Die Bundeswehr ist offenbar in der finalen Phase der Beschaffung von mehreren unterschiedlichen Loitering Munition Systemen. Wie es heute aus Kreisen des Bundesministeriums der Verteidigung heißt, sollen dazu in den nächsten Tagen Verträge geschlossen werden. Im Anschluss soll noch dieses Jahr der Test der Loitering Munition in der Truppe stattfinden, so dass am Ende des Jahres Beschaffungsentscheidungen für größere Stückzahlen getroffen werden können.
Unter Loitering Munition System versteht die Bundeswehr eine neue Wirkmittelkategorie im Bereich der Munition, bei der einzelne Effektor als Loitering Munition und das Gesamtsystem – Effektor bzw. mehrere Effektoren in Kombination mit der Kontrolleinheit – als Loitering Munition System oder kurz LMS bezeichnet werden.
Nach Ansicht der Bundesregierung ist Loitering Munition „ein gelenkter Flugkörper, der in einem Einsatzraum nach Zielen am Boden sucht, dazu in unterschiedlichen Höhen, abhängig vom Einsatzprofil, verweilt und nach Freigabe durch einen Bediener oder eine Bedienerin ein (bewegliches) Punktziel mit hoher Präzision bekämpft“.
Wie hartpunkt aus unterschiedlichen gut informierten Kreisen bestätigt bekommen hat, sollen für die Tests in der Truppe Loitering Munition Systeme der beiden deutschen Start-Ups Helsing und STARK gekauft werden.
Helsing HX-2
Die HX-2 wird vom Hersteller als elektronisch angetriebene X-Wing-Präzisionsdrohne mit einer Reichweite von bis zu 100 km beschrieben. Diese Kategorie der Einweg-Kampfdrohnen oder Strike-Drohnen ähnelt eher einer Munition als einer „klassischen Drohne“ oder Loitering Munition, auch wenn gewisse Merkmale vergleichbar sind. Bei dieser Art von Munition handelt es sich um spezifisch für den Einsatzzweck der günstigen und gleichzeitig präzisen Punktzielbekämpfung entwickelte Einwegdrohnen. Im Gegensatz zu Loitering Munition sind sie nicht dafür ausgelegt gegebenenfalls zurückzukehren und wieder aufgenommen zur werden.
Die HX-2 wurde Helsings Angaben nach von Grund auf für die Massenproduktion konzipiert, um Stückkosten im Vergleich zu herkömmlichen Systemen deutlich geringer halten.
Das Design der HX-2 orientiert sich an typischen Designmerkmalen von Lenkflugkörpern, ist aber mit erkennbar größeren, X-förmigen Flügeln und vier elektrischen Propellerantrieben an den Spitzen der vier, ebenfalls X-förmig angeordneten, Heckleitwerken anstatt eines Raketenmotors ausgestattet. Mit einem solchen Design lassen sich sowohl längere Stehzeiten und Reichweiten im Zielgebiet als auch steile Anflugwinkel realisieren. Das Systemgewicht der HX-2 wird mit 12 kg angegeben, die maximale Geschwindigkeit mit bis zu 220 km/h, hier wird es sich vermutlich nicht um die Marschgeschwindigkeit handeln, sondern um die Bekämpfungsgeschwindigkeit im terminalen Zielanflug. Die HX-2 soll Helsing zufolge mit unterschiedlichen Nutzlasten – Mehrzweck, Panzerabwehr, Anti-Struktur-Munition – bestückt werden können.
Da es sich bei Helsing um ein auf Künstliche Intelligenz spezialisiertes Rüstungsunternehmen handelt, ist es nicht verwunderlich, dass die wesentlichen Leistungsmerkmale der HX-2 softwareseitig bestimmt sind.
