Nachdem die Deutsche Marine im vergangenen Jahr das autonome Unterwasserfahrzeug BlueWhale erfolgreich getestet hat und nun mit der Beschaffung beginnen will, soll auch der Zulauf eines unbemannten Überwasserfahrzeugs (Unmanned Surface Vehicle; USV) vorbereitet werden. Wie der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, kürzlich vor Journalisten sagte, wird das „Future Combat Surface System“ (FCSS) das Leuchtturmprojekt dieses Jahres darstellen.
Dem vor wenigen Tagen vorgestellten Strategiepapier mit dem Titel „Kurs Marine“ ist zu entnehmen, dass langfristig die Einsatzkonzepte in der Flotte durchgängig den gemeinsamen Einsatz von bemannten und unbemannten Systemen vorsehen. Das gemeinsame Führungssystem werde die Vernetzung verschiedener Systeme zum Wirkverbund eines Drohnenschwarms ermöglichen.
„Mit dem Future Combat Surface System (FCSS) ist die Beschaffung eines Systems angestoßen, das schwarmfähig ausgelegt und Strike-fähig konzipiert ist. Es soll die bestehenden Überwassereinheiten vernetzt ergänzen“, heißt es in dem Papier. Demnach werden die unbemannten Überwasserboote im Verbund mit den Korvetten der Klasse 130 operieren. Laut Übersicht sollen mindestens 18 dieser neuen Einheiten beschafft werden. Geht man von einem Bestand von neun Korvetten aus, würde jede von zwei dieser unbemannten Einheiten begleitet.
Die Erprobung der unbemannten Systeme wird mittels Operational Experimentation (OPEX) erfolgen, wie es im Strategiepapier heißt. Darunter wird das Testen neuer Technologien durch die Streitkräfte unter realistischen Einsatzbedingungen – im Vorgriff einer Beschaffung – verstanden. Danach solle eine unbürokratische Beschaffung von geeigneter Technologie erfolgen.
Die Vorbereitungen für die OPEX für das FCSS, die in der zweiten Hälfte des Jahres vorgesehen sind, laufen bereits. So hat das Bundeswehr-Planungsamt vor einigen Monaten zwei Ausschreibungen dafür veröffentlicht. Wie es in den Ausschreibungen heißt, ist das FCSS in der Lage, sowohl im Verband mit bemannten Einheiten (MUM-T-Surface Action Group) als auch im eigenen Operationsraum („unmanned Task Group“) Aufgaben zu übernehmen.
Ziel der OPEX-Kampagne sei es festzustellen wie,
- das USV im operativen Szenar über größere Entfernungen eingesetzt werden kann, um Grenzen/ Möglichkeiten gegenwärtiger Produkte herauszuarbeiten und den Beitrag zum Gesamtlagebild zu bewerten,
- der ferngesteuerte, gegebenenfalls autonome Einsatz (in verschiednen Ausprägungen von Autonomiegraden) möglich und den Einsatz im Rahmen der sicheren Teilnahme am Seeverkehr erlaubt ist,
- Notsysteme funktionieren, eine Versorgung/ Instandsetzung und gegebenenfalls Recovery auf See möglich ist.
- die Einbindung von Lagebildbeiträgen und Taskings in maritime Battle Management Systeme (mBMS, z.B. taktisch-operatives Lagebild/SitaWareHQ) möglich ist.
- der ferngesteuerte, gegebenenfalls autonome Einsatz – in verschiedenen Ausprägungen von Autonomiegraden – erster Effektoren möglich ist.
Schwerpunkt des OPEX ist den Angaben zufolge die Seeerprobung mehrerer Typvertreter von FCSS von rund einer Woche Test-Dauer pro Typvertreter in operativen Szenaren. Durchführungsort werde voraussichtlich der Bereich Ostsee sein. Wie es heißt, entspricht der Anteil Seeerprobung in seinen Grundzügen einer Marineübung, das heißt einzelne Erprobungsabschnitte werden in definierten Einzelübungen mit dezidierten Erprobungszielen abgebildet.
