Um die Kriegstauglichkeit der Schützenpanzer Puma zu gewährleisten, hat das Bundeswehrbeschaffungsamt BAAINBw weitere Reaktivschutzmodule beim Hersteller Dynamit Nobel Defence bestellt. „Damit wird die Panzergrenadiertruppe unter anderem für ihren Einsatz im Rahmen der Brigade Litauen bestmöglich vorbereitet“, so das BAAINBw in einer gestern veröffentlichten Mitteilung. Die dafür notwendigen Haushaltsmittel wurden am Mittwoch, den 18. Dezember, vom Haushaltsausschuss des Bundestages freigegeben.
Wie das BAAINBw weiter angibt, wurde eine Rahmenvereinbarung mit Dynamit Nobel Defence geschlossen, „um die Durchhaltefähigkeit des Pumas im Einsatz über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten“. Gleichzeitig wurden aus dem Rahmenvertrag Reaktivschutzmodule abgerufen, deren genaue Anzahl das BAAINBw jedoch nicht kommuniziert hat. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass zunächst eine Anzahl fest beauftragt wurde, die „zunächst in etwa der Ausstattung in der Größenordnung eines Bataillons“ entspreche – Anmerkung der Redaktion: ein Panzergrenadierbataillon verfügt über 44 Schützenpanzer Puma.
Einer heutigen Pressemitteilung von Dynamit Nobel Defence (DND) zufolge, werden pro Schützenpanzer Puma 26 Seitenschutzmodule benötigt. Die initiale Beauftragung von Reaktivschutzmodulen habe dem Unternehmen zufolge ein Volumen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Die Bundeswehr hatte in der Vergangenheit bereits Reaktivschutzmodule beschafft, mit denen rund 350 Schützenpanzer geschützt werden können, der letzte Abruf erfolgte Mitte 2020.
Die nun beauftragten Reaktivschutzmodule sollen dem BAAINBw zufolge bis Ende 2028 ausgeliefert werden. Dem Vernehmen nach ist die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen Hauptursache für die langen Lieferzeiten der Module.
Die Beauftragung stellt DND zufolge „ein Bekenntnis der Bundeswehr zur zukunftssicheren ERA-Technologie als Teil eines modernen und ganzheitlichen Konzepts eines Verbundes aus passivem, reaktivem und aktivem Schutz für Landplattformen“. Weiterhin gibt das Unternehmen an, dass der langfristig ausgelegte Rahmenvertrag eine Sicherheit auf beiden Seiten schafft. Zudem ermöglicht es der Industrie benötigte Produktionskapazitäten auszubauen. „In Anerkennung der Einsatzrealitäten, die eine nachhaltige Versorgung der kämpfenden Truppe mit Material und Ausrüstung auch in hochintensiven Szenaren erfordern sowie konsequenter Umsetzung der „Zeitenwende“, sollen künftig Schutzmodule für den Einsatzfall bevorratet werden, um den Schützenpanzer Puma nach einem Gefecht schnell wieder in die Einsatzbereitschaft zurückversetzen zu können“, schreibt das Unternehmen in der heutigen Pressemitteilung.
Die Reaktivschutzmodule sind eine Add-on-Lösung, die außen am Schützenpanzer angebracht wird und Explosivstoff enthält. Der Hersteller gibt den Aufbau und die Funktionsweise der Module wie folgt an: „Der prinzipielle Aufbau ist sehr einfach: Zwischen zwei Platten (aus Metall oder auch aus Verbundwerkstoff) ist eine Schicht aus Sprengstoff angebracht, dieses sogenannte Sandwich oder „Wirkelement“ ist schräg zur Einfallsrichtung der Bedrohung ausgerichtet. Ein auftreffender Hohlladungsstrahl löst den Sprengstoff aus, der dann die Platten unter Winkel dem Strahl entgegen beschleunigt. So findet der Strahl immer neues zu durchdringendes Material vor, und der Blast des Sprengstoffes wirkt massiv störend auf die anfliegenden Strahlpartikel. Dieser Mechanismus führt zu einer drastischen Verringerung der Eindringtiefe.“ Neben Panzerabwehrhandwaffen bieten die Module auch einen Schutz gegen ballistische Bedrohungen.
Durch das beschriebene Wirkprinzip der Reaktivschutzmodule kann die Wirkung von Hohlladung effektiv und mit vergleichsweise geringem Gewichtseinsatz abgewehrt werden. Dynamit Nobel Defence gibt in veröffentlichten Unternehmensbeiträgen an, dass bei Verwendung von Reaktivschutz davon ausgegangen werden kann, „dass man eine Gewichtsersparnis von 80 Prozent gegenüber Panzerstahl erreicht, einschließlich der sogenannten „Parasitärgewichte“ z. B. für Befestigungen usw.“.
Um ungewollte Detonationen der in den Reaktivschutzmodulen eingebrachten Sprengstoffmengen zu vermeiden, werden nur extrem unempfindliche Sprengstoffe verwendet, die DND zufolge „nur bei einem Auftreffen eines Hohlladungsstrahls detonieren und ansonsten passiv bleiben, auch bei Beschuss mit Maschinenkanonen und leistungsstarker KE-Munition. Der verwendete insensitive Sprengstoff gewährleistet, dass keine sympathetische Detonation auftritt, wenn ein Hohlladungsstrahl ein Wirkelement getroffen hat. Nur vom Hohlladungsstrahl direkt getroffene Wirkelemente detonieren, benachbarte jedoch nicht.“ Die Verwendung von Verbundstoffplatten und Kunststoffschrauben sorgt zudem für weitere Sicherheit, da sie „sich nach Umsetzung des Sprengstoffs in unmittelbarer Nähe des beschossenen Fahrzeuges zerlegen und keine schnellen und gefährlichen Splitter erzeugen“.
wg