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Nordkorea stellt schwerbewaffneten Lenkwaffenzerstörer „Choe Hyon“ in Dienst

Dimitris Mitsopulos und Alexander Luck

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Nordkorea – die offizielle Bezeichnung des Landes lautet „Demokratische Volksrepublik Korea“ – hat in einer Zeremonie am 25. April 2025 sein modernstes und bei weitem größtes Kriegsschiff, den Zerstörer „Choe Hyon“, in Dienst gestellt, dessen Bewaffnung und Sensorausstattung einige Fragen aufwirft. Das Ereignis fand in Nampo, gelegen an der Westküste des Landes, etwa 50 km von Pjöngjang, statt.

Das neue Schiff erhielt die Bordnummer 51 in einer Feier, der auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und seine Tochter Kim Ju Ä beiwohnten. Ebenfalls anwesend war eine Vielzahl ranghoher Militärs des Landes, einschließlich des Oberkommandierenden der Marine, Admiral Kim Myong Sik, sowie das Führungspersonal der Ost- und Westflotten Nordkoreas.

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Bereits am 28. und 29. April führte das neue Kampfschiff eine scheinbar erstmalige Erprobung verschiedener Waffensysteme durch. Bei dieser Gelegenheit ließen sich weitere technische Details bezüglich der vielfältigen Flugkörperbewaffnung erkennen.

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Namensgeber des Kriegsschiffs ist Choe Hyon (1907-1980), eine Schlüsselfigur des koreanischen Unabhängigkeitskampfes gegen die japanische Besatzung. Cho, Politiker und General des Landes, galt als einer der ranghöchsten militärischen Befehlshaber der nordkoreanischen Streitkräfte. Er diente weiterhin als Verteidigungsminister und galt als Vertrauensperson Kim Il Sungs, dem Gründer Nordkoreas und Großvater von Kim Jong Un.

Das neue Kampfschiff, erstmalig bildlich dokumentiert im Dezember 2024, wurde in einer neuen Fertigungshalle der Marinewerft in Nampo konstruiert. Die Indienststellung fand an einem nahegelegenen zivilen Terminal statt. Teil der Veranstaltung war eine Ausstellung verschiedener in das Schiff eingerüsteter Waffensysteme in einem Bereich neben der Anlegestelle.

Kampfschiff mittlerer Größe mit schwerer Flugkörperbewaffnung

Das amerikanische Forschungsinstitut CSIS bemisst die Länge der Choe Hyon anhand von Satellitenbildern auf etwa 142 Meter. Auch wenn die Breite unbekannt bleibt, dürfte der Zerstörer basierend auf diesen Abmessungen etwa 4.500 bis 5.000 Tonnen verdrängen. Nordkoreanische Staatsmedien bezeichneten den Entwurf in ihrer Berichterstattung als „5.000-Tonnen-Mehrzweck-Zerstoerer“. Das Kriegsschiff weist rein optisch gewisse Ähnlichkeiten mit südkoreanischen Entwürfen wie den leichteren Fregatten der „FFX/Daegu/Chungnam“-Serie auf. Auch der etwas größere südkoreanische Zerstörer-Typ der KDX-II-Klasse, auch bekannt als Chungmugong Yi Sun, kommt bei oberflächlicher Betrachtung in den Sinn.

Der neue Zerstörer-Typ ist nicht nur ausgesprochen schwer bewaffnet. Die Flugkörper-Ausstattung ist auch äußerst vielfältig. Insgesamt sind auf dem Schiff mindestens vier, möglicherweise aber sogar fünf verschiedene Startanlagen für Lenkwaffen vorzufinden. Die Gesamtzahl liegt bei 74 Zellen. Zusätzlich ist die Choe Hyon mit mutmaßlich acht weiteren Flugkörpern in konventionellen Startern und acht Flugabwehrraketen als Teil eines kombinierten Nahbereichsverteidigungssystems der Pantsir-M-Familie ausgestattet.

