Während noch bis vor wenigen Wochen bei der Digitalisierung der deutschen Brigade für die VJTF 2023 eine Lösung mit dem niederländischen Battle Management System (BMS) Elias sowie Thales-Funkgeräten aus der Reihe PR4G diskutiert wurde, scheint diese Option jetzt vom Tisch zu sein.
Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, soll stattdessen ein anderes BMS eingeführt und auf die vorhandene Telekommunikations-Infrastruktur in den Fahrzeugen der Bundeswehr aufgespielt werden. Die Einrüstung neuer Funkgeräte würde damit entfallen. Insider erwarten bis Ende des Jahres eine Ausschreibung des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw für die neue BMS-Software. Die Entscheidung für einen Anbieter soll nach umfangreichen Feldtests durch den neu in Munster aufzustellenden Testverband im Zeitraum zwischen Frühjahr und Frühsommer 2019 erfolgen.
Auf Veranstaltungen zum Thema Digitalisierung der Bundeswehr hatten in der Vergangenheit Firmen wie die dänische Systematic oder ESG aus Deutschland ihre BMS-Systeme präsentiert. Diese Unternehmen werden in Fachkreisen auch als mögliche Interessenten an der Ausschreibung gehandelt.
Mit dieser „kleinen Lösung“ zur Digitalisierung der VJTF 2023 wollen die Planer im BMVg offenbar das Risiko einer umfassenden Ausrüstung von Fahrzeugen mit neuen Funkgeräten umgehen. Denn für eine Musterintegration in ein Fahrzeug sind dem Vernehmen nach umfangreiche Systemverträglichkeitstests und sogar Ansprengversuche erforderlich. Neben den hohen Kosten rechnen Planer mit einem Zeitbedarf von mehr als einem halben Jahr für die Zulassung pro Fahrzeug. Damit wäre der enge Zeitplan bis zur VJTF vermutlich kaum zu halten.
Wie es heißt, verfügen bereits viele der für die VJTF 2023 vorgesehenen Fahrzeuge neben den analogen SEM-Funkgeräten über einen Kommunikationsserver, der für die Verarbeitung der digitalen Daten zuständig ist. Etwa um im Rahmen des Führungsinformationssystem des Heeres (FüInfoSys H) zu kommunizieren. Allerdings gilt dieses System in der Nutzung als zu kompliziert.
Allerdings existieren im Heer auch Fahrzeuge, die noch keinen Kommunikationsserver an Bord haben, wie der Schützenpanzer Marder. Hier soll aber offenbar eine Nachrüstung erfolgen. Nicht für die Ausstattung mit dem neuen BMS vorgesehen sind das für die VJTF eingeplante Puma-Bataillon mit dem System IDZ und Funkgeräten von Rohde & Schwarz, die Sanitätsfahrzeuge sowie die mit dem Führungs- und Informationssystem Adler ausgestatteten Artillerie-Komponenten. Insider gehen davon aus, dass nicht alle der mehr als 2.000 für die VJTF vorgesehenen Fahrzeuge ein BMS erhalten.
In den Feldversuchen wird sich dann zeigen, ob mit dieser Behelfslösung ein funktionstüchtiges BMS-System zu implementieren ist. Denn während die Daten über die SEM-Funkgeräte übertragen werden, ist kein Sprechfunk möglich. In einer Gefechtssituation könnte dies ein erhebliches Manko darstellen. Umso wichtiger dürfte es sein, dass das BMS wenig Bandbreite benötigt.
Mit Spannung wird erwartet, wie sich ein neues BMS mit der restlichen Hard- und Software in den Fahrzeugen verträgt. Etwa wenn die Steuerung von Effektoren und Sensoren einbezogen wird und das so genannte Blue Force Tracking gewährleistet werden soll. Womöglich müssen dann neben den Software-Anbietern die für das Fahrzeug verantwortlichen Landsystemhäuser in die Integration eingebunden werden.
Das ganze Vorhaben steht unter erheblichem Zeitdruck. Denn die Fahrzeuge müssten Ende 2020 verfügbar sein, damit die Truppe noch genug Zeit zum Üben für die VJTF 2023 hat. Hier wird sich zeigen, ob die kürzlich von Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer geforderte Einhaltung von Zeitplänen zulasten von Fähigkeiten realisierbar ist. Sollten die Tests nicht erfolgreich sein, wird es vermutlich mit der Digitalisierung der VJTF 2023 schwer werden. Sollten die Ergebnisse dagegen positiv ausfallen, dürften damit Pflöcke für die weitere Digitalisierung der Landstreitkräfte eingerammt werden.
lah/11.9.2018