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Weiter niedrige Klarstände bei Hauptwaffensystemen

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In seinem heute vorgelegten Bericht für das Jahr 2017 führt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, ein lange Liste von Mängeln bei der personellen und materiellen Ausstattung der Bundeswehr auf. Seiner Einschätzung zufolge sieht es auch bei der Verfügbarkeit und tatsächlichen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme weiterhin schlecht aus.

„Die zu erfüllenden Aufgaben können nur durch Priorisierungen bewältigt werden, das heißt, das Gerät wird in anderen Bereichen abgezogen. Zum Teil können die gestellten Aufgaben aber auch nicht erfüllt werden“, heißt es in dem Bericht.

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„So konnten auch kurzfristige Umverteilungsmaßnahmen beim Panzerbataillon 414 die unzureichende Ausstattung mit Kampfpanzern LEOPARD 2A6 nicht beseitigen. Als Folge kann die Ausbildungs- und Übungstätigkeit bis auf Zugebene nur begrenzt sichergestellt werden. Vollständig ausgestattet würde das Panzerbataillon 414 über 48 Kampfpanzer verfügen.“ Dies sollw bis 2020 erreicht werden. Laut Verteidigungsministerium standen dem Bataillon Anfang 2017 weniger als die Hälfte der nach dem Ausstattungssoll vorgesehenen Kampfpanzer zur Verfügung.

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„Im Januar 2018 teilte die 1. Panzerdivision mit, dass das Panzerbataillon 414 lediglich über neun einsatzbereite Kampfpanzer verfügt.“  Dabei handelt es sich um eine deutsch-niederländische Einheit, in der erstmals eine niederländische Panzerkompanie in ein deutsches Panzerbataillon eingebunden wird. Beobachter sind deshalb erstaunt, dass ein solches Leuchtturmvorhaben, dermaßen stiefmütterlich behandelt wird.

Kritische Marke bei Leopard-Panzern erreicht

Nach Einschätzung des Wehrbeauftragten hat die  Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer Leopard 2 grundsätzlich eine kritische Marke erreicht. Im November des Berichtsjahrs sei bekannt geworden, dass von 244 vorhandenen Fahrzeugen nur 95 einsatzbereit seien. Als Konsequenz könnten einsatzbedingte Verpflichtungen nur noch unter Nutzung „sämtlicher Reserven“ erfüllt werden. Es bestehe  akut erheblicher Handlungsbedarf, um schnellstmöglich eine bessere Einsatzbereitschaft herzustellen, fordert der Wehrbeauftragte.

Auch die  Verfügbarkeit der in Nutzung befindlichen Schützenpanzer Puma sei  aufgrund des Mangels an Ersatzteilen und Sonderwerkzeugen sowie qualitätsbedingter Ausfälle von Baugruppen unbefriedigend. „Nur durch die In-Nutzung-Haltung des alten Schützenpanzers Marder sind die der Bundeswehr gestellten Aufgaben bis 2025 in einer qualitativ abgestuften Form zu erfüllen.“ Aber auch hier verursache die Umrüstung auf die neue Panzerabwehrlenkwaffe Mells neue Sorgen. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, sieht es auch bei der Raketenartillerie des Heeres nicht besser aus. So verfügen die Landstreitkräfte gegenwärtig nur über 19 Raketenwerfer Mars, von denen sich drei in der Instandsetzung befinden. Tatsächlich sollte der Bestand bei 38 Einheiten liegen.

Weitere Probleme sieht der Bericht auch beim Fähigkeitsaufbau des Transportfliegers Airbus A400M. „Die Einsatzfähigkeit wird immer wieder aufgrund technischer Probleme eingeschränkt, Einsätze müssen abgebrochen werden“, schreiben die Autoren des Berichts. Im November des Berichtsjahrs seien zeitweise keine der 14 Maschinen einsatzbereit gewesen.

Auch CH-53 betroffen

Die Gründe für die geringe materielle Einsatzbereitschaft seien  beim schweren  Transporthubschrauber CH-53 vielschichtig, heißt es in dem Bericht. „Eine Vielzahl technischer Probleme ergibt sich aus laufenden Umrüstungsvorhaben. Zu bemängeln ist beispielsweise, dass bei der CH-53 GA als neuer Variante der CH-53 GS Probleme hinsichtlich Ausstattung und Kompatibilität bestehen.“ Die fehlende Austauschmöglichkeit von Komponenten zwischen den beiden Systemen verschärfe die Ersatzteillage zusätzlich. Entsprechende Gegenmaßnahmen sollen offenbar  bis 2022 erfolgen.

Anlässlich eines Truppenbesuchs beim Hubschraubergeschwader 64 wurde dem Wehrbeauftragten vorgetragen, dass die zivile Wartungsfirma auf Grund von Personalengpässen ihre vertraglich vereinbarten Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten am  CH-53 nicht hinreichend nachkomme. So stünden dem Verband weniger Hubschrauber als benötigt zur Verfügung.

Es fehlten bis Jahresende 2017 den Angaben zufolge rund 700 Flugstunden, was sich negativ auf die Ausbildung des fliegerischen und technischen Personals auswirke. Das Verteidigungsministerium habe hierzu mitgeteilt, dass aufgrund der bestehenden Einsatzverpflichtungen dem hierfür ausgewählten Personal priorisiert Flugstunden zur Verfügung gestellt würden. Die verbleibenden Flugstunden reichten jedoch nicht aus, um weiteres Personal im benötigten Umfang zu qualifizieren.

Beim Eurofighter werde die Bereitstellung von Fähigkeiten  durch Verzögerungen im Zulassungsprozess beeinträchtigt. Weiter heißt es in dem Bericht: „Verzögerungen gibt es außerdem beim Versuch, den Eurofighter für Luft-Boden-Aufgaben einsatzbereit zu machen. Diese Verzögerungen könnten sich bei der Ausbildung der Piloten fortsetzen.“

Lindner kritisiert Verantwortungslosigkeit

Nach Meinung des sicherheitspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, müssen die zahlreichen vom Verteidigungsministerium ausgerufenen Trendwenden irgendwann für die Soldatinnen und Soldaten zu spürbaren Verbesserungen führen. „Es ist der Ministerin bisher nicht gelungen, eine wirkliche Verbesserung der Situation in der Bundeswehr zu erreichen“, so sein Fazit.

Mit Blick auf den Mangel an Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen verweist Lindner darauf, dass der  Haushaltsausschuss in den vergangen Jahren 80 Mio EUR für Schutzwesten bewilligt hat. „Dass hier immer noch Lücken bestehen, deutet eher auf Verantwortungslosigkeit als auf verbesserte Beschaffungsprozesse hin“, stellt er fest.

Als grob fahrlässig bezeichnet er den Umstand, dass Auslandseinsätze nicht evaluiert werden. „Es kann nicht sein, dass immer wieder die gleichen vermeidbaren Fehler beim Feldlagerbau oder in der Logistik gemacht werden, unter denen die Soldatinnen und Soldaten dann leiden müssen, während gleichzeitig eine Youtube-Serie zum Auslandseinsatz produziert wird.“
lah/12/20.2.2018