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Seedrohnenkriegsführung – Evolution des USV-Einsatzes im Ukraine-Krieg

Kristóf Nagy

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Von den Medien kaum beachtet, hat das britische Verteidigungsministerium Anfang Februar bekanntgegeben, dass es gleich für zwei Entwürfe von unbemannten Überwassersystemen (Unmanned Surface Vehicle; USV) die Finanzierung übernommen hat. Empfänger der Seekriegsmittel soll die Ukraine sein. Die teilweise auch als Uncrewed Maritime Vessels (UMV) titulierten Systeme mit der Bezeichnung Wasp und Snapper seien bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung und sollen am Ende ihrer Erprobung stehen, hieß es. Über Details zu den beiden Systemen wurde indes nichts bekannt. Das Vorhaben zeigt jedoch die Bedeutung, welche sowohl die Ukraine als auch der wichtige Verbündete Großbritannien USV beimessen.

Die kompakten und ursprünglich schwer detektierbaren Fahrzeuge haben, wie alle anderen unbemannten Systeme auch, während des Krieges in der Ukraine eine bemerkenswerte Evolution durchlaufen. Die Ursprünge des ukrainischen USV-Programms sind nicht vollumfänglich bekannt. Es ist jedoch offensichtlich, dass kurz nach dem Beginn der russischen Invasion die Anstrengungen deutlich erhöht wurden. Der Schlüssel für die erfolgreiche Nutzung der Plattformen war eindeutig die Verfügbarkeit von kompakten und verbrauchsarmen Satellitenkommunikationssystemen mit sehr geringer Latenz (Starlink). Hierdurch konnten die Fahrzeuge auch weit hinter dem Horizont gleichsam in Echtzeit gesteuert werden.

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Große öffentliche Bekanntheit erreichte das ukrainische USV-Programm im Oktober 2022, als mehrere Systeme mit der Bezeichnung Mykola den Hafen des russischen Hauptquartiers der Schwarzmeerflotte in Sewastopol angriffen. Die Seedrohnen der ersten Generation mit einem Gewicht von rund 1.000 kg und einer Reichweite von etwa 800 km konnten mit ihren 200 kg schweren Gefechtsköpfen die Fregatte Admiral Makarow und den Minensucher Ivan Golubets stark beschädigen. Die Wirkung der USV zeigte sich danach nicht in spektakulären Versenkungen, sondern in dem Umstand, dass die russische Schwarzmeerflotte förmlich in eine Schockstarre verfiel und zeitweise die Häfen kaum noch verließ. Da Häfen, wie der Angriff auf Sewastopol gezeigt hatte, ebenfalls verwundbar waren, erfolgte die aufwändige und ressourcenraubende Absicherung durch schnelle Patrouillenboote und insbesondere Hubschrauber. Vornehmlich der Beschuss mit Maschinengewehren aus der Luft erwies sich als probates Mittel, um die ukrainischen USV teilweise schon auf dem Anmarschweg erfolgreich zu bekämpfen.

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Der Erfolg der ukrainischen USV basiert nicht nur auf dem potenten Seekriegsmittel, sondern auf der Güte der Aufklärungsergebnisse als Grundlage für die Einsatzplanung. Da der Anmarsch mehrere Stunden in Anspruch nimmt, muss im Vorfeld die Route von sich bewegenden Schiffen genau bekannt oder präzise antizipiert werden, um einzelne Ziele in dem großen Seegebiet zu treffen. Hier hat sich das Zusammenwirken primär mit UAS großer Reichweite als überaus hilfreich erwiesen.

Die Bereitstellung der beschriebenen Informationen ist offenbar hauptsächlich durch nachrichtendienstliche Maßnahmen erfolgt, sodass es nicht verwundert, dass die ukrainische USV-Flotte vom militärischen Nachrichtendienst (GUR) betrieben wird. Das aktuell am weitesten verbreitete Muster ist die Magura V5, welche die Fähigkeit hat, Ziele erfolgreich weit vor der ukrainischen Küste anzugreifen und somit außerhalb der schützenden Hubschrauber-Patrouillen.

Die Magura V5 ist auch die Grundlage für die nächste Evolutionsstufe der Seedrohnenkriegsführung auf ukrainischer Seite. Nachdem bereits Ende 2024 ein mit einer ferngelenkten Waffenanlage versehenes USV einen Hubschrauber durch Maschinengewehrfeuer beschädigte und zum Ausweichen zwang, gelang einem mit sowjetischen Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs R-73 (umfunktioniert für den Bode-Luft-Einsatz) ausgerüsteten USV der bestätigte Abschuss eines Mi-8-Hubschraubers zum Jahreswechsel 2024/2025.

Die Integration von zusätzlichen Wirkmitteln in die Seedrohnen nahm eine weitere interessante Wendung, als USV praktisch zu „FPV-Kampfdrohnen-Trägern“ weiterentwickelt wurden. Durch die Nutzung des USV als Mutterschiff und Relais für FPV-Drohnen soll auf der Krim vor wenigen Wochen ein Flugabwehrkomplex des Typs Pantsir S1 erfolgreich bekämpft worden sein.

Die Verbreitung unbemannter Wasserfahrzeuge beschränkt sich jedoch nicht nur auf die See. Auch die breiten Flüsse der Ukraine, welche im Falle des Dnepr sogar einen signifikanten Teil des Frontverlaufes darstellen, sind Operationsgebiet der an die Bedingungen angepassten USV. Bei den auf den Flüssen eingesetzten Systemen kommen verkleinerte Angriffsversionen und spezielle Transportvarianten zur Versorgung von vorgeschobenen Kräften auf Inseln oder in Brückenköpfen zum Einsatz. Diese kompakten Systeme sind schwieriger aufzuklären als größere bemannte Boote, welche feindlichen FPV-Drohnen leicht zum Opfer fallen können und schonen im Falle des Verlustes das eigene Personal. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die russische Seite solche Plattformen nutzt.

Die rasante Entwicklung seit dem Herbst 2022 und die sich aus der Dynamik von Aktion und Reaktionen ergebenden Entwicklung verheißt auch für die Zukunft einiges an Überraschungen. Dabei ist auch das russische USV-Programm eine Beobachtung wert. Dieses konnte in Ermangelung von ukrainischen Seezielen sein Potenzial bis jetzt nur auf Flüssen zeigen. Unbemannten Seekriegsmittel sind jedoch sowohl als Überwasserplattformen als auch in Form von Unterwassersystemen eine relevante und zukunftsweisend Waffe, nicht nur in diesem Konflikt.

Kristóf Nagy