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Niederländer preschen bei der Beschaffung vor

Das niederländische Verteidigungsministerium will noch im laufenden Jahr mit dem Beschaffungsvorhaben für neue digitale Funkgeräte für ihre Heereskräfte starten. Wie es in einem kürzlich veröffentlichten Brief an das niederländische Parlament heißt, sollen für das 44. Panzerinfanteriebataillon neue Fahrzeugfunkgeräte sowie tragbare Funkgeräte gekauft werden.  Die Kosten dafür werden auf einen Wert von 25 Mio EUR bis 100 Mio EUR veranschlagt. Insgesamt sollen 220 Fahrzeuge neue Funktechnik erhalten, die sowohl für den Datenverkehr sowie Sprechfunk genutzt werden kann.

Die Einleitung des Beschaffungsprozesses hat auch große Bedeutung für die Bundeswehr, da beide Länder im Rahmen des Tactical Edge Networking (TEN) ihre Vorhaben Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO) sowie das niederländische Foxtrot zusammengelegt haben, um interoperabel zu werden. Wie die niederländische Verteidigungsstaatssekretärin Barbara Visser in dem Brief schreibt, strebt sie bis Dezember ein Übereinkommen mit Deutschland an, in dem der vorgeschlagene Zeitplan für die Ausstattung des so genannten Spiral 0 und die damit zu realisierenden Synergien verbindlich festgelegt werden.

Beobachter befürchten nun, dass die Niederlande mit dem Vorangehen bei der Beschaffung, Rahmensetzungen zum Nachteil der deutschen Seite schaffen könnten. Denn aus einigen im Brief angeführten Punkten scheinen Diskrepanzen zur deutschen Planung sichtbar zu werden.

Um Synergie und Interoperabilität zu erreichen, werde die Zusammenarbeit mit Deutschland aufgebaut, schreibt Staatssekretärin Visser. Beide Länder beabsichtigen demnach ein Combat Net Radio (CNR) im Rahmen einer Ausschreibung  zu beschaffen. Dabei soll nur verfügbare Technik in Frage kommen und Neuentwicklungen ausgeschlossen sein. Überdies werde gemeinsam der so genannte TEN-Core entwickelt. An diesen Core sollen Applikationen wie das Battle Management System (BMS) angekoppelt werden.

Während Deutschland auf das BMS der dänischen Firma Systematic setzt, haben die Niederlande bislang ein selbst entwickeltes System mit dem Namen Elias in der Nutzung. Laut dem Brief an die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments soll der  TEN-Core gemeinsam mit Deutschland im Design- und Prototypenzentrum in Amersfoort entwickelt werden.

Hier sehen Beobachter jedoch einen Widerspruch. Denn dem Vernehmen nach hat die deutsche Amtsseite bereits die Firma Blackned mit der Programmierung eines Core beauftragt. Die Fortschritte werden offenbar auch regelmäßig evaluiert und eine Übergabe an den deutschen Nutzer zur weiteren Tests soll in Kürze bevorstehen. Diese Software wird im Eigentum des deutschen Staates verbleiben. Ob also ein anderer Core entwickelt wird oder nur die Tests in Amersfoort stattfinden, erschließt sich aus dem Papier nicht.

Außerdem fordert Staatssekretärin Visser, dass die zu beschaffende Technologie rückwärtskompatibel mit bereits in den niederländischen Streitkräften eingeführter Funktechnik sein muss. Nur damit sei die Kommunikation sichergestellt. Beobachter befürchten in diesem Zusammenhang, dass aufgrund dieser Forderung in den Niederlanden etablierte Hersteller einen Vorteil haben könnten, da diese  Anbieter wichtige  Lieferanten des niederländischen Heeres sind und womöglich proprietäre Wellenformen nutzen.

Wie es in dem Papier weiter heißt, will die Bundeswehr ein ähnlich großes „Force Package“ wie die Niederlande im Spiral 0 mit der neuen Funktechnik ausstatten. Allerdings haben die deutschen Streitkräfte aufgrund ihrer Größe langfristig einen deutlich größeren Bedarf als ihre niederländischen Partner, die nur über zwei mechanisierte Brigaden sowie eine Luftlandebrigade verfügen. Ob sich dieser höhere Bedarf auch bei der Konzeption und der Beschaffung auswirkt, bleibt abzuwarten. Auch stellt sich die Frage, welches der beiden Länder im Lead bei der anstehenden Ausschreibung sein wird.

Das niederländische Verteidigungsministerium plant mit einem Beschaffungsprozess für die neue digitale Funktechnik im Zeitraum von 2020 bis 2026. Die ersten Geräte sollen bereits 2023 zulaufen. Die Gesamtkosten des gesamten Foxtrot-Programms in den Niederlanden werden mit 250 Mio EUR bis 1 Mrd EUR kalkuliert, wobei eine Anpassung nach oben nicht ausgeschlossen wird.
lah/8.10.2020

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