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Marine-Überwasserschiffbau soll Schlüsseltechnologie werden

Der Haushalts-Ausschuss des Bundestages hat in seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag und Freitag neben milliardenschweren Rüstungsvorhaben – darunter 5,6 Mrd EUR für den schweren Transporthubschrauber – auch einen Antrag zur Marineindustrie gebilligt. In dem Beschluss der so genannten Bereinigungssitzung wird die Bundesregierung aufgefordert, den Marine-Überwasserschiffbau „unverzüglich als nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie einzustufen“. Die Haushälter beziehen sich dabei offenbar auf einen Passus aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, der ebenfalls die Einstufung des Marine-Überwasserschiffbaus als Schlüsseltechnologie  vorsieht.

Der Haushaltsausschuss begründet seine Forderung damit, dass für  Deutschland ein leistungsstarker, international wettbewerbsfähiger Marine-Überwasserschiffbau unter Berücksichtigung der inländischen Zulieferindustrie von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sei. Die entsprechenden Arbeitsplätze in der Marine-Überwasserschiffbauindustrie für Neubauten und Instandsetzungen müssten in Deutschland erhalten und Technologien und Fähigkeiten durch Referenzprojekte weiterentwickelt werden, heißt es weiter. Der deutsche U-Boot-Bau wurde  bereits vor geraumer Zeit als Schlüsseltechnologie klassifiziert.

Sollte sich die Bundesregierung dieser Forderung anschließen, stellt sich Beobachtern die Frage, wie bei der Vergabe des Auftrags für zunächst vier Einheiten des Mehrzweckkampfschiffes 180 zu verfahren sein wird. Dem Vernehmen nach  würde die geforderte Einstufung als Schlüsseltechnologie laufende Verfahren, wie den Bau des MKS 180 zwar nicht betreffen. Allerdings dürfte dieses Vorhaben, das mit rund 5,3 Mrd EUR im Haushalt eingeplant wird, eine überragende Bedeutung für den Erhalt von Arbeitsplätzen und technologischen Fähigkeiten in Deutschland besitzen. Denn die MKS 180 werden mit voraussichtlich über 10.000 Tonnen Verdrängung die größten nach dem Krieg in Deutschland entwickelten Kriegsschiffe sein. Wie es heißt, soll die Technik der Schiffe zum Besten gehören, was gegenwärtig auf dem Markt verfügbar ist.

Auch für deutsche Anbieter von Elektronik und Sensoren hat eine Beteiligung an dem Bau große Relevanz: So will Hensoldt dem Vernehmen nach im Rahmen des Projektes ein eigenes Feuerleitradar entwickeln. Dieses soll in das vom Auftraggeber bereits vorgegebene Hensoldt-Radar TRS-4D integriert werden. Gut informierten Kreisen zufolge strebt das kürzlich von Airbus abgespaltene Unternehmen an, bei Marine-Sensorik zum Vollanbieter zur werden.

Die Problematik ist nun, dass nur noch zwei Bieter für die MKS 180 im Rennen sind: Da ist einerseits das von der niederländischen Damen-Werft geführte Konsortium mit Blohm + Voss als weiteren Partner. Letztere Werft gehört mittlerweile zur Bremer Lürssen-Gruppe.

Als zweiter Bieter  hat sich German Naval Yards Kiel (GNYK) als Konsortialführer mit dem US-Partner Alion und jüngst mit TKMS zusammengetan. GNYK ist im Besitz des französisch-libanesischen Unternehmers Iskandar Safa. TKMS war vom BMVg Anfang des Jahres zusammen mit seinem damaligen Partner Lürssen aus dem Wettbewerb um MKS 180 ausgeschlossen worden und ist mittlerweile eine Allianz mit GNKY eingegangen.

Sollte der Auftrag an Damen gehen, wäre vermutlich die deutsche Ingenieursexpertise für große Kampfschiffe zumindest gefährdet. Denn Design und Planung würden nach Meinung von Beobachtern fast vollständig aus den Niederlanden kommen.  Hunderte Jobs bei TKMS und GNYK könnten dann auf der Kippe stehen.

Selbst ein anstehender Auftrag für TKMS zur Lieferung von Fregatten der MEKO-Klasse nach Ägypten – wie das Handelsblatt vergangene Woche berichtete –  ist vom Volumen und technisch nicht mit der MKS 180 vergleichbar. Wie das Blatt schreibt, krankt die Umsetzung des angeblich bereits unterschriebenen Kontraktes mit Kairo im Augenblick daran, dass die saudi-arabischen Geldgeber auf der Bremse stehen. Aufgrund des faktischen  deutschen Waffenboykotts in der Folge des gewaltsamen Todes von Jamal Khashoggi wolle Riad die Finanzierung nicht gewährleisten.

Die Vergabe an die Damen-Werft hätte neben dem kurzfristigen vermutlich noch einen langfristigen Effekt, wie Beobachter vermuten: Die Bereitschaft ausländischer Kunden,  bei deutschen Werften zu bestellen, obwohl das deutsche Verteidigungsministerium beim wichtigsten Beschaffungsvorhaben der kommenden Dekade im Ausland ordert, dürfte dauerhaft sinken.

Zwar muss die Marine in den kommenden Jahren neue Tanker, Flottendienstboote und Minensucher beschaffen, wovon deutsche Werften profitieren könnten. In der Komplexität sind diese jedoch nicht mit einer MKS 180 vergleichbar.

Der Haushaltsausschuss macht andererseits deutlich, dass die Parlamentarier trotz hoher Kosten und Verzögerungen weiter an MKS 180 festhalten. Das Budget für das kommende Jahr wurde gegenüber dem ursprünglichen Ansatz sogar um 147 Mio EUR auf  nun 195 Mio EUR erhöht. Damit soll offenbar signalisiert werden, dass 2019 mit der Vertragsunterzeichnung zu rechnen ist.

Gut informierten Kreisen zufolge ist die Aufforderung an die beiden verbliebenen Wettbewerber bei MKS 180, ein so genanntes Best and Final Offer abzugeben, allerdings noch nicht erfolgt. Es wird spekuliert, dass sich die Angebotsaufforderung bis zum Jahresende oder sogar bis ins kommende Jahr ziehen könnte.
lah/13.11.2018