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Zieldarstellungsdrohnen – Mehr als nur Flakfutter

Niklas Graf

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Unbemannte Flugsysteme (UAS) haben in den letzten Jahren den unteren Luftraum bevölkert wie bisher nur Vögel. Für Urlaubsbilder, Industrieinspektionen, Medikamentenlieferungen bis hin zu militärischen Aufklärungsmissionen und dem Zerstören von gepanzerten Fahrzeugen finden sich passende Drohnen auf dem Markt. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entwickelt sich dieser Markt im militärischen Bereich rasant weiter. Loitering Munitions, One-Way Attack Drones, FPV-Quadcopter (First Person View) und Multicopter stehen dabei klar im Fokus. Eine besondere Art UAS findet allerdings nur selten Erwähnung, obwohl sie seit Jahrzehnten von Streitkräften eingesetzt wird, für moderne Konflikte aufgerüstet werden kann und für den Luftkampf der Zukunft wichtige Grundlagen liefert: Zieldarstellungsdrohnen.

Zieldarstellungsdrohnen werden für Übungen mit Flugabwehrsystemen eingesetzt und ermöglichen den scharfen Schuss auf ein reales Ziel, aber auch kosteneffiziente Übungen ohne, dass ein Abschuss erfolgen muss. Die ersten unbemannten Fluggeräte zur Zieldarstellung wurden ab dem Ersten Weltkrieg in Großbritannien entwickelt und nutzten umgebaute, ursprünglich bemannte Flugzeuge.

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Im Zweiten Weltkrieg entwickelten die Vereinigten Staaten für diesen Zweck neue unbemannte Fluggeräte und produzierten sie in großen Stückzahlen industriell. Damit gehörten die Zieldarstellungsdrohnen zu den ersten ferngelenkten Flugsystem überhaupt und waren Ausgangspunkt für heutige Starrflügel-Drohnen.

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Über die Jahre haben sich die Zieldarstellungsdrohnen parallel zu den Fortschritten in der bemannten Luftfahrt wesentlich verändert, aus den stoffbespannten Holz- und Rohrkonstruktionen mit einfachsten Funksteuersystemen sind moderne Fluggeräte aus Faserverbundmaterialien geworden. Außerdem können nicht nur Starrflügelflugzeuge, sondern auch Marschflugkörper, Anti-Radar-Raketen und Helikopter simuliert werden.

Typisch für moderne Starrflügel-Zieldarstellungsdrohnen sind Katapultstarts und Landefallschirme, sodass nur wenig Infrastruktur am Boden erforderlich ist. Um einem realen Ziel wie einem Kampfjet möglichst ähnlich zu sein, ist die Fluggeschwindigkeit meistens höher als bei vergleichbar großen Drohnen für Aufklärungsaufgaben.

Die operationelle Reichweite im Übungsbetrieb ist primär durch die Kommunikationssysteme begrenzt und beträgt circa 100 km, aus den Herstellerangaben zu den typischen Flugzeiten und Fluggeschwindigkeiten gehen höhere Werte für die maximal erreichbaren Flugdistanzen hervor. Erzielt werden diese Parameter mit dem Einsatz von Kolbenverbrennungsmotoren oder kleinen Jettriebwerken. Die mitführbaren Nutzlasten bestehen für den Übungsbetrieb beispielsweise aus Infrarot- und Radartäuschmitteln, Transpondern zur Freund-Feind-Erkennung oder Radarreflektoren.

Diese Ausstattung ermöglicht die Übung mit Luft-Luft-Waffensystemen wie beispielsweise Meteor, IRIS-T, AMRAAM und Aim-9 Sidewinder, Boden-Luft-Waffensystemen wie Stinger, IRIS-T SL, Starstreak und Patriot und verschiedenen Rohrartilleriesystemen. Bei den Übungen mit Luft-Luft-Systemen kommen noch heute umgerüstete Kampfflugzeuge zum Einsatz, allerdings wird auch diese Rolle mangels verfügbarer Jets in naher Zukunft von extra dafür entwickelten Zieldarstellungsdrohnen übernommen. Mit steigender Komplexität der Luftkampfsysteme steigen auch die Anforderungen an die Übungsziele, die diesen so nahe wie möglich kommen müssen. Daher wird in den Vereinigten Staaten im Rahmen des „5th Generation Aerial Target“ (5GAT) -Programms an einem neuen Fluggerät gearbeitet, das eine angemessene Zieldarstellung für Kampfflugzeuge der fünften Generation leisten soll.

Neben den Übungszwecken zeigen sich Zieldarstellungsdrohnen aber auch für den Luftkampf der Zukunft als wichtige Plattformen. Die hierfür relevanten Projekte wie beispielsweise das europäische Future Combat Air System (FCAS) und das US-amerikanische Programm Next Generation Air Dominance (NGAD) sehen den gemeinsamen Einsatz von bemannten und unbemannten Fluggeräten, das sogenannte Manned Unmanned-Teaming (MUM-T), vor. Für Versuche und Flugexperimente werden modifizierte Zieldarstellungsdrohnen eingesetzt und von anderen Flugzeugen aus gesteuert, von Frachtflugzeugen in der Luft abgesetzt oder automatisiert betankt. Damit ermöglichen sie das Erarbeiten von Grundlagen und Sammeln von Daten mit gut erprobten und sicheren Fluggeräten, mit welchen die Streitkräfte bereits vertraut sind. Die für Zieldarstellung zuständige Airbus Defence and Space Target Systems & Services nutzt für diese Zwecke eine Variante der Do-DT25, die Do-TP25, die 34kg Nutzlast mitführen kann und Geschwindigkeiten von 300kts (556km/h) erreicht.