Der KI-Einsatz macht die Drohne den Angaben von Helsing nach resistent gegen elektronische Kriegsführung und Störmaßnahmen. „Eigenschaften, die auf Basis von Helsings umfangreichen Erfahrungen in der Ukraine entwickelt und getestet wurden“, so das Unternehmen. Die Aufklärungs- und Steuerungssoftware Altra soll es ermöglichen, mehrere HX-2-Drohnen zu Schwärmen zusammenzufassen, die dann von einem menschlichen Bediener kontrolliert werden.
Die Vermutung liegt zudem nahe, dass neben der Aufklärungs- und Steuerungssoftware auch weitere Funktionen der HX-2 KI-gestützt ablaufen. Neben der einer KI-gestützten Objekterkennung und –Identifikation dürfte die HX-2-Einweg-Kampfdrohne auch über eine GNSS-Signal-unabhängigen Positionsbestimmung und Navigationsfähigkeit verfügen. Diese erlaubt es der Drohne trotz elektronischer Störmaßnahmen sicher und punktgenau operieren zu können.
STARK OWE-V
Bei der„One Way Effector – Vertical“ (OWE-V) Loitering Munition von STARK handelt es sich um ein deutlich größeres System als die HX-2. Die OWE-V wurde auf der DWT-Tagung „Unbemannte Systeme X“ am 25. und 26. März in Bonn erstmals einem breiteren Publikum öffentlich vorgestellt, hartpunkt berichtete.

Nach damaliger Aussage des Unternehmens gegenüber hartpunkt bietet das System gegenüber Wettbewerbsprodukten mehrere operationelle und kriegslogistische Vorteile.
So werden laut STARK bei der OWE-V-Strike-Drohne beispielsweise ausschließlich in Deutschland hergestellte Komponenten verbaut, so dass die Herstellung der Systeme unabhängig von ausländischen Lieferketten sichergestellt ist. Da das System modular konzipiert wurde, können auf Kundenwunsch auch andere – günstigere – Komponenten genutzt werden.
Zudem bietet das Kern-Designmerkmal der OWE-V – senkrecht starten und landen zu können – Vorteile im Kriegseinsatz als auch im Friedens-Übungsbetrieb. Der OWE-V kann ohne jegliche Infrastruktur – bspw. einem Startkatapult – betrieben werden. Die Möglichkeit senkrecht landen zu können, eröffnet Streitkräften zudem die Option, eine inerte Variante der OWE-V für den wiederholten Übungsbetrieb zu nutzen und so möglichst realitätsnah, aber kostengünstig Ausbilden und Üben zu können.
Bei der OWE-V handelt es sich um ein 2 m hohes Wirkmittel mit X-förmigen Flügeln mit einer Flügelspannweite von 1,8 m. An den Flügelspitzen befindet sich jeweils ein elektrisch angetriebener Propellerantrieb. Zudem verfügt die Strike-Drohne über ein Heckleitwerk mit vier kurzen, ebenfalls X-förmig angeordneten Flügeln. Das bis zu 30 kg schwere System (max. Abfluggewicht) kann nach Angaben von STARK mit einer modularen, bis zu 5 kg schweren Nutzlast bestückt werden und weist eine Flugzeit von 60 Minuten auf. Die Einsatzreichweite wird mit 80 bis 100 km angegeben.
Die Reisegeschwindigkeit gibt STARK mit 120 km/h an, im Ziel-End-Anflug soll der OWE-V im Zuge eines Sturzfluges eine Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h erreichen. Die Operationshöhe wird mit 2 km angegeben. Die Vorbereitungszeit für den Einsatz der Strike-Drohne beträgt dem Unternehmen zufolge weniger als 10 Minuten.
Mehrere KI-gestützte Funktionen – GNSS-freie-Navigation, Objekterkennung, Tracking und eine automatische Ziel-End-Anflug-Verfolgung – sowie ein gehärteter Datenlink sollen den Einsatz selbst unter widrigsten Bedingungen des elektronischen Kampfes sicherstellen. STARK gibt an mit der OWE-V selbst in GNSS-gestörter Umgebung bis auf 1 m genau wirken zu können.
Waldemar Geiger