Das Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) in der Colbitz-Letzlinger Heide bei Gardelegen hat in diesem Jahr mit Saab einen neuen Betreiber erhalten. Die von dem schwedischen Unternehmen eigens für die neue Aufgabe gegründete Gesellschaft übernahm den Betrieb Anfang Februar nahtlos von der Rheinmetall Dienstleistungszentrum Altmark GmbH. Der Übergang sei geschmeidiger abgelaufen als von vielen erwartet, sagte Asmus Pandikow, Geschäftsführer der neuen Saab Training and Simulation GmbH, im Gespräch mit dieser Publikation. Seinen Worten zufolge, haben Saab und Rheinmetall fair und kooperativ zusammengearbeitet.
Das GÜZ auf dem Truppenübungsplatz Altmark in Sachsen-Anhalt ist neben Bergen und Grafenwöhr einer der großen Ausbildungsplätze der deutschen Landstreitkräfte und die zentrale Einrichtung des Heeres zur Einsatzvorbereitung. Auf dem 23.000 Hektar großen Areal können Panzer- und Infanterieverbände mit bis zu 1.500 Soldaten Operationen verbundener Kräfte trainieren. Als Übungs-Gegner treffen sie dabei auf einen vor Ort stationierten Bundeswehr-Verband mit mehreren Kampfkompanien.
Bei den Manövern GÜZ fällt jedoch kein scharfer Schuss, denn der Waffeneinsatz wird lediglich mittels moderner Lasersimulatoren dargestellt. Neben Einheiten der Bundeswehr trainieren in der Colbitz-Letzlinger Heide seit geraumer Zeit auch Soldaten befreundeter Nationen – etwa aus den Niederlanden. Die Nutzung durch Partnerstaaten soll dem Vernehmen nach weiter ausgebaut werden. Gegenwärtig werden an rund 240 Tagen pro Jahr etwa 21 Übungsdurchgänge absolviert.
Rheinmetall bleibt mit Rüge erfolglos
Dass Saab-Manager Pandikow von einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen Rheinmetall und seinem Unternehmen während der Übergabephase spricht, dürfte für einige Beobachter überraschend sein. Denn nachdem das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw den Dienstleistungsbetrieb des GÜZ erneut ausgeschrieben und den Zuschlag an Saab vergeben hatte, wehrte sich der bisherige Betreiber Rheinmetall als im Wettbewerb unterlegenes Unternehmen rechtlich gegen diese Entscheidung. Dabei zog das Düsseldorfer Unternehmen alle Register und ging mit seinem Einspruch bis vor das Oberlandesgericht Düsseldorf. Dort scheiterte es allerdings im vergangenen Jahr in letzter Instanz mit seinem Anliegen, womit der Weg für Saab frei war.
Mitte November billigte dann der Haushaltsausschuss des Bundestages final die 25-Millionen-Vorlage für die Vergabe des GÜZ-Dienstleistungsvertrages an Saab. Die Schweden sollen die Trainingseinrichtung des Heers für einen Zeitraum von sechs Jahren bewirtschaften. Ursprünglich waren für den Betrieb des GÜZ von Seiten des BMVg knapp 120 Mio EUR eingeplant. Mit einem so genanntem Maßgabebeschluss legten die Haushälter jedoch gleichzeitig fest, dass es sich um die letzte Ausschreibung für den Betrieb des GÜZ handelt: Nach Ablauf des neuen Vertrages soll das nördlich von Magdeburg gelegene Übungszentrum von einer bundeseigenen Gesellschaft gemanagt werden. Wie es heißt, wird damit unter anderem beabsichtigt, dass die im GÜZ Beschäftigten bei Betriebsübergängen nicht mehr in Sorge um ihre Arbeitsplätze sein müssen.
Denn, wenn ein neues Unternehmen die Betreiberrolle übernimmt, müssen in der Regel die Mitarbeiter des vorherigen Betreibers in die neue Firma wechseln. So wie im aktuellen Fall von Rheinmetall zu Saab. Geregelt wird der Übergang von Mitarbeitern im Paragraph 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dem Gesetz zufolge tritt das neue Unternehmen für mindestens ein Jahr in alle Rechten und Pflichten des Vorgänger-Betriebes ein.
Widerspruch bei Betriebsübergang möglich
Arbeitnehmer, die nicht in die neue Firma eintreten wollen, können dagegen jedoch Widerspruch einlegen. Dadurch bleiben sie formal bei ihrem alten Arbeitgeber beschäftigt. Da im Fall des GÜZ der bisherige Arbeitgeber – also Rheinmetall – jedoch die Betriebsstätte nicht aufrecht erhält, müssten die Arbeitnehmer womöglich die Tätigkeit an einem anderen Unternehmenssitz akzeptieren. Nach Aussage von Saab-Geschäftsführer Pandikow haben bei mehr als 200 Betroffenen noch nicht mal eine Handvoll Mitarbeiter von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht.
