Es ist jetzt etwas mehr als 20 Jahre her, dass der bewährte CV90-Schützenpanzer in Schweden in Dienst gestellt wurde. Seitdem haben sich mehrere europäische Nationen für den Schützenpanzer aus schwedischer Produktion entschieden. Der Krieg in der Ukraine hat die Nachfrage nach dem CV90 noch weiter gesteigert. In den letzten drei Jahren hat der Hersteller BAE Hägglunds mehrere neue Aufträge erhalten, so dass bis Juni 2024 mindestens 450 neu zu bauende Schützenpanzer in den Auftragsbüchern standen.
Diese Zahl dürfte noch weiter steigen, denn Litauen hat kürzlich Pläne für die Beschaffung von CV90 für zwei Bataillonsäquivalente bekannt gegeben, und durch die gemeinsame Beschaffung von Schweden und Dänemark kommen 165 neue Fahrzeuge hinzu. Zudem ist zu erwarten, dass Finnland eine neue Beschaffung ankündigen wird. In einer Pressemitteilung des litauischen Verteidigungsministeriums vom 18. Dezember heißt es in diesem Zusammenhang zum Stand der Verhandlungen mit Hägglunds: „Litauen wird sich gemeinsam mit Finnland, Schweden und Norwegen an dem Programm zur Beschaffung von Schützenpanzern beteiligen. Das Modell und die Bedingungen der industriellen Zusammenarbeit müssen für alle Programmteilnehmer akzeptabel sein, daher sollen die Verhandlungen bis Ende 2025 abgeschlossen sein.“
Im Oktober 2024 erklärten Vertreter des finnischen Verteidigungsministeriums gegenüber dem US-Fachportal „Breaking Defense“, dass Finnland eine gemeinsame Beschaffung mit Dänemark, Norwegen und Schweden für einen künftigen Schützenpanzer (IFV) plane, das den CV90 ersetzen soll, es wurde jedoch nicht gesagt, welche Fahrzeuge in Betracht gezogen werden. Es gibt also keine gesicherten Aussagen darüber, ob Finnland weitere CV90 kaufen wird. Allerdings hatten die finnischen Streitkräfte im Jahr 2023 noch 110 BMP-2-Schützenpanzer sowjetischer Bauart im Einsatz. Der BMP 2 ist weniger gut geschützt als ein CV90 und bietet der Infanterie im Kampfraum wesentlich beengtere Verhältnisse, so dass ein Ersatz dieser Fahrzeuge in finnischen Diensten erforderlich sein könnte.
Finnland betreibt außerdem eine Flotte von 102 CV9030, die im Rahmen eines 2021 unterzeichneten Vertrags im Wert von 32 Millionen US-Dollar nach der Hälfte ihrer Lebensdauer überholt werden sollten, um die Wartungsfähigkeit der Flotte zu verbessern und die Grundlage für eine spätere umfassendere Modernisierung zu schaffen.
Sollte Finnland tatsächlich neue CV90-Schützenpanzer beschaffen, würde es sich zu den Ländern wie Dänemark, Litauen, die Niederlande, Schweden, die Slowakei, die Ukraine und die Tschechische Republik gesellen, die ebenfalls auf den Zulauf neuer CV90 warten. Ganz zu schweigen von den verschiedenen laufenden Modernisierungsprogrammen wie dem niederländischen MLU, das in vielerlei Hinsicht den Standard für neu gebaute CV90 gesetzt hat.
Auftragsbestand der CV90-Schützenpanzer
Die russische Invasion in die Ukraine hat dazu geführt, dass nach 2022 in kürzester Zeit mehrere Aufträge für den Bau neuer CV90-Schützenpanzer eingegangen sind, die dazu beigetragen haben, eine schwierige Phase des Modells auf dem Exportmarkt zu überwinden.
Dänemark
Im März 2024 beauftragte Dänemark BAE Systems mit der Modernisierung der CV90-Schützenpanzerflotte des Landes. Im Rahmen des sogenannten Mid-Life Upgrades (MLU) sollen die 45 bis dato in Nutzung der dänischen Streitkräfte befindlichen Fahrzeuge kampfwertgesteigert werden. Erste Systeme sollen 2026 zulaufen, mit dem Abschluss der Maßnahmen wird 2029 gerechnet. Im Rahmen des MLU werden die dänischen CV90 unter anderem mit Gummiverbundketten und einem neuen Turm der D-Serie ausgestattet. Die neue Turmvariante wurde von BAE Systems Hägglunds in Örnsköldsvik, Schweden, entwickelt und kommt bereits im Rahmen des niederländischen CV90-Modernisierungsprogramms sowie bei den in Beschaffung befindlichen CV90 Tschechiens und der Slowakei zum Einsatz. Gegenüber vorherigen Turmvarianten stellt die D-Turmvariante Herstellerangaben zufolge in Hinblick auf Design und Funktionalität „einen Sprung nach vorn dar“.
