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Definitionsphase vor Abschluss – Gespräche mit Deutschland

Das norwegische Verteidigungsministerium plant, noch in der ersten Hälfte des laufenden  Jahres die Projektphase zur Beschaffung von neuen Unterseebooten abzuschließen. Man befinde sich gegenwärtig im Gespräch mit mehreren als Lieferanten in Frage kommenden ausländischen Werften, teilte das Ministerium Anfang der Woche weiter mit.  Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen, der Ausgang völlig offen.

Sechs Ula-Unterseeboote müssen ersetzt werden

Hintergrund des Vorhabens ist das nahende Lebensende der sechs norwegischen Unterseeboote der Ula-Klasse, die in der kommenden Dekade außer Dienst gestellt und ersetzt werden sollen.  Norwegen befindet sich nach eigenen Angaben darüber hinaus mit mehreren Nationen in Diskussionen über eine umfassende Kooperation bei der Beschaffung und dem Betrieb von U-Booten, um die hohen Kosten für dieses Waffensystem zu reduzieren. So hatte die norwegische Verteidigungsministerin Ine Eriksen Søreide bei ihrem Besuch auf der Messe MSPO in Kielce im vergangenen Jahr eine Koordination mit Polen angeregt. Ein möglicher weiterer Partner ist Deutschland.

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, kommen als Lieferländer Südkorea, Italien, Schweden, Frankreich, Spanien und Deutschland in Frage. Außer wegen der traditionell engen militärischen Kooperation der norwegischen und deutschen U-Boot-Waffe dürfte Deutschland auch aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit im Werftbereich – die Ula-Boote gehen auf einen deutschen Entwurf zurück, während die ersten vier deutschen Brennstoffzellen-Boote der Klasse 212 A mit einem norwegischen Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWES) ausgestattet wurden – eine  gute Position im Bieterwettbewerb aufweisen. Und nicht zuletzt gilt ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) aufgrund der großen Zahl produzierter Boote sowie technischer Innovationen wie dem Brennstoffzellenantrieb als ein globaler Marktführer bei nicht-nuklearen U-Booten.

Jahrzehntelange Marine-Kooperation

Norwegen und Deutschland könnten auf eine mehrere Jahrzehnte lange und erfolgreiche Kooperation bei Unterseebooten zurückblicken, schreibt auch das norwegische Verteidigungsministerium.  Deshalb seien Gespräche mit Deutschland “natürlich”.  Dabei gehe es neben rein militärischen Fragen auch um die industrielle Zusammenarbeit.  Diese Themen seien bei einem Besuch einer norwegischen Delegation mit Verteidigungsstaatssekretär Øystein Bø und dem National Armaments Director Morten Tiller Anfang Februar mit den deutschen Partnern in Berlin diskutiert worden.

Auch das deutsche Verteidigungsministerium hat großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem nordischen Land, denn die Bundesmarine will Ende der kommenden Dekade ebenfalls zwei bis vier neue U-Boote erwerben. Gleichzeitig hat das Ministerium den U-Boot-Bau als Schlüsseltechnologie eingestuft, die in Deutschland gehalten werden soll. Dazu ist allerdings die Auslastung der Werftkapazitäten erforderlich. Deshalb liegt der Vorschlag auf dem Tisch, den Bau von vier bis sechs norwegischen Booten mit dem deutschen Beschaffungsvorhaben zu koppeln.

Einheitliches Design angestrebt

Um weitere Kosten zu sparen, wünscht sich das BMVg,  die Verwendung eines einheitlichen Designs. Die norwegische Seite hat dazu bereits im vergangenen Jahr einen Entwurf mit eigenen U-Boot-Spezifikationen zur Abstimmung nach Deutschland übermittelt.

Sollte es zu einer gemeinsamen Beschaffung kommen,  strebe Deutschland die Rolle als so genannte Lead-Nation an und wolle die Projektverantwortung übernehmen, heißt es aus dem Ministerium. Auch bei Wartung und Betrieb wird auf eine enge Zusammenarbeit gesetzt, um die Lebenszykluskosten zu drücken. Und wie Gundbert Scherf, im BMVg zuständig für die Rüstungskooperation mit dem Ausland, vor einigen Monaten sagte, kann sich die Marine sogar ein gemeinsames militärisches U-Boot-Kommando mit den Norwegern vorstellen.