Die Vielzahl an Senkrechtstartanlagen für diverse Flugkörper ist in diesen Bildern deutlich erkennbar. (Bild: NK Staatsmedien)

Die Gesamtzahl der senkrecht zu startenden Flugkörper teilt sich auf 44 Zellen auf dem Bug und weitere 30 Silos achtern auf. Vor der Brücke finden sich 32 kompakte Zellen, ersten Bildern von Schiessversuchen zufolge für Flugabwehrraketen unbestimmter Reichweite. Zwölf Starter mittlerer Größe dienen sehr wahrscheinlich dem Verschuss von Marsch- oder Seezielflugkörpern. Alle Zellen verwenden das Kaltstart-Prinzip, nach dem die Flugkörper Triebwerke erst nach dem Ausstoßen zünden. Die Starter weisen darüber hinaus eine gewinkelte Bauweise auf, um im Fall von Antriebsversagen den Flugkörper seitlich des Schiffs auszuwerfen.

Achtern setzt sich die Vielfalt der Startanlagen fort, mit zwei verschiedenen Startanlagen für Hwasal-2-Marschflugkoerper sowie den unbekannten überschallschnellen Landzielflugkörper. Die größten Starter achtern sind hochwahrscheinlich für den Verschuss von ballistischen Raketen der Hwasong 11-Familie bestimmt.

Bild oben links: Korvette der Amnok-Klasse beim Verschuss eines Hwasal-2-Marschflugkörpers. Zu beachten das Gehäuse der Startanlage, ebenfalls vorhanden auf Choe Hyon. Bildquelle NK-Staatsmedien. Bild unten links: Abschuss eines Marschflugkörpers, mutmaßlich Hwasal-2 aus dem Magazin achtern auf Choe Hyon. Bild rechts: Verschuss eines mutmaßlichen überschallschnellen Marschflugkörpers aus dem Magazin achtern auf Choe Hyon. (Bilder: NK Staatsmedien)

Mittschiffs finden sich weitere Flugkörperstarter unter einer Abdeckung mit seitlich angeordneten Schiebetüren. Auf den kleineren Korvetten der Amnok-Klasse tragen diese Starter Marschflugkörper hoher Reichweite des Typs Hwasal-2. Auf der Choe Hyon wird dieser Typ aus der Senkrechtstartanlage achtern verschossen. Dies lässt den Schluss zu, dass die konventionellen Starter für die Kumsong-3, eine nordkoreanische Adaption des russischen Kh-35- Seezielflugkörpers, verwendet werden.

Die Kumsong-3 war Teil einer Ausstellung auf dem Hafengelände neben dem neuen Zerstörer. Weiterhin zu sehen in der nordkoreanischen Berichterstattung der Veranstaltung war ein Pantsir M-Turm, der Flugabwehrkanonen und Flugkörper kombiniert. Ein dazugehöriger, zweistufiger Flugkörper des Typs 57E6M war vor dem Turm zu sehen. Zwei Marschflugkörper nordkoreanischer Herkunft waren ebenfalls Teil der Ausstellung, zusammen mit einer ballistischen Rakete der Hwasong 11-Reihe. Bei einem der Marschflugkörper handelte es sich um eine Hwasal-2. Der andere Flugkörper ist möglicherweise die überschallschnelle Waffe, die von nordkoreanischen Staatsmedien in der Erprobung der Choe Hyon erwähnt wird.

Nordkoreanische Militärs beim Rundgang durch die Waffenschau für die Choe Hyon. Kumsong-3 in hellblau, Hwasal-2 und mutmaßliche überschallschnelle Variante in dunkelblau, RPK-ähnliche Waffe in schwarz direkt vor Kumsong-3. (Bild: NK Staatsmedien)

Andere Flugabwehrraketen waren in der Ausstellung nicht erkennbar. Diese Abwesenheit macht die genaue Zusammensetzung der Flugkörperausstattung auf Choe Hyon umso rätselhafter.