So wurde beispielsweise die Position der Hauptwaffe angepasst, um das Fahrzeug noch besser auszubalancieren und neue Optionen für die Integration von Waffensystemen zu ermöglichen. Das neue Design bietet laut Hersteller zudem ergonomische Verbesserungen für die Besatzung und basiert auf jahrelanger Kampferfahrung, kontinuierlichen Fahrzeugverbesserungen und Datenanalysen des CV90-User-Clubs, welcher sich aus allen CV90-Nutzernationen zusammensetzt.
Ein sogenanntes „Defence Aid Suite“(DAS)-Sensorsystem soll sowohl Wirkung als auch Schutz der Besatzung erhöhen. Zudem werden die dänischen Schützenpanzer mit Panzerabwehrlenkflugkörpern eines nicht näher spezifizierten Typs ausgestattet.
Als weitere Maßnahme werden die Schützenpanzer, ähnlich dem niederländischen MLU, mit Endlos-Gummibandverbundketten (rubber tracks) ausgestattet. Dadurch wird sowohl das Gewicht des Fahrzeugs verringert, wodurch mehr Nutzlast für neue Systeme zur Verfügung steht, als auch Lärm und Vibrationen reduziert, um die langfristigen biomechanischen Auswirkungen auf die Besatzung zu verringern.
Zudem bestellte Dänemark im Dezember 2024 insgesamt 115 zusätzliche Schützenpanzer vom Typ CV9035 Mk IIIC bei BAE Systems im Rahmen einer gemeinsamen Beschaffung mit Schweden, die darüber hinaus auch 40 Fahrzeuge für die Ukraine umfasste.
Der Gesamtwert des Auftrags beläuft sich auf 2,5 Milliarden Euro, einschließlich 50 Fahrzeugen für Schweden. Die Panzer sollen bis 2030 zur Ausrüstung der neuen dänischen Panzerbrigade geliefert werden sollen. Die neuen Fahrzeuge werden im Wesentlichen nach dem gleichen Standard wie dem niederländischen MLU gebaut und bringen die dänische CV90-Flotte auf insgesamt 159 CV90-Schützenpanzer.
Die Niederlande
Die Niederlande beauftragten BAE im Jahr 2021 mit einer umfassenden Modernisierung von 128 ihrer CV9035NL (einschließlich sechs Fahrschulfahrzeugen), deren Auslieferung 2024 begonnen hat und 2026 enden soll. Der Auftrag hatte einen Wert von über 660 Millionen Euro und umfasste die Ausstattung von 90 Fahrzeugen mit dem abstandsaktiven Schutzsystem Iron Fist Light Decoupled von Elbit Systems sowie mit Rafaels Spike-Panzerabwehrlenkflugkörpern (ATGM) in den Türmen der Fahrzeuge.
Alle Schützenpanzer wurden mit Gummiketten aus Verbundwerkstoff ausgestattet, um das Gesamtgewicht des Fahrzeugs zu verringern und das zusätzliche Gewicht von 500 kg durch den neuen Turm zu kompensieren. Der erste kampfwertgesteigerte CV90 wurde im Juni 2024 ausgeliefert, und BAE arbeitet mit dem niederländischen Unternehmen Van Halteren Technologies zusammen, um zumindest einen Teil der Fahrzeuge in den Niederlanden zu produzieren.
Außerdem hat das niederländische Verteidigungsministerium im Juni 2024 15 120-mm-Mjölner-Panzermörser geordert, die auf Basis des CV90 entwickelt wurden und bis 2028 geliefert werden sollen. Die Fahrzeuge sind mit einem neuen, mit zwei 120-mm-Mörsern bewaffneten Turm ausgestattet und ersetzen die derzeit in Nutzung befindlichen Mörsersysteme. Die Panzermörser werden auf eingemotteten Wannen aus der logistischen Reserve des Landes aufgebaut, die auf den MLU-Standard gebracht werden. Es ist erwähnenswert, dass Russland relativ erfolgreich ukrainische Mörsertrupps gejagt und bekämpft hat, was die Feuerunterstützung auf Bataillonsebene unter Druck setzt. Wenn diese Systeme mobiler und besser geschützt werden, wird sich die Überlebensfähigkeit spürbar verbessern.