Norweger wollen Öffnung des deutschen Marktes

Allerdings gibt es eine wesentliche Hürde, die Deutschland überwinden muss, um mit Oslo ins Geschäft zu kommen: Die Norweger fordern eine Öffnung des deutschen Rüstungsgütermarktes für Unternehmen aus dem skandinavischen Land. Nach Aussage von Torbjørn Svensgård, dem Präsidenten des norwegischen Verbandes der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie (FsI), ist es für seine Mitgliedsfirmen einfacher auf dem US-Markt Erfolge zu erzielen als auf den geschlossenen europäischen Rüstungsmärkten. “Norwegen wünscht sich deshalb Marktzugang in dem Land, aus dem wir die U-Boote beschaffen”, betonte er.

Svensgård rät den anbietenden Unternehmen, sich nicht nur auf ihre Fachkompetenz zu verlassen und sich dadurch  zu sicher zu fühlen. Auch bei der Beschaffung von norwegischen Fregatten der Fridtjof-Nansen-Klassse vor einigen Jahren hätten deutsche und britische Werften fest mit einem Vertrag gerechnet. Schließlich sei der Auftrag jedoch nach Spanien gegangen. Sollten die potenziellen Lieferanten ihrem Kunden nicht genau zuhören und keine umfassende Antwort auf alle Forderungen – inklusive der industriellen Zusammenarbeit – liefern,  könne es bei den Unterseebooten ähnlich enden, warnte er.

Beschaffung nur nach Ausschreibung

Wie Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder am Rande einer Veranstaltung Anfang der Woche sagte, ist die Beschaffung des Schiff-Schiff-Flugkörpers Naval Strike Missile und des norwegischen FüWES – beides Produkte des Konzerns Kongsberg – für die deutsche Marine “denkbar”. Voraussetzung sei allerdings eine vorherige Ausschreibung. Anders sehe es dagegen mit potenziellen deutsch-norwegischen Gemeinschaftsentwicklungen aus, die auch ohne Ausschreibung beschafft werden könnten, so die Staatssekretärin. Ob diese auf Wettbewerb fokussierte Strategie den Anforderungen der Norweger entspricht, bleibt abzuwarten.

Bei einer möglichen Industriekooperation hat der norwegische Staat deutlich bessere Gestaltungsmöglichkeiten als das BMVg, da Norwegen einen Mehrheitsanteil an dem börsennotierten Technologie- und Rüstungskonzern Kongsberg hält, dem Platzhirsch in der norwegischen Verteidigungsindustrie. Dagegen ist die gesamte deutsche Rüstungsindustrie privatwirtschaftlich organisiert, womit das Bundesverteidigungsministerium keine direkten Eingriffsmöglichkeiten hat.

Programmführerschaft könnte bei Deutschland liegen

Obwohl Norwegen mehr Boote kaufen will, scheint eine deutsche Programm-Führerschaft für die Norweger akzeptabel zu sein. FsI-Präsident Svensgård sieht zumindest keine grundsätzlichen Probleme. Mit derartigen Konstellationen habe man bei US-geführten Vorhaben gute Erfahrungen gemacht, sagte er. Norwegen ist am Bau- und Entwicklungsprogramm für das amerikanische Kampfflugzeug F-35 beteiligt. „In der Vergangenheit ist es eher das Problem gewesen, dass bei europäischen Rüstungsvorhaben, keiner die Führungsrolle übernommen hat“, so Svensgård. Wichtig für eine Lead-Nation sei jedoch, dass sie bereit sei zuzuhören und Vorschläge zu akzeptieren. Und natürlich müsse sie auch ihre langfristigen Verpflichtungen erfüllen.
lah/11.3.2016

Die englische Version des Artikels ist auf www.defensenews.com erschienen.

 

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