Das Verteidigungsministerium will die niederländische Firma Damen Schelde Naval Shipbuilding B.V. mit dem Bau von zunächst vier Mehrzweckkampfschiffen 180 (MKS 180) für die Deutsche Marine betrauen.Das Unternehmen sei aus einem europaweiten Ausschreibungsverfahren nach drei Angebotsrunden als Sieger hervorgegangen, schreibt das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw in einer Mitteilung.
Damit geht der Auftrag für die größten nach dem 2. Weltkrieg für die Marine vorgesehenen Kampfschiffe ins Ausland. Neben vier Festbestellungen, besteht die Option für zwei weitere Schiffe. Die Entscheidung steht noch unter Vorbehalt, da der unterlegene Bieter, die German Naval Yards Kiel (GNYK), womöglich rechtliche Maßnahmen ergreifen könnte. Außerdem muss das Vorhaben vom Bundestag abgesegnet werden, was noch für das Frühjahr vorgesehen ist.
Laut Mitteilug soll die MKS 180 zukünftig das gesamte Einsatz- und Aufgabenspektrum der Deutschen Marine abdecken und neue Fähigkeiten vervollständigen. Hierzu gehöre die Verteidigung gegenüber Angriffen aus der Luft sowie die Seekriegsführung gegen Überwasser-, Unterwasser- und Landziele. Der Zulauf der Einheiten sei ab 2027 vorgesehen. Die geplanten Baukosten belaufen sich auf rund 4,4 Mrd EUR netto. Insgesamt sind für die vier Einheiten – inklusive eines „Steinschiffes“ an Land für die Ausbildung – und rund 10-jähriger externe Baubegleitung knapp 6 Mrd EUR im Haushalt eingeplant.
Die Entscheidung wird erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Werft- und Zulieferindustrie haben. Während die Schiffe in wesentlichen Teilen bei der Lürssen-Tochter Blohm + Voss gebaut werden sollen, dürften wichtige Komponenten nicht aus Deutschland kommen. Dazu gehören etwa das Feuerleitradar oder das Battle-Managment-System. Das wiederum dürfte sich auf das Geschäft von Unternehmen wie Hensoldt oder Atlas Elektronik auswirken. Eine Konsolidierung von Branchenteilen bis hin zum Verkauf ins Ausland wird von Beobachtern nicht ausgeschlossen.
Angesichts der angekündigten Entscheidung zur Vergabe des MKS 180 hat die IG Metall Küste die Bundesregierung aufgefordert, einen moderierten Prozess zum Erhalt und zur Neustrukturierung des Marineschiffbaus in Deutschland zu starten.
„Die Bundesregierung ist in der Verantwortung. Bei der Entscheidung einer solchen Tragweite darf sie die Branche und die Beschäftigten nicht ihrem Schicksal überlassen“, wird Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, in einer Mitteilung der Gewerkschaft zitiert. Bund, Länder, Unternehmen und IG Metall müssten gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Standorte und Beschäftigung von Werften und Zulieferern in Norddeutschland erhalten bleiben. „Der Zuschlag für die niederländische Damen-Gruppe und die Hamburger Werft Blohm + Voss darf die Zukunft anderer Werften und Zulieferer in Norddeutschland nicht gefährden“, so Friedrich.
Der Überwasserschiffbau sei von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag und zahlreichen Beschlüssen des Deutschen Bundestags als Schlüsseltechnologie definiert worden. „Deshalb muss die Bundesregierung jetzt auch dafür sorgen, dass der Überwasserschiffbau auch trotz dieser Entscheidung über die gesamte Wertschöpfungskette (Konstruktion, Produktion, Zulieferer und Reparatur/Service/Wartung) in Deutschland erhalten bleibt“, so Friedrich weiter. Der Dialog mit der Branche sei auch nötig, um das Vergabeverfahren durch mögliche Rügen von unterlegenen Anbietern nicht weiter zu verzögern.
Die Gewerkschaft kritisiert die internationale Ausschreibung der MKS 180 als industriepolitische Fehlentscheidung. „Deutschland braucht weiter die Technologie im eigenen Land und die Beschäftigten eine Perspektive – mit der europäischen Ausschreibung ist beides gefährdet!“, so Friedrich.
Die IG Metall Küste hat für Donnerstag die Betriebsräte von Werften und Zulieferern zu einem Treffen nach Hamburg eingeladen, um die aktuelle Situation und das weitere Vorgehen zu besprechen.
Damen: 80 Prozent Wertschöpfung in Deutschland
„Als Generalunternehmer freut sich Damen gemeinsam mit seinen Partnern Blohm+Voss und Thales außerordentlich über die heute bekanntgegebene Absicht, die Partner mit der Lieferung von mindestens vier Fregatten des Typs „Mehrzweckkampfschiff MKS 180“ an die Deutsche Marine zu beauftragen“, schreibt Damen in einer Mitteilung.
Gemeinsam mit seinen Partnern werde Damen den Auftrag so abwickeln, dass rund 80 Prozent der gesamten Nettoinvestitionen als Wertschöpfung in Deutschland verbleiben. Der Bau der Schiffe erfolgt den Angaben zufolge bei Blohm+Voss in Hamburg unter Einbeziehung weiterer Werftstandorte der norddeutschen Lürssen-Gruppe und damit vollständig in Deutschland.
„Auch mit Blick auf die bei Thales in den Niederlanden beauftragten elektronischen Einsatzsysteme gilt die Dominanz deutscher Wertschöpfung und Know-how-Entwicklung: Rund 70 Prozent der Leistungen werden von der deutschen Thales-Landesgesellschaft unter anderem an den Standorten Kiel und Wilhelmshaven sowie von deutschen Unterauftragnehmern erbracht“, heißt es in der Mitteilung weiter. Ein vergleichbar hoher deutscher Wertschöpfungsanteil sei bei Wartung und Service geplant.
Die bewährten deutschen Wertschöpfungs- und Zulieferketten werden laut Mitteilung umfassend benötigt und integriert. Eine große Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft und dem Maschinen- und Anlagenbau in ganz Deutschland werde in die Projektumsetzung einbezogen. Direkt und über Zulieferungen würden zusätzlich zu den deutschen Küstenländern nahezu alle Bundesländer von der Auftragsvergabe an Damen, Blohm+Voss und Thales profitieren.
Mit der norddeutschen Werftengruppe Lürssen als Mutterhaus von Blohm+Voss und der Damen Shipyards Group stünden hinter der Partnerschaft zwei langfristig orientierte Familienunternehmen. Beide Unternehmen befinden sich jeweils zu 100 Prozent im Eigentum der jeweiligen Familien Damen sowie Lürßen.
„Dieses deutsch-niederländische Gemeinschaftsprojekt eröffnet beiden Ländern langfristige neue Perspektiven für weitergehende europäische Kooperationen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Es kombiniere durch die Partnerschaft zwischen Damen, Blohm+Voss und Thales „in optimaler Weise und auf Augenhöhe mit anderen europäischen Anbietern“ eine europäische Zusammenarbeit mit Wertschöpfung und Systemkompetenz in Deutschland.
lah/12/14.1.2020