Tschechische Republik
Die Tschechische Republik hat im Mai 2023 einen bedeutenden Auftrag über 246 CV90Cz im Wert von rund 2,3 Milliarden Euro erteilt. Es wird erwartet, dass die tschechische Industrie mit rund 40 Prozents des Auftragswerts beteiligt wird, was die Fähigkeit des Landes zur Herstellung eigener Ausrüstung erheblich stärkt.
Die CV90 sollen den BVP 2 ersetzen, das tschechische Pendant zum BMP 2, dem es an Schutz und Durchsetzungsfähigkeit mangelt und der auf eine veraltete und überholte Lieferkette angewiesen ist. Das Land hat bei der Beschaffung mit der Slowakei zusammengearbeitet und außerdem im Juni 2023 eine Absichtserklärung mit der Slowakei und der Ukraine unterzeichnet, um bei der Beschaffung und dem Betrieb von CV90 zusammenzuarbeiten. Die ersten Fahrzeuge werden voraussichtlich im Jahr 2027 an die 7. mechanisierte Brigade ausgeliefert.
Der CV90Cz basiert auf dem Turm der D-Serie, der aus dem niederländischen MLU hervorgegangen ist, und wird voraussichtlich eine 30-mm-Kanone aufnehmen. Der erste Prototyp des Geschützturms wurde im Juni 2024 hergestellt, der Stahl für die Wanne soll im darauffolgenden September zugeschnitten werden, wobei die tschechischen Streitkräfte während des gesamten Prozesses mitwirken. Die Sichtsysteme und die Feuerleitanlage werden von Saab im Rahmen eines im Oktober 2023 unterzeichneten Vertrags geliefert. Der Vertrag beinhaltet eine Lizenz für die Produktion der Fahrzeuge in Tschechien für zukünftige Aufträge.
Slowakei
Die Slowakei hat bei der Beschaffung der CV90 mit Tschechien zusammengearbeitet und sich schließlich im Juni 2022 für den CV90 Mk IV entschieden. Im Rahmen eines 1,3-Milliarden-Euro-Auftrags wurden insgesamt 152 Schützenpanzer bestellt, die die von der Slowakei genutzten BVP 2 ersetzen sollen. Das Projekt verfügt über ein Gesamtbudget von 1,68 Milliarden Euro, das die Infrastrukturkosten und die Beschaffung umfasst. Hauptauftragnehmer auf slowakischer Seite ist die staatliche ZTS – ŠPECIÁL.
Die slowakischen Fahrzeuge werden nach dem Mk-IV-Standard von BAE gebaut und mit dem Turm der D-Serie aus der niederländischen Modernisierung sowie der 35-mm-Bushmaster-Kanone ausgestattet. Die Fahrzeuge werden nach Angaben von BAE mit dem abstandsaktiven Schutzsystem Iron Fist Light Decoupled und Spike-Panzerabwehrlenkflugkörpersystem sowie mit Sensoren ausgestattet, die mit künstlicher Intelligenz befähigt sind. Insgesamt 122 der Fahrzeuge werden in der Variante Schützenpanzer beschafft, 12 davon in einer speziellen Konfiguration für die Beförderung von Trupps mit schweren Scharfschützengewehren und Granatwerfern. Die restlichen 30 Fahrzeuge werden als Führungs-, Aufklärungs- und Bergunge-/Pionierpanzer ausgeführt. Der Zeitpunkt der Auslieferung ist aus den öffentlich verfügbaren Quellen nicht ersichtlich.
Litauen
Auch Litauen hat mit der Beschaffung von CV90-Schützenpanzern für die Aufstellung von zwei Bataillonen begonnen, die im Verbund mit den bereits bestellten Leopard-2-Kampfpanzern operieren sollen. Der litauische Gesamtbedarf ist weiterhin unklar, es wird aber mit einer Bestellung von bis zu 100 Schützenpanzern gerechnet, was je nach Variantenmix und Rüststand auf ein Auftragsvolumen von etwa 1,3 Milliarden Euro schließen lässt. Die Verhandlungen sollen bis Ende 2025 abgeschlossen werden und könnten, wie im ersten Abschnitt dieses Berichts erwähnt, von einer gemeinsamen Beschaffung mit Finnland, Schweden und Norwegen abhängen.
Schweden
Wie bereits erwähnt, bestellte Schweden gemeinsam mit Dänemark im vergangenen Dezember 50 neue CV9035 Mk IIIC als Ersatz für die Fahrzeuge, die es der Ukraine übergeben hatte. Die schwedische Flotte umfasste vor der Abgabe an die Ukraine 499 Fahrzeuge in verschiedenen Standards und Verfügbarkeitsgraden.