U-Boot-Abwehr und Herkunft des Hauptgeschützes als weitere Rätsel

Weiterhin Teil der genannten Ausstellung waren Überwasser-Starter für Schwergewichtstorpedos und U-Boot-Abwehr-Flugkörper. Die gezeigte Torpedorohr-Anlage weicht vom auf Choe Hyon integrierten Entwurf ab. Das verbaute Waffensystem ist ein Doppelrohr, von dem zwei Einheiten back- und steuerbord hinter der Brücke in den Aufbau integriert sind. Der Zerstörer besitzt ein Bugsonar, während eine Luke für ein Schleppsonar nicht erkennbar ist.

Ein bemerkenswertes Detail der Ausstellung war ein Waffensystem, das stark den sowjetischen U-Boot-Abwehr-Flugkörpern der RPK-Baureihe, NATO-Bezeichnung SS-N-16, ähnelt. Die aus Torpedorohren verschossenen RPK-6 und -7 können einen 400 mm-Leichtgewichtstorpedo oder eine nukleare Wasserbombe bis zu einer Entfernung von 100 km tragen.

Bordgeschütz bei der Erprobung am 29. April. Das Kaliber von 127 mm entspricht überraschenderweise westlichen Geschützen. (Bild: NK Staatsmedien)

Auf dem Bug findet sich ein Hauptgeschütze unbekannten Typs vor den Flugkörperstartern. Trotz optischer Ähnlichkeiten mit Produkten des italienischen Herstellers Leonardo bzw. OTO Melara scheint es sich um eine einheimische Konstruktion zu handeln. Eine direkte Beziehung zu russischen Entwicklungen ist nicht erkennbar. Die Bedienung scheint rein manuell zu erfolgen. Der Turm weist mehrere Belüftungsöffnungen und eine per Hand zu öffnende Luke für ein optisches Messinstrument auf. Das Geschütz hat nach offiziellen Angaben ein Kaliber von 127 mm. Dies ist insofern überraschend, da Nordkorea bisher im Wesentlichen von russischen Kalibern, etwa 100 und 130 mm Gebrauch macht.

Über die offensive Bewaffnung hinaus weist der Zerstörer eine relativ robuste Ausstattung mit Selbstverteidigungssystemen auf. Dazu gehören zwei Geschütze des russischen Typs AK-630, in 30 mm back- und steuerbord. Die Gehäuse für diese Waffen ähneln bemerkenswerterweise eher der AK-230, dem unmittelbaren Vorgänger der AK-630. Achtern hinter den dortigen Flugkörperstartern findet sich das bereits genannte Pantsir-M mit zwei Vierfachstartern für Flugabwehrraketen kurzer Reichweite und zwei weiteren 30 mm-Kanonen.

Bild links: Verbaute Maschinekanone AK-630 und Zwillingstorpedorohr. Bild rechts: Detailansicht der AK-630 beim Testschiessen am 29. April 2025. (Bilder: NK Staatsmedien)

Komplettiert wird die defensive Ausstattung mit vier Werfern für Täuschkörper und, interessanterweise, vier Startern für jeweils vier Panzerabwehr-Lenkflugkörpern des Typs Bulsae-4.

Planares Radarsystem und vielfältige EloKa-Ausstattung, Feuerleitung unklar

Die Sensorausstattung beinhaltet ein groß dimensioniertes planares Radarsystem, umgangssprachlich als „Phased Array Radar“ bezeichnet, mit vier Emittern in 360 Grad-Anordnung über der Brücke. Auffallend am fertiggestellten Entwurf ist, dass die Öffnungen unterhalb der Brücke, die während der Konstruktionsphase für Installation weiterer Radaranlagen bestimmt zu sein schienen, keine erkennbaren Emitter aufweisen.

Bild oben links: Starter für Panzerabwehrflugkörper Bulsae-4. Bild unten: Start einer Flugabwehrrakete aus dem vorderen Magazin auf Choe Hyon. Bild oben rechts: Vergleichsbild zeigt russisches 5P-10E, das den beiden Feuerleitradaren auf Choe Hyon stark ähnelt. (Bilder: NK Staatsmedien und U.S. Navy)

