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Radpanzer auch in mehreren internationalen Wettbewerben

Der Radpanzer Boxer entwickelt sich in der Bundeswehr immer mehr zur Standard-Plattform für unterschiedliche Aufträge und Ausstattungen. So plant das Heer, das Fahrzeug als Basis für das  so genannte Joint Fire Support Team schwer zu verwenden, wie Heeres-Inspekteur Jörg Vollmer nach Abschluss der Informationslehrübung Landoperationen am vergangenen Freitag in Bergen sagte. Bis jetzt ist das Fahrzeug bei den deutschen Streitkräften als Rettungsfahrzeug bei der Sanitätstruppe, als Gruppenfahrzeug für die Jägertruppe und als  Führungsfahrzeug im Einsatz.

In den Jägerkompanien sei angedacht, den Boxer in der fünften Kompanie als schwere Komponente einzusetzen, „wo wir ihn mit einer etwas größeren Kanone ausstatten zur Feuerunterstützung“, beschrieb Vollmer eine weitere Variante des Radpanzers, die auf die Bedürfnisse der Infanterie zugeschnitten werden soll.

Konkret heißt dies: Der Boxer erhält einen Turm mit 30 mm-Kanone, was ihn eigentlich zum Schützenpanzer aufwerten würde.  Ob dann tatsächlich auch Soldaten aufsitzen oder der Platz für Munition und Ausrüstung verwendet wird, scheint gegenwärtig noch offen zu sein. Denn damit würden sich erhebliche konzeptionelle Überschneidungen der Jäger- mit der Panzergrenadiertruppe ergeben. Nach Aussage von Vollmer soll  der Boxer mit Kanone kein Substitut sein.

Offen ist im Augenblick offenbar noch, ob ein bemannter oder unbemannter Turm ausgewählt wird. Während Rheinmetall eine Version mit bemanntem Lance-Turm im Angebot hat, setzt KMW auf den unbemannten Turm des Schützenpanzers Puma. Beide Unternehmen halten Anteile am gemeinsamen Joint Venture Artec, das den Boxer baut. Offenbar laufen gegenwärtig Voruntersuchungen, welche Auswirkungen das jeweilige Turmkonzept auf das Fahrzeug haben würde.

Sollte es tatsächlich zur Beschaffung der Schützenpanzer-Version für die Jägertruppe kommen, rechnen gut informierte Kreise mit einem Vertrag nicht vor 2019 und einem Zulauf ab 2021. Der Bedarf scheint bei rund 100 Fahrzeugen zu liegen.

Für den Boxer als Träger für  Joint Fire Support Teams werden dem Vernehmen nach etwa 20 bis maximal 30 Einheiten mit einer hochwertigen Sensor-Ausstattung benötigt. Dabei bietet der Transportpanzer genügend Platz, die Module für Boden-Boden- sowie Luft-Boden-Koordination, die gegenwärtig auf zwei Fenneks verteilt sind, ein einem Fahrzeug zu vereinen. Offenbar ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob es eine oder zwei Varianten geben wird. Auch für diese Boxer-Version rechnen gut informierte Kreise nicht mit einem Zulauf vor 2021 oder 2022. Für die Version Joint Fire Support Team stand dem Vernehmen nach der PMMC G5 der Flensburger Firma FFG im Wettbewerb, allerdings konnte sich dieser Transportpanzer auf Kettenbasis nicht durchsetzen.

Verschiedene Programme in Europa

Nachdem sich das kleine baltische Land Litauen für den Kauf von rund 90 Boxern in der Schützenpanzerversion entschieden hat, scheinen auch andere EU-Staaten ein Augenmerk auf  das Fahrzeug geworfen zu haben. Dem Vernehmen nach ist der Boxer bei mehreren Beschaffungsvorhaben in Europa im Rennen. So plant offenbar Bulgarien drei Battle Groups mit rund 600 Fahrzeugen der Antriebsformeln in unterschiedlichen Versionen, darunter Schützenpanzer und Mörserträger,  auszurüsten. Gut informierten Kreisen zufolge soll die erste Bieterrunde – die Abgabe der Unterlagen erfolgte offenbar im Mai – bereits laufen. Eine Shortlist könnte demnach noch im laufenden Jahr veröffentlicht werden.  Vor dem Hintergrund eines Beschaffungsvolumens von über 500 Mio EUR sollen sich neben dem Boxer noch weitere Player bewerben:  Nexter mit dem VBCI, GD mit dem Piranha, die finnische Patria, eine türkische Firma sowie Textron aus den USA.