Die Durchführung der Seeerprobung umfasst vorrangig den grundsätzlichen Betrieb eines unbemannten Fähigkeitsträgers, den Lagebildaufbau mit einem unbemannten Fähigkeitsträger sowie ISR und Wirkung mit einem unbemannten Fähigkeitsträger und findet den Planungen zufolge vom 15. September 2025 bis 05. Oktober 2025 von Eckernförde aus statt. Im Rahmen des Tests wird vom Teilnehmer unter anderem die Bereitstellung gegebenenfalls nicht fest in das USV integrierter Sensor- und Kommunikations-Payloads, z.B. IMINT-Ausstattung und Breitband-Kommunikation, sowie von Fachpersonal verlangt. Neben der Seeerprobung von insgesamt acht Werktagen kommt mindestens eine Woche für die technische Vorbereitung im Hafen und in See.
Die Mindestanforderungen eines USV-Testmusters für die erste Ausschreibung sind wie folgt:
- Plattform Technology Readiness Level (TRL) 9
- Erstbefähigung zum autonomen Fahrbetrieb inklusive Wegpunktnavigation
- Befähigung zum ferngesteuerten Fahrbetrieb
- Befähigung zum „Notbetrieb“ mit Minimalbesatzung
- Erstbefähigung zur aktiven Kollisionsverhütung
- Reichweite bei 38kn mind. 300 nm
- Vorhandene Aufklärungs- und Lagebildsysteme: C2-System; Navigationsradar; EO-Sensor
- Vorhandener Effektor:
- Rohrwaffe mit Kaliber mind. 30mm
- optional Aufnahme von Loitering Munition oder Flugkörper
- Zuladung/Gewichtsreserve: 6t
In der Ausschreibung für eine zweite OPEX, die idealerweise vom 3. November bis 23. November ebenfalls von Eckernförde aus stattfinden soll, gelten die gleichen Rahmenbedingungen wie für die erste Erprobung. Allerdings werden an das potenzielle FCCS leicht geänderte Anforderungen gestellt.
Die Mindestanforderungen an das USV-Testmuster sind:
- Plattform Technology Readiness Level (TRL) 9
- Nachgewiesene Nutzung durch eine Marine
- Befähigung zum ferngesteuerten Fahrbetrieb
- Befähigung zum „Notbetrieb“ mit Minimalbesatzung
- Erstbefähigung zur aktiven Kollisionsverhütung
- Operationsfähig bis Seastate 5
- Einsatzdauer mindestens 5 Tage
- Vorhandene Effektoren:
- Rohrwaffe
- Optional vorgesehen / möglich: Loitering Munition oder FK.
Wie ein Sprecher des Planungsamtes der Bundeswehr hartpunkt auf Nachfrage mitteilte, erhält für den jeweiligen Typvertreter je ein Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag. Demnach werden in den zwei Kampagnen jeweils ein Boot getestet.
Beobachtern zufolge dürfte die Forderung nach einem Technologiereifegrad von 9 eine hohe Hürde für die Teilnahme darstellen, da nur wenige autonome Boote auf dem Markt sind, die diesen Anspruch erfüllen. Produkte, die sich für eine Teilnahme qualifizieren könnten, wären womöglich USV wie das Autonomous Ocean Core von Saab, das auf dem Combat Boat 90 realisiert wurde, sowie das vom israelischen Unternehmen Elbit Systems entwickelte USV Seagull, das sich bereits im Einsatz bei mindestens einer Marine befinden soll. Wie der Sprecher des Planungsamtes betont, handelt es sich beim Vorhaben OPEX FCSS um eine reine Vorfelduntersuchung/-studie zum Nutzungswert von unbemannten Überwasserfahrzeugen, wobei die jeweiligen Typvertreter für die Gattung der USV insgesamt stehen und nicht um eine Rüstungsbeschaffung. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen dürfe er keine Angaben zu den Bietern veröffentlichen.
Lars Hoffmann