Die Choe Hyon trägt weiterhin zwei mechanisch richtbare Feuerleitanlangen auf dem Brückendach. Achtern sind keine weiteren Feuerleitanlange erkennbar. Die beiden Radaranlagen ähneln dem russischen 5P-10E Puma. Das Modell dient der Feuerleitung von Schiffsgeschützen im Kaliber 30 bis 130 mm. Die nordkoreanischen Anlagen dürften daher für die AK-630 und potentiell das Hauptgeschütz zuständig sein und nicht der Lenkung von Flugkörpern dienen. Der Hauptmast über der Brücke trägt überdies ein Luft- und Seeraumüberwachungsradar der russischen Modell 362/MR-36-Familie, zwei Navigationsradare sowie Instrumenten für Freund/Feind-Kennung (IFF). Weitere über den Aufbau verteilte Anlagen dienen der elektronischem Kampfführung.

Die Feuerleitung für Flugkörper bleibt ein weiteres Rätsel des Entwurfs. Lenkung durch das Hauptradar ist eine mögliche Erklärung. Alternativ könnten vorhandene Flugabwehrraketen eine aktive Lenkung aufweisen.

Der Antrieb ist ebenfalls ungeklärt, dürfte aber wahrscheinlich Dieselmotoren verwenden. Der Zerstörer besitzt zwei Bugstrahlruder für verbesserte Wendigkeit beim An- und Ablegen.

Die Choe Hyon besitzt ein Hubschrauberlandedeck, aber keinen Hangar, was den Einsatz von eingeschifften Hubschraubern beschränkt. Eine Verwendung von Drohnen, einschließlich der Aufklärung und Zielbeleuchtung für die Vielfalt an See- und Landzielflugkörpern erscheint denkbar. Zwei kompakte Rolltore, die in den Aufbau führen, mögen der Unterbringung oder Wartung von Drohnen dienen, könnten aber auch Versorgungszugänge zum Schiff sein.

Eine nordkoreanische Hochseeflotte?

Nordkoreanische Staatsmedien betonten die Bedeutung der Choe Hyon als Teil einer weitreichenden Agenda zur Transformation der Marine in eine hochseefähige Streitkraft. Der Auslöser dafür mag zum Teil durch Pjöngjangs Motivation sein, nicht zu stark hinter anderen regionalen Marinen zurückzufallen. Der intensive Ausbau von hochseefähigen Kampfeinheiten ist ein klar erkennbarer Trend in weiten Teilen Ost- und Südostasiens, einschließlich der südkoreanischen Marine. Nordkorea hatte zuletzt 2023 ein stark modifiziertes U-Boot der sowjetischen Romeo-Klasse zu Wasser gelassen, das mit ballistischen Raketen und Marschflugkörpern ausgestattet ist. Zudem treibt Pjöngjang den Bau eines nuklear angetriebenen U-Boot-Typs voran.

Nordkoreanisches modifiziertes U-Boot der Romeo-Klasse beim Stapellauf September 2023. (Bild: NK Staatsmedien)

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass die Choe Hyon scheinbar für die Ostflotte des Landes, zuständig für die Seegebiete gegenüber Japan, vorgesehen ist. Kim Jong Un übergab eine Flagge für das Schiff an den Oberkommandeur der Ostflotte, Vizeadmiral Pak Kwan Sop.

Wie viele weitere Einheiten des gleichen Typs folgen sollen, bleibt unklar. Mindestens ein weiterer Zerstörer der Klasse ist scheinbar in einer zweiten Bauwerft in Cheongjin, an der Ostküste des Landes, im Bau. Kim Jong Un scheint sich einer ambitionierten Politik des Ausbaus der nordkoreanischen Marinefähigkeiten über und unter Wasser gewidmet zu haben. Auch wenn erkennbar viele Details bezüglich genauer Fähigkeiten im Dunkeln bleiben, stellen die Choe Hyon und zukünftige Schwesterschiffe in diesem Zusammenhang eine erkennbare Steigerung in quantitativer und qualitativer Hinsicht für die nordkoreanische Volksmarine dar.

Autoren: Diese Analyse, in Zusammenarbeit zwischen Dimitris Mitsopulos und Alexander Luck ist zuvor in englischer Sprache auf der hartpunkt-Partnerseite Naval News erschienen.