Loitering Munition bzw. Einweg- bzw. Strike-Drohnen sind eine Wirkmittelkategorie, die seit über einem Jahrzehnt in einigen westlichen Streitkräften – in Vergangenheit zumeist bei Spezialkräften – genutzt wird. Im Zuge des nunmehr dreijährigen Ukrainekrieges haben diese Systeme jedoch einen bis dato nicht dagewesenen Technologiesprung gemacht, so dass sich verschiedene Vertreter dieser Wirkmittelkategorie zu kostengünstigen und massentauglichen Waffensystemen entwickeln konnten. Selbst eingefleischte Skeptiker der Drohnenkriegsführung sind überzeugt davon, dass die damit verbundenen Technologien prägend für das zukünftige Gefechtsfeld sein werden. Der Aufbau von Fähigkeiten auf diesem Gebiet – sowohl was die Technologiebasis angeht, als auch die industriellen Kapazitäten für die Produktion sowie die militärischen Strukturen für den Einsatz der solcher Systeme – sollte daher von besonderem nationalem Sicherheitsinteresse sein.
Nach einem vergeudeten Jahrzehnt der „gesellschaftlichen Debatte“ über das Für und Wider von bewaffneten Drohnen – wo die einzelnen Standpunkte am Ende der Debatte genauso festzementiert waren wie zu Beginn – und dem anschließenden vorsichtigen Herantasten der Bundeswehr an die Thematik Loitering Munition, ist zu begrüßen, dass in Kürze erste Systeme beschafft werden, um diese ausgiebig in der Truppe testen zu können.
Es mutet schon als ein Treppenwitz der Geschichte an, dass der Beschluss für den Kauf der ersten Loitering Munition nun einem SPD-Verteidigungsminister zukommt, dessen Partei seit über einem Jahrzehnt bei der Drohnenkriegsführung gebremst hat und mit Verweis auf alle möglichen Bedenken jegliche Entwicklung der Bundeswehr auf diesem Gebiet gehemmt hat. Die SPD-Kritik in diesem Zusammenhang bezieht sich nicht auf das Anzeigen von potenziellen Gefahren der Drohnenkriegsführung, sondern auf das fehlende Vertrauen vieler SPD-Vertreter, dass Deutschland im Allgemeinen und die Bundeswehr im Speziellen verantwortungsvoll mit den neuen Technologien umgehen wird.
Wie dem nun auch sei, die Bundeswehr ist jetzt in der finalen Phase der Beschaffung von mehreren unterschiedlichen Loitering-Munition-Systemen. Wie es aus Kreisen des Bundesministeriums der Verteidigung heißt, sollen dazu Verträge mit mehreren Anbietern geschlossen werden. Nach Kenntnisstand des Autors sollen für die Tests Systeme der beiden deutschen Start-Ups Helsing und STARK gekauft werden. Im Anschluss soll noch dieses Jahr der Test der Loitering Munition in der Truppe stattfinden, so dass am Ende des Jahres Beschaffungsentscheidungen für größere Stückzahlen getroffen werden können.
Dieser Ansatz erscheint in doppelter Hinsicht als zweckmäßig und richtig. Zuerst einmal ist es zu begrüßen, dass offensichtlich Systeme deutscher Hersteller ausgewählt wurden, die beide zudem angeben, dass Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg in die Designentwürfe eingeflossen sind und weiterhin einfließen. Dieser industriepolitisch wertvolle Schritt erlaubt es mit der Drohnenkriegsführung verbundene Fähigkeiten im Land zu halten und gegebenenfalls noch weiter auszubauen. Mit zunehmender Bedeutung der Systeme für die moderne Kriegsführung hätte man so eine gute Basis für die Weiterentwicklung der Technologien sowie deren Einsatz in den Streitkräften.
Weiterhin ist es zu begrüßen, dass bei der Beschaffung der Systeme neue Wege beschritten werden, die es der Truppe erlauben, schneller als bisher mögliche Zukunftssysteme vor der finalen Beschaffungsentscheidung ausgiebig testen zu können. So kann sichergestellt werden, dass keine „Katze im Sack“ gekauft wird. Im Rahmen der Tests müssen die Hersteller nachweisen, dass die Produkte auch tatsächlich das halten, was versprochen wurde. Zudem kann das Feedback der Truppe sicherlich dazu benutzt werden, die Systeme so weiterzuentwickeln, dass ein noch größerer und schnellerer Nutzen für die Bundeswehr generiert werden kann. Die Evolution solcher Systeme in der Ukraine, die auf Grundlage des Fronteinsatzes insbesondere softwareseitig quasi wöchentlich weiterentwickelt und verbessert werden, spricht Bände. Es muss jedem bewusst sein, dass hier nicht Systeme und Technologien beschafft werden, die über mehrere Jahrzehnte und Kriege hinweg weiterentwickelt wurden, sondern die noch mitten im Entwicklungsprozess stehen. Man muss dazu nur in die Historie blicken und sich fragen, wie lange es gedauert hat, bis die sogenannten Kinderkrankheiten des Tornados oder des Pumas abgestellt waren und die volle Einsatzreife der Waffensysteme erreicht wurde. Beim Thema Loitering Munition wird es sicherlich ähnliche Hürden im Einführungsprozess geben, vermutlich aber mit deutlich strafferen Zeitlinien.
Der eingeschlagene Weg der Bundeswehr hat zumindest das Potenzial dafür, dass Produkte ausgewählt und beschafft werden, deren Fokus weniger auf der Erfüllung aller möglichen Bundeswehrforderungen liegt, sondern deren Fokus auf die Fähigkeit der Anbieter gerichtet ist, die Systeme stetig „state of the art“ zu halten und bei Bedarf die Produktion so zu skalieren, dass auch große Stückzahlen schnell verfügbar gemacht werden können.
Waldemar Geiger