Schweden erteilte dem schwedischen BAE Systems-Joint-Venture HB Utveckling AB, in dem die Fertigungskapazitäten von BAE Systems für Hägglunds und Bofors zusammengefasst sind, im Jahr 2023 eine Vertragsänderung im Wert von 30 Millionen Euro für 20 zusätzliche Mjölner-Panzermörser. Mit dieser Änderung erhöht sich die Gesamtzahl der bestellten Mjölner auf 80; 40 wurden im Rahmen des ersten Vertrags 2016 bestellt und bis 2020 ausgeliefert, weitere 20 wurden 2022 bestellt. Die Auslieferung der letzten 20 Panzermörser wird bis Ende 2025 erwartet.
Ukraine
Die Ukraine erhielt von Schweden 50 CV9040, die sie im Kampf gegen die russischen Streitkräfte erfolgreich eingesetzt hat. Im Jahr 2024 beschlossen die Niederlande, Dänemark und Schweden eine Zusammenarbeit zur Finanzierung der Produktion von neuen CV90 für die Ukraine. Ein Teil der Fahrzeuge soll 2026 aus niederländischer Produktion kommen. Das Vorhaben wird mit rund 400 Millionen Euro von den Niederlanden sowie mit 263 Millionen Euro von Schweden und Dänemark finanziert, insgesamt also mit 663 Millionen Euro. Während die Kosten eines Schützenpanzers von der bestellten Menge und dem mit dem Hersteller vereinbarten Preis abhängen, deutet diese Höhe der Finanzierung darauf hin, dass im Rahmen dieser Initiative nur etwa 70 CV90 finanziert werden können.
Bis dato wurde nur eine Bestellung von 40 CV90 für die Ukraine ausgelöst, welche im Rahmen der gemeinsamen, im Dezember 2024 getätigten Beschaffung von Dänemark und Schweden erfolgte.
Zusammenfassung
Der Überblick zeigt, dass BAE Systems möglicherweise bis zu 738 CV90-Schützenpanzer herstellen bzw. deren Herstellung beaufsichtigen muss, die meisten davon bis 2030 und in mehreren verschiedenen Varianten. Nicht berücksichtigt sind dabei der Auftrag des litauischen Verteidigungsministeriums sowie die von BAE im Juni 2023 genannten Möglichkeiten für zusätzliche slowakische Fahrzeuge sowie Angebote in Italien, Brasilien und Rumänien. Aber auch ohne diese Angebote wird BAE mit der gleichzeitigen Durchführung so vieler verschiedener Vorhaben alle Hände voll zu tun haben. Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge über 200 Millionen Euro in seine Produktionsanlagen investiert und rechnet mit weiteren 300 Millionen Euro, wie Tommy Gustafsson-Rask, Geschäftsführer von BAE Systems Hägglunds, auf der Eurosatory 2024 erklärte. Das Unternehmen ist auch auf lokale Partnerschaften angewiesen, um seine Produktion zu skalieren und sein Wachstum zu erleichtern, was die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie ZTS – ŠPECIÁL in der Slowakei und Van Halteren Technologies in den Niederlanden notwendig macht. Alles in allem war 2024 ein vielversprechendes Jahr für den CV90, und es sieht so aus, als ob im kommenden Jahr weiteres Wachstum möglich ist.
Der Erfolg des CV90-Schützenpanzers kommt nicht von ungefähr: Rund 1.400 Fahrzeuge sind im Einsatz. Zudem gilt der CV90 als einer der ausgereiftesten modernen Schützenpanzer, der den europäischen Kunden zur Verfügung steht. Er ist seit 1994 im Einsatz und wurde bereits in Afghanistan und der Ukraine eingesetzt. Der Nutzerclub bietet auch Gemeinsamkeiten und Vorteile für die gesamte Flotte, was sich am besten daran zeigt, dass der Turm des niederländischen MLU im Wesentlichen zum Produktionsstandard geworden ist. Darüber hinaus bedeutet die Ausrichtung auf einen im Wesentlichen gemeinsamen Standard für neue Aufträge – den CV9035 Mk IIIC –, dass BAE Systems nicht viele verschiedene Fahrzeuge nach unterschiedlichen Nutzerspezifikationen herstellen muss, was die Produktionszeiten verkürzen wird. Ermutigend dürfte auch der Umfang der europäischen Aufträge für das Fahrzeug sein, das speziell für den Kampf gegen die sowjetischen bzw. russischen Streitkräfte entwickelt wurde.
Autor: Sam Cranny-Evans. Der Beitrag erschien erstmalig am 6.01.2025 in englischer Sprache auf der hartpunkt-Partnerseite Calibre Defence