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Zeit für den Verkauf von RUAG Ammotec läuft

Die Schweiz will einen Großteil ihres bislang in Staatsbesitz befindlichen Rüstungs- und Technologiekonzerns RUAG privatisieren. Dazu wurde das Unternehmen in zwei Teile aufgeteilt: Einen Schweizer Teil, der weiterhin für die Armee des Landes arbeiten soll, sowie RUAG International.  In diesem Unternehmen sind die Geschäftsbereiche enthalten, die zum Verkauf stehen.

Nachdem bereits einige Geschäftsteile veräußert wurden, darunter die Aerospace Services an den US-Konzern General Atomics, steht in diesem Jahr die Privatisierung des Herstellers von kleinkalibriger Munition für Militär, Behörden sowie Jagd- und Sportschützen, RUAG Ammotec, auf dem Programm. „Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess bis Ende 2021 abgeschlossen sein wird“, teilte ein RUAG-Sprecher auf Anfrage mit.

RUAG Ammotec gehört mit rund 2.300 Mitarbeitern zu den größten Herstellern von kleinkalibriger Munition für den Zivil- und Behördenmarkt weltweit und dürfte in Europa der Marktführer sein. Das Unternehmen verfügt über vier Produktionsstätten in der Schweiz, Schweden, Ungarn und Deutschland. Dabei ist die in der Nähe von Nürnberg angesiedelte deutsche Produktion mit über 1.000 Mitarbeitern die größte. Wie aus dem letzten verfügbaren RUAG-Geschäftsbericht hervorgeht, erzielte Ammotec im Jahr 2019 einen Umsatz von 450 CHF. Ein Plus gegenüber dem Vorjahr von sieben Prozent. Die deutsche RUAG Ammotec GmbH mit den Standorten Fürth, Stadeln und Sulzbach-Rosenberg verzeichnete im Jahr 2019 einen Umsatz von rund 229 Millionen Euro.

Wachstum über dem Gesamtmarkt

„Dieses Wachstum liegt damit klar über dem Gesamtmarkt der Kleinkalibermunition, der nur um rund zwei Prozent gewachsen ist“, heißt es im Geschäftsbericht. Als Wachstumstreiber wird für den betrachteten Zeitraum erneut der Geschäftsbereich Armee & Behörden identifiziert. Das Unternehmen profitiere als Innovationsführer von der wachsenden Nachfrage nach qualitativ hochwertiger Spezial- und Präzisionsmunition und blicke positiv in die Zukunft: „Für die kommenden Jahre erwartet RUAG Ammotec insgesamt ein anhaltendes überdurchschnittliches Wachstum und somit auch eine steigende Profitabilität“, schreiben die Autoren des Geschäftsberichts.

Die bevorstehende Privatisierung der RUAG Ammotec dürfte auch in Deutschland mit Interesse verfolgt werden. Denn das Unternehmen gilt als einer der beiden bedeutendsten Lieferanten der Bundeswehr in dem Kalibersegment. Das zweite Unternehmen ist die in Nassau beheimatete Metallwerk Elisenhütte GmbH (MEN), die zum brasilianischen Konzern Compania Brasileira de Cartuchos gehört.

Auch Bayern betroffen

Aufgrund der fränkischen RUAG-Ammotec-Produktionsstätten betrachtet auch die bayerische Politik den anstehenden Privatisierungsprozess. Wie ein Sprecher des bayerischen Wirtschaftsministeriums auf Anfrage mitteilte, hat die Staatsregierung grundsätzlich ein Interesse am Erhalt bayerischer Industriestandorte. „Fürth und Sulzbach-Rosenberg befinden sich zudem in Regionen, in denen industrielle Produktion wichtig ist für einen gesunden Mix.“ Im besonderen Fall handele es sich um Arbeitsplätze mit speziellem Fach-Knowhow. „Diese Kompetenzen sollten nicht verloren gehen. Es ist damit zu rechnen, dass sich Interessenten für diesen Spezialbereich finden.“ Die Staatsregierung setze auf freies Unternehmertum, so der Sprecher weiter.  Staatsbeteiligungen seien deshalb nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. „Im vorliegenden Fall ist keine Beteiligung im Gespräch.“

Beim Verkauf der in der Nähe von München gelegenen RUAG Aerosystems an General Atomics hat die bayerische Staatsregierung offenbar positive Erfahrungen mit den Schweizer Verkäufern gemacht. „Die Verantwortlichen der RUAG waren sofort bereit, mit Vertretern der bayerischen Staatsregierung zu sprechen. Die Gespräche waren geprägt von gegenseitigem Vertrauen und Realismus. Man hatte ein offenes Ohr für die bayerischen Anliegen und war bemüht, ihnen gerecht zu werden“, so der Sprecher des Wirtschaftsministeriums.  Am Ende des Tages seien aber auch die Schweizer Gesprächspartner ihrem Eigentümer und dem Parlament verpflichtet.

Steigender Munitionsbedarf

Während der Freistaat Bayern eine finanzielle Beteiligung ausschließt, dürfte es zahlreiche andere Interessenten an RUAG Ammotec geben. Denn es wird auch in Fachkreisen erwartet, dass NATO- und EU-Länder aufgrund der steigenden sicherheitspolitischen Spannungen seit 2014 ihre Munitionsbestände in den kommenden Jahren weiter aufstocken müssen. Das dürfte für volle Auftragsbücher sorgen.

Allerdings kommt nicht jeder Interessent in Frage, wie der RUAG-Sprecher erläutert. So habe sich der Schweizer Bundesrat für den Verkauf von RUAG Ammotec mit Auflagen entschieden. Alle potenziellen Käufer würden sorgfältig ausgewählt mit dem Ziel, das weitere Wachstum zu unterstützen und „das gesamte RUAG-Ammotec-Geschäft über alle Länder hinweg auf die nächste Stufe zu bringen“. Außerdem müssten die regulatorischen Vorgaben der Staaten, in denen die Ammotec Standorte betreibt, vollumfänglich berücksichtigt werden. Umgesetzt werde das Divestment von eigenen Experten der RUAG, die – wie in solchen Prozessen üblich –  von spezialisierten externen Dienstleistern unterstützt würden.

Hat Ungarn Interesse?

Gut informierten Kreisen zufolge soll unter anderem der ungarische Staat Interesse an dem Unternehmen oder Teilen davon haben. Denn das Land ist dabei, eigene Rüstungskapazitäten aufzubauen. So wird Rheinmetall den Schützenpanzer Lynx für das ungarische Heer vor Ort herstellen und auch die deutsche Dynamit Nobel Defence (DND) hat Verträge mit den Ungarn. Budapest ist dabei gewillt, staatliche Mittel zu investieren, wie etwa der Kauf der Hirtenberger Defence Group beweist. Grundsätzlich ist jedoch vorgesehen, RUAG Ammotec als komplette Division zu veräußern, wie der Mutterkonzern mitteilt.

Neben staatlichen Interessenten kommen auch Unternehmen – etwa aus der Rüstungsindustrie – als Käufer in Betracht.  Allerdings sind dabei kartellrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. So wollte RUAG Ammotec 2005 die Metallwerk Elisenhütte GmbH vom damaligen Eigentümer MAN übernehmen, was das Bundeskartellamt jedoch untersagte. Aus Sicht der Wettbewerbshüter wäre aus dem Zusammenschluss ein Unternehmen mit Monopolstellung in Deutschland hervorgegangen.

Wie aus den RUAG-Ausführungen hervorgeht, sollten staatliche Akteure oder Unternehmen beim Gebot für die RUAG Ammotec nicht nur auf den Kaufpreis fokussieren, sondern müssen auch nachweisen, dass sie die Anforderungen des Schweizer Bundesrates erfüllen. Dabei dürfte auch die Sicherstellung der Versorgungsicherheit für die Streitkräfte eine Rolle spielen.
lah/5.3.2021

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