Das britische Unternehmen QinetiQ führt ähnliche Versuche mit ihren Drohnen Banshee Jet 80 durch, weiterführend ist eine daran angelehnte Neuentwicklung mit dem Namen Jackdaw geplant. Dieses Fluggerät soll nicht nur zur Zieldarstellung, sondern auch als Remote Carrier für Aufklärung, elektronische Kriegsführung und als Ablenkziel dienen, in Schwärmen zusammen mit bemannten Fluggeräten arbeiten und dabei günstig und in hohen Stückzahlen verfügbar sein. Damit bildet dieses System eine direkte Verbindung zwischen den Zieldarstellungsdrohnen und den Loyal Wingman UAS für zukünftige Luftkampfsysteme.

Dass Zieldarstellungsdrohnen bereits jetzt in aktiven Konflikten eine Rolle spielen, zeigten Bilder einer zur One-Way Attack Drone (OWA-UAV) modifizierten Banshee Jet 80+ des britischen Unternehmens QinetiQ, die über einem russisch kontrolliertem Gebiet der Ukraine abstürzte. Die Leistungsdaten nicht nur dieser Zieldarstellungsdrohne zeigen, warum ein solcher Einsatz attraktiv sein kann: Neben den hohen Fluggeschwindigkeiten, die allerdings mit eher kurzen Flugzeiten verbunden sind, können mehrere Kilogramm Nutzlast mitgeführt werden, die bei dem eigentlich vorgesehenen Einsatzzweck sonst mit Täuschkörpern, dem Landefallschirm und weiteren Systemen für den Übungsbetrieb belegt sind. Der Start per Katapult benötigt kaum Boden-Infrastruktur und das Fluggerät ist bereits gut erprobt und befindet sich in einer Serienfertigung. Abgesehen von der geringeren Reichweite ähneln die Parameter damit stark denen der Sahed-238. Von den wenigen verfügbaren Angaben zu den Kosten der Systeme ausgehend, dürften auch die Preise pro Fluggerät in einem ähnlichen Rahmen liegen.

Übersicht und Leistungsdaten unterschiedlicher Zieldarstellungsdrohnen
HerstellerModellTypAbflugmasseNutzlastGeschwindigkeitFlugzeit
AirbusDo-DT25Fixed Wing – Jet144 kgk.A.max. 300 kts60 min
AirbusDo-DT45Fixed Wing – Jet95 kgk.A.max. 450 kts40 min
AirbusDo-TP25Fixed Wing – Jet144 kg34 kgmax. 300 kts60 min
AirbusDo-DT55 neoAir-Launched Missile22 kgk.A.max. 485 kts5 min
Airbus/DroneDreamsSwarming Mini DroneQuadcopter1,9 kg0,4 kgmax. 68 km/h25 min
QinetiQBanshee WhirlwindFixed Wing – ICEk.A.k.A.89-200 kts (165-370 km/h)>90 min
QinetiQBanshee Jet 80 plusFixed Wing – Jetk.A.k.A.97-389 kts (180-720 km/h)>45 min
QinetiQJackdawFixed Wing – Jetk.A.30 kg400 kts (740 km/h)>3 h
QinetiQRattlerAir-Launched Missile30 kgk.A.Mach 1,85-2,615 s
QinetiQSnipeFixed Wing – ICE18,5 kgk.A.24-97 kts (47-180 km/h)>45 min
KratosMQM-178Fixed Wing – Jet145 kg32 kg (Internal)max. Mach 0,69k.A.
KratosBQM-167AFixed Wing – Jet930 kg292 kg (Internal)max. Mach 0,91k.A.
KratosBQM-177AFixed Wing – Jet680 kg45 kg (Internal)max. Mach 0,95k.A.

Das bedeutet aber auch, dass die existierenden Zieldarstellungsdrohnen die Bedrohung durch OWA-UAVs gut abbilden und westlichen Streitkräften realistische Übungsszenarien ermöglichen können. Auch die in der Ukraine allgegenwärtigen Multicopter wie FPVs und Multicopter mit Abwurf-Mechanismen wurden von der Rüstungsindustrie aufgegriffen: Der Zieldarstellungsservice von Airbus Defence & Space bietet Quadcopter an, die auch in Schwärmen eingesetzt werden können. Kleinere Loitering Munitions (LMs) und Aufklärungsdrohnen mit starren Flügeln, die mit Elektromotoren angetrieben werden, sind bisher noch nicht in den Fokus für eigens entwickelte Zieldarstellungsdrohnen gelangt. Dies kann unter anderem daran liegen, dass kommerziell verfügbare Fixed-Wing UAVs diese Aufgabe sehr preiswert übernehmen können. Allerdings könnten günstige und zahlenmäßig leicht verfügbare Zieldarstellungsdrohnen, die diese Fluggeräte sowie FPVs realitätsnah abbilden, einen deutlichen Mehrwert für die infanteristische Ausbildung im Rahmen der Drohnenabwehr aller Truppen bieten.

Die zukünftigen Entwicklungen bei Zieldarstellungsdrohnen werden also für verschiedene Richtungen interessant bleiben und die Systeme für Land-, See- und Luftstreitkräfte in ihren ursprünglichen und weiteren Rollen wertvolle Dienste leisten.

Niklas Graf