Die Niederlande gehen in die konkrete Planung für die Beschaffung eines sogenannten Anti-Torpedo-Torpedos (ATT) für ihre Marine. Wie aus einem Informationsschreiben des niederländischen Verteidigungsministeriums vom 23. April an das Parlament in Den Haag hervorgeht, soll ein „Hard-Kill“-System eingeführt werden – zum Zerstören von Torpedos und unbemannten Unterwasserfahrzeugen, bevor diese ihr Ziel erreichen.“ Die ASW-Fregatte (Anti Submarine Warfare, ASW) der niederländischen Marine wird den Angaben zufolge als erste Plattform mit dem ATT-System ausgestattet. Darüber hinaus sollen Luftverteidigungsfregatten, amphibische Transportschiffe und U-Boote die Technologie erhalten.
Das Verteidigungsministerium beteiligt sich nach eigenen Angaben gemeinsam mit anderen europäischen Ländern an einem PESCO-Entwicklungsprojekt für das ATT. Wie aus der Mitteilung an das Parlament weiter hervorgeht, erfordert das Projekt eine Investition zwischen 250 Millionen und einer Milliarde Euro, die im Zeitraum 2025 bis 2039 aus dem Verteidigungsinvestitionsbudget finanziert werden soll.
Die Planung des PESCO-Entwicklungsprojekts sehe vor, dass bis 2028 ein Demonstrationsmodell des ATT zu einem produktionsreifen Entwurf weiterentwickelt wird. Ab 2029 solle dann ein qualifiziertes ATT für die niederländische Marine beschafft werden.
Bei dem Torpedoabwehrsystem handelt es sich offenbar um das Produkt SeaSpider ATT, das aus Mitteln von thyssenkrupp Marine Systems und ATLAS ELEKTRONIK finanziert wird.
Gut informierten Kreisen zufolge soll 2025 der Start der „Initial Rate Production“ erfolgen, um Systeme und Hardware für die Zertifizierung und Einführung des Waffensystems bereitzustellen. Dies soll im Rahmen des multinationalen PESCO-Programms der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) im Zeitraum 2026 bis 2028 realisiert werden.
SeaSpider ATT soll – wie in der Mitteilung an das niederländische Parlament beschrieben – vor Ende dieses Jahrzehnts in die Serienproduktion gehen und bei NATO-Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Neben den Niederlanden und Deutschland war in der Vergangenheit auch von Kanada als möglichem Nutzer immer wieder die Rede.
Die Entwicklung von SeaSpider erfolgt in einer Zeit, in der die Wiederbelebung von Fähigkeiten zur U-Boot-Bekämpfung als eine der Prioritäten in der NATO gesehen wird. Eine zuverlässige Torpedoabwehr, die Plattformen vor allen Arten der Bedrohung durch Schwergewichtstorpedos schützt, gilt als ein wesentlicher Bestandteil dieser Bemühungen. Wie es in Fachkreisen heißt, verspricht nur ein Hardkill-Abwehrsystem aufgrund der Fortschritte in der Torpedotechnologie eine ausreichend hohe Abwehrwahrscheinlichkeit.
Ein Hardkill-Waffensystem wie der SeaSpider greift einen attackierenden Torpedo unabhängig von seinem Typ, seiner Zielsuchfunktion oder seines Angriffsszenarios aktiv an, um ihn zu zerstören.
Dem Vernehmen nach weist der SeaSpider ein neuartiges ATT-Design auf, das effektiv, kostengünstig und einfach zu integrieren sein soll. Dazu wurde als Antriebssystem ein Feststoffraketenmotor gewählt, was gegenwärtig einzigartig für Unterwasserlaufkörper sein dürfte. Das Antriebskonzept soll eine kostengünstige, kompakte und hohe Performance bieten, den Einsatz auch in flachen Gewässern ermöglichen und dürfte von zentraler Bedeutung für das „Last Mile“-Konzept des SeaSpider zur Nahbereichsabwehr sein.
Wie es in Fachkreisen heißt, wurde das Sonarsystem des SeaSpider ATT speziell für die Anti-Torpedo-Mission entwickelt, um unter anderem auch eine hohe Effizienz gegen anlaufende Torpedos im Kielwasser einer Plattform zu bieten und das Störpotenzial für andere gleichzeitig im Einsatz befindliche Sonare zu minimieren.
Die Form des SeaSpider entspricht Fachkreisen zufolge der eines Very Lightweight Torpedo (VLWT) mit etwa einem Drittel des Gewichts eines Lightweight Torpedos (LWT), wie er von NATO-Marinen gegen U-Boote eingesetzt wird.
Eine spezielle Ausrüstung an Bord soll die sofortige Einsatzbereitschaft gewährleisten. Dies und Einsparungen bei den Stückkosten soll es den Marinen ermöglichen, SeaSpider in ausreichender Stückzahl einzusetzen. Der Fokus liegt Fachkreisen zufolge auf einer schlanken Logistik mit einem containerisierten „All-Up Round“ und einer langen Lagerfähigkeit, was die Gesamtsystemkosten im Vergleich zu herkömmlichen Unterwasserwaffen weiter reduzieren soll.
Tests erfolgreich abgeschlossen
Dem Vernehmen nach wurden SeaSpider-Entwicklungsmodelle und Prototypen bereits bei den jeweiligen wehrtechnischen Dienststellen der deutschen und der niederländischen Marine unter realen Einsatzbedingungen in der Ostsee, der Nordsee und im Atlantik intensiv getestet. Die gesamte Funktionskette der Hardkill-Torpedoabwehr von der Detektion bis zum Intercept wurde demnach in mehreren Versuchen auf verschiedenen Schiffen erfolgreich nachgewiesen.
Dem Vernehmen nach erhielt der SeaSpider seine Zielerfassungsdaten von verschiedenen Sonarsystemen und konnte verschiedene Torpedotypen erfolgreich abfangen. Dabei wurden sowohl akustisch, als auch kielwassersuchende Schwergewichtstorpedos in verschiedenen anspruchsvollen Flach- und Tiefwasserszenarien abgewehrt.
Lars Hoffmann