Auch die Slowakei will ihre  Streitkräfte mit neuen Radpanzern ausrüsten, nachdem Presseberichten zufolge der Deal zur Beschaffung von 30 Schützenpanzern des Typs Rosomak aus Polen geplatzt ist. Aktuell soll es um weniger als 100 Fahrzeuge gehen, wobei die Slowaken einen Turm aus eigener Produktion beisteuern wollen. Neben dem Boxer bewirbt sich offenbar noch GD mit dem Pandur sowie Patria um das Vorhaben. Eine Entscheidung wird im laufenden oder kommenden Jahr erwartet.

Erste Sondierungen zur Beschaffung  von Radschützenpanzern soll auch das slowenische Verteidigungsministerium vornehmen.  Hier geht es dem Vernehmen nach um mehr als 50 Fahrzeuge.

Abwicklung über OCCAR bietet Vorteile

Beim Kauf des Boxers könnte  gerade für kleinere Staaten  die Abwicklung über die europäische Beschaffungsorganisation OCCAR sein, die auch bei den bisherigen Nutzerstaaten die Federführung bei der Beschaffung innehat. Dadurch würde Preistransparenz gewährleistet und Management-Kompetenz eingekauft, ohne eigene Stellen aufbauen zu müssen.  Der Vertrag läuft dann über die OCCAR und nicht direkt mit dem Hersteller. Insbesondere in Ländern, die in der Vergangenheit mit Korruption zu kämpfen hatten, bietet eine Beteiligung der OCCAR vorteile.

Dass sich der Boxer trotz eines hohen Preises auch in finanziell nicht eben extrem gut ausgestatteten Staaten durchsetzen kann, hat das Beispiel Litauen bewiesen. So war das litauische Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben bereit, für die verschiedenen Versionen im Durchschnitt 4,38 Mio EUR pro vollständig ausgestattetes Fahrzeug  auszugeben. Das dürfte mehr sein als für Fahrzeuge der Konkurrenz. Nur bewegt sich der Boxer hinsichtlich seiner Leistungsdaten und seines Schutzes nach Meinung von Experten in einer anderen Klasse.

Bereits seit geraumer Zeit überlegen die Briten, ob sie den Boxer erwerben wollen. Sie scheinen jedoch noch unentschieden zu sein, ob sie sich den Boxer leisten können und wenn ja, welcher Beschaffungsprozess gewählt wird. Neben den üblichen Varianten könnten die britischen Streitkräfte offenbar  auch eine Version als Panzerhaubitze gut gebrauchen.  In den Medien war von einem Bedarf zwischen 300 und 500 Fahrzeugen die Rede.

Womöglich warten  die Briten auch auf eine Entscheidung der mit ihnen durch das Commonwealth eng verbundenen australischen Streitkräfte, die sich gerade im Auswahlprozess für einen Radaufklärungspanzer befinden. Hier steht der Boxer – übrigens in der Variante mit bemanntem Turm – in der Endausscheidung mit einer Version des Patria-Radpanzers, die von Patria und BAE Systems angeboten wird. Nachdem die Erprobungen bereits abgeschlossen sind, könnte dem Vernehmen nach Anfang kommenden Jahres eine Entscheidung fallen.

Japan offenbar an Kooperation interessiert

Auf  den Beschaffungsprozess in Australien schaut vermutlich auch der asiatische Pazifikstaat Japan, denn beide Länder weisen ähnliche Sicherheitsinteressen auf. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, sollen sich die Japaner grundsätzlich über die Fähigkeiten des Boxer – insbesondere hinsichtlich Modularität und Schutz – informiert haben. Erst Ende September fand in Tokio ein deutsch-japanisches Wehrtechnikforum statt, an dem mehr als 30 deutsche Unternehmen beteiligt waren und auf dem auch der Boxer präsentiert wurde. Das Treffen auf Industrieseite fand in Folge des im Sommer unterzeichneten deutsch-japanischen Rüstungsabkommens statt. Wie sich die bilaterale Kooperation entwickeln wird, ist gegenwärtig jedoch noch schwer einzuschätzen, zumal ein Geheimhaltungsabkommen zwischen beiden Ländern noch nicht unter Dach und Fach ist.

Sollten sich neben Deutschland, den Niederlanden und Litauen noch weitere Länder für die Einführung des GTK Boxer entscheiden, dürften sich daraus vermutlich auch für die Bundeswehr und die deutsche Industrie Synergieeffekte ergeben und damit Kosten gesenkt werden. Ob es dann wie mit den Niederlanden zu einer engen Abstimmung  bei Kauf und Betrieb kommen könnte,  ist jedoch offen. Nach Aussage von Heeres-Inspekteur Vollmer ist es noch zu früh, um über eine gemeinsame Beschaffung mit anderen Armeen zu sprechen. Grundsätzlich gilt für ihn jedoch die Devise: „Das was Geld spart, sollte man dann auch nutzen.“
lah/12/17.10.2017

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