwischenfall. Mehrere Schlitten unter dem Heck des neuen Zerstörers wurden entsperrt, während die verbliebenen Träger verriegelt blieben. Als Konsequenz wurde der Rumpf achtern ins Wasser geschoben, was zum teilweisen Kentern des Schiffs führte, während das Vorderschiff auf der Helling steuerbord zu Boden ging.

Typschiff Cheong Hyon Bei Indienststellung in Nampo April 2025
Typschiff Cheong Hyon Bei Indienststellung in Nampo April 2025. (Bild: Nordkoreanische Staatsmedien)

Nordkoreanische Staatsmedien bestätigten den Zwischenfall ungewöhnlich schnell, mit einer Stellungnahme am 22. Mai. Die Mitteilung beschrieb den Unfall am 21. Mai und erwähnte, dass Kim Jong Un das Ereignis verfolgt habe. Ob der nordkoreanische Diktator persönlich zugegen war, bleibt unklar. Die Darstellung der Pressemitteilung ist, dass der Unfall auf menschlichem Versagen beruhte und dass eine Ermittlung weitere Schritte entscheiden wird.

Eine am 24. Mai publizierte Stellungnahme der Staatspresse Rodong kündigte an, dass drei führende Vertreter der Werft in Haft genommen wurden. Bei den Personen handelt es sich um Chefingenieur Kang Jeon-cheol, Baudock-Vorsteher Han Gyong-hak und den Administrator Kim Yong-hak. Weitere Schritte wurden nicht detailliert. Angesichts regelmäßiger Berichte aus Nordkorea über publikumswirksame, ungewöhnlich brutale Strafen dürften die Konsequenzen für die Betroffenen wenig erfreulich sein.

Bezüglich des Schadens am Schiff bleibt die weitere Entwicklung unklar. Die erste Mitteilung der nordkoreanischen Presseagentur KCNA sprach von Rumpfschäden und „Löchern im Schiffsboden“. Eine Aktualisierung am 23. Mai dagegen behauptete, diese Darstellung sei nicht korrekt. Das Auspumpen der gefluteten Bereiche des Schiffs würde zwei bis drei Tage in Anspruch nehmen, und der Zerstörer innerhalb von zehn Tagen geborgen werden.

Erste Satellitenbilder des Vorfalls, publiziert vom Open Source Centre auf der Plattform X zeigen das Schiff auf der Steuerbordseite liegend teilweise unter Wasser im Hafenbecken, während der Bug auf der Helling verbleibt. Auffällig ist die großzügige Bedeckung des Schiffs mit zahlreichen blauen Planen. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben. Abgesehen davon, dass man dem westlichen Ausland so wenig Einblick wie möglich in das Ausmaß des Schadens gewähren möchte, dürfte es auch darum gehen, weitere Flutung durch Niederschläge im regelmäßig, um diese Jahreszeit verregneten Chongjin zu vermeiden.

Weitere optische und radar-basierte Satellitenbilder, die dem Autor vorliegen, zeigen allerdings auch, dass die Bergung von Rückschlägen und Verzögerungen begleitet wird. Eine Aufnahme in SAR (synthetic aperture radar) zeigt, dass die Bergungskräfte zunächst in der Lage waren, den Rumpf teilweise aufzurichten. Eine Folgeaufnahme durch einen optischen Satelliten allerdings zeigt das Schiff in leicht veränderter Lage erneut auf der Steuerbordseite im Wasser. Zudem fallen zahlreiche Ballons auf, die um das Schiff verteilt sind. Dabei scheint es sich nicht um typische Hebesäcke zu handeln, die bei der maritimen Bergung üblichsind und an der Wasseroberfläche treiben. Stattdessen ist eine Vielzahl von in der Luft hängenden Ballons zu beobachten, deren Zahl im Verlauf der weiter andauernden Bergung zunimmt.

Es ist naheliegend, dass der Vorfall die Bauwerft vor bisher ungekannte Herausforderungen stellt. In diesem Zusammenhang erscheint der angekündigte Zeitplan zur Bergung zumindest zweifelhaft. Darüber hinaus dürfte auch das Ausmaß des Schadens höher sein als angegeben. Ob strukturelle Schäden am Schiffsrumpf eine Reparatur in Frage stellen, bleibt allerdings bisher unbekannt.

Der Vorfall illustriert die Herausforderungen, mit denen nordkoreanische Werften konfrontiert werden, um den ambitionierten Plan Kim Jong-uns umzusetzen und die Marine des Landes in eine modernere Streitkraft zu transformieren. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Rückschläge wie in Chongjin die Strategie des Regimes in Pyongyang grundlegend ändern. Ob und wie eine Bestrafung der zur Verantwortung gezogenen Offiziellen allerdings die weitere Entwicklung befördern oder behindern wird, bleibt ebenso abzuwarten.

Autor: Alexander Luck ist Analyst für Rüstungspolitik mit Schwerpunkt Marine und Luftfahrt. Sein Fokus liegt auf dem indopazifischen Raum, besonders Entwicklungen in China, Ostasien und Australien.