Bei dem zum 1. Februar erfolgten Übergang hat sich noch eine weitere Besonderheit ergeben: Als Unterauftragnehmer für den GÜZ-Dienstleistungsvertrag tritt die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) auf. Das Unternehmen aus dem hohen Norden ist für die Instandsetzung und Wartung der im Übungszentrum genutzten Fahrzeuge – darunter Panzer und Lastkraftwagen – sowie Funkgeräte und Handwaffen verantwortlich. Für die rund 40 von FFG übernommenen Rheinmetall-Mitarbeiter hatte dies einen doppelten Betriebsübergang gemäß Paragraph 613a zur Folge: Im ersten Schritt von Rheinmetall zu Saab und dann unmittelbar danach in einem zweiten Schritt zu FFG. Nach Aussage von FFG-Verkaufsleiter Thorsten Peter hat auch bei seinem Unternehmen die Übernahme problemlos geklappt. „Rheinmetall hat alles gut vorbereitet“, sagt der Manager. Anders als Saab hat die FFG jedoch keine eigene GmbH für das GÜZ gegründet, sondern das neue Team in der Altmark an den Flensburger Firmensitz angekoppelt. So würden beispielsweise IT und das Rechnungswesen von dort gesteuert, erläutert Peter. Bei Bedarf können seiner Aussage zufolge auch FFG-Kundendienstmitarbeiter am neuen Standort in der Altmark eingesetzt werden.
Nach Einschätzung von Saab-Geschäftsführer Pandikow wurden beide Unternehmen auch beim Personalübergang von Rheinmetall extrem positiv unterstützt. Mit der jüngst erfolgen Geschäftsaufnahme habe der aufgrund des rechtlichen Nachprüfungsverfahrens rund anderthalb Jahre dauernde Schwebezustand für die Mitarbeiter ein gute Ende gefunden.
Pandikow sieht Möglichkeiten für seine Mitarbeiter, in Zukunft weitere von Saab betriebene Übungseinrichtungen zu besuchen, um Erfahrungen und Inspirationen zu sammeln. Davon sollen seiner Vorstellung zufolge nicht nur Abteilungsleiter, sondern auch Mitarbeiter aus der operativen Ebene profitieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass demnächst womöglich mehr ausländische Truppen im GÜZ trainieren, könnte ein solcher Austausch gewinnbringend sein.
Insgesamt betreibt der schwedische Rüstungskonzern nach eigenen Angaben weltweit 18 Einrichtungen. Laut Pandikow, der auf eine langjährige Erfahrung mit Übungszentren zurückblicken kann, soll der Betrieb in der Altmark möglichst ohne zusätzliches Personal aus Schweden gewährleistet werden. Für mögliche Engpässe verfügt Saab über eine spezielle Gruppe für den so genannten Peak-Support, die bei Bedarf auf die Sites fahren kann. Darüber hinaus will das Unternehmen Schnittstellen zum Back-Office in Schweden einrichten.
Produkte verschiedener Hersteller sind zu betreiben
Das Ausbildungsgerät Duellsimulator, kurz AGDUS, stellt den Kern des Simulationssystems im GÜZ dar. Es ist in der Lage, mit Hilfe von Lasern Schüsse und Treffer darzustellen. Kernkomponenten von AGDUS sind Laser- Sendeeinheiten für die verschiedenen Waffensysteme und Sensoren für die Soldaten und Fahrzeuge, die die Lasersignale aufnehmen. Die Herausforderung für den Betreiber des GÜZ ist dabei das Management von Produkten, die von verschiedenen Anbietern bereitgestellt werden. Nach Aussage von Pandikow liefert sein Unternehmen vor allem die aktiven Laser-Systeme für die Gefechtsfahrzeuge, während Rheinmetall in erster Linie für die Infanteriesysteme verantwortlich sei. Diese Mischung verschiedener Systeme führe zu einer sehr hohen Komplexität beim Betrieb. So werden im GÜZ laut Saab allein rund 1.600 Soldatensysteme eingesetzt.
Ein besonderes Merkmal des Gefechtsübungszentrums ist die neu errichtete Übungsstadt Schnöggersburg. Auf einem Areal von mehr als sechs Quadratkilometern stehen über 550 Gebäude, eine 16 Kilometer lange Straße, 800 Meter Flusslauf und 600 Meter begehbare Kanalisation mit 20 Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten als urbane Trainingsmöglichkeit zur Verfügung. Der schweizerische Rüstungskonzern RUAG wurde vom Verteidigungsministerium mit der Instrumentierung von Schnöggersburg mit Spezialausrüstung beauftragt. Zu den neuen Komponenten gehören nach Angaben des Unternehmens unter anderem Raumbaken zur Positionserfassung von Soldaten und Fassaden-Sensoren für die direkte Beschusssimulation. Außerdem rüstet das Unternehmen die für den Orts- und Häuserkampf errichteten Bauten innen und außen mit Audio- und Videokomponenten zur Übertragung des Gefechtsverlaufs aus. Laut Bundeswehr soll in diesem Jahr die Integration dieses als Mobiles Auswertungssystem Infanteristischer Einsatz (MASIE) bezeichneten Systems erfolgen, damit Schnöggersburg Mitte 2021 den regulären Betrieb aufnehmen kann.
Als das Herzstück des Gefechtsübungszentrums gilt die Zentrale, in der die gewonnenen Daten in einer großen Serveranlage zusammenlaufen. An über 60 Arbeitsplätzen kann dort eine Übung in Echtzeit mitverfolgt werden. Nach der Modernisierung der Zentrale und der Simulatoren wird es nach Aussage des Saab-Managers in Zukunft auch möglich sein, Übungen parallel statt wie bislang lediglich seriell abzuhalten.
Als eine Aufgabe für die Zukunft sieht es Pandikow, dass auch ausländische Einheiten mit ihrer eigenen Übungsausstattung im GÜZ trainieren können. Dazu müssten die zuständigen Behörden jedoch zunächst die Grundlagen für eine Harmonisierung der Schnittstellen schaffen. Der Saab-Manager hofft auf mehr ausländische Übungseinheiten im GÜZ. Denn je mehr geübt werde, desto mehr Einnahmen erhalte Saab als Betreiber.
lah/12.2.2020