Anzeige

Bundeswehr will Engagement bei Vereinten Nationen deutlich ausbauen

Anzeige

Vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Verwerfungen im Krisenbogen von Nordafrika bis in den Nahen Osten will das Verteidigungsministerium den Einsatz der Bundeswehr bei Missionen der Vereinten Nationen (UN) deutlich ausweiten. Einzelheiten wie die deutschen Beiträge zur UN aussehen sollen, würden „in diesen Wochen ausgehandelt“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Markus Grübel, bei seiner Rede während des Parlamentarischen Abends der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) am Dienstag in Berlin.

Schon ab 2016 würden die Beiträge Deutschlands bei der UN sichtbar sein, kündigte er an. Deutschland wolle eine aktivere Rolle in der Außen- und Sicherheitspolitik einnehmen, begründete Grübel den neuen Ansatz.

Anzeige

UN besonders legitimiert

Anzeige

Nach Aussage des Staatssekretärs sind Flüchtlingsströme unter anderem auf das Scheitern von Staatlichkeit und militärische Konflikte in den Herkunftsländern zurückzuführen. Zwar existierten Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union oder die Arabische Liga, die womöglich eingreifen könnten. Diese Organisationen seien sich jedoch oftmals nicht einig oder würden von den Konfliktparteien nicht als neutral akzeptiert. Dagegen sind die Vereinten Nationen nach Ansicht des Staatssekretärs zur Beendigung solcher Konflikte besonders legitimiert und geeignet – gleichzeitig liege der Schwerpunkt der UN-Peacekeeping-Missionen auf dem afrikanischen Kontinent und im Nahen Osten.

„Wir möchten im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, dass die VN die ihnen zugedachte Rolle wahrnehmen können“, sagte Grübel. Dabei gehe vor allem um die Maßnahmen der Friedenssicherung.

Deutsche Finanzierung von Anfangsausstattung

Deutschland wolle die Vereinten Nationen insbesondere in der kritischen Anfangsphase von Missionen unterstützen. Dazu werde man Ausrüstung wie EDV-Systeme, Kommunikationsmittel sowie Gefechtsstand-Module finanzieren.

Der Staatssekretär wies darauf hin, dass es sich bei NATO, EU und UN nicht um konkurrierende Organisationen in Hinblick auf die Verwendung deutscher Ressourcen handele. Er räumte jedoch eine, dass die Mittel der Bundeswehr nur einmal vorhanden seien. Deshalb müsse jeder Einsatz abgewogen werden, ohne bestehende Verpflichtungen infrage zu stellen. „Wir müssen uns sehr genau überlegen, wo wir uns wie beteiligen.“

Nach zwanzig Jahren Erfahrung mit dem Peacekeeping sei die Bundeswehr gegenwärtig an sechs Friedensmissionen der Vereinten Nationen beteiligt – mit Ausnahme der Marinebeteiligung an UNIFIL allerdings bisher vor allem mit Einzelpersonal.

Dieses zurückhaltende Engagement scheint nach Einschätzung der Bundesregierung dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht Deutschlands offenbar nicht mehr angemessen zu sein. Deutschland müsse sein Profil bei der UN stärken, forderte Grübel. Dies gehe auch aus den im Oktober 2014 gebilligten UN-Leitlinien seines Ministeriums hervor, in denen unter anderem Handlungsfelder für die Bundeswehr identifiziert wurden.

Führungsaufgaben angestrebt

Deutschland wolle künftig nicht mehr nur ereignisgetrieben und fallweise auf UN-Anfragen reagieren, sondern einen strategischen Ansatz mit eigenen Schwerpunkten und Zielvorstellungen verfolgen, kündigte der Staatssekretär an. „Wir werden regelmäßig die Übernahme von Führungsaufgaben in VN-Missionen anstreben“, sagte Grübel mit Blick auf den Einsatz von Personal. Bislang habe Deutschland kein einziges Mal einen Kommandeur in einer UN-Friedensmission gestellt. Lediglich bei der Mission UNMIL stelle Deutschland seit Mai 2015 mit einem Brigadegeneral den stellvertretenden Force Commander und sei damit erstmals in der militärischen Leitungsfunktion einer UN-Friedensmission vertreten.

Grübel begründete dies damit, dass Kandidaten aus der Bundeswehr kaum Chancen für bestimmte Posten in UN-Missionen haben, weil sie zu wenige Vorerfahrungen aus dem Bereich der Vereinten Nationen mitbringen. Um dies zu ändern, solle das Laufbahnkonzept angepasst werden.

Für Bundeswehr-Angehörige würden damit stufenweise, aufeinander aufbauende UN-Tätigkeiten in den Missionen und im UN-Sekretariat vorgesehen. Um geeignete Kandidaten zu gewinnen, müsse der Einsatz darüber hinaus als karrierefördernd anerkannt werden, so der Staatssekretär.

Des Weiteren strebe man an, die UN-Ausbildung in Deutschland zu modernisieren, zu internationalisieren, weiter zu professionalisieren. Kurse, Lehrgänge und Seminare werden demnach in Zukunft grundsätzlich international ausgeschrieben und besetzt. Stärker als bisher soll UN-erfahrenes Personal in Ausbildung und Lehre eingesetzt werden.

Von Indien und Brasilien lernen

Der Staatssekretär kündigte Ausbildungspartnerschaften mit Ländern an, die langjährige Erfahrungen im UN-Peacekeeping gesammelt haben, um von diesen zu lernen. Er nannte in diesem Zusammenhang die skandinavischen Staaten, Indien, Brasilien, Jordanien und Äthiopien.

Als drittes Handlungsfeld machte der Politiker die Präsenz bei den Friedensmissionen aus. Hier könne man nur Kompetenz erwerben, wenn man selbst größere Kontingente stelle. Die in diesen Einsätzen erforderlichen „hochkomplexen Fähigkeiten“ – laut Grübel reichen diese von der Logistik über Pioniertätigkeit und Medevac bis zur Aufklärung – könnten nicht von jeder Nation erbracht werden. Nach Aussage des Staatsekretärs kann die Bundeswehr in diesen Bereichen substanzielle Beiträge einbringen, ohne sich personell zu überfordern.

Viertens wolle sich die Bundesregierung künftig stärker in die Reforminitiativen beim UN-Peacekeeping einbringen und dabei eigene Vorstellungen verfolgen. So will sich Deutschland nach Aussage von Grübel unter anderem für die Verbesserung der Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und den regionalen Sicherheitsorganisationen wie der Afrikanischen Union einsetzen.
lah/